Veröffentlicht: 05.02.2023
Tag 6
Ok Ok. Alles klar. Kein Problem. Passt. Machen wir so.
Sawa Sawa eben.
Diese Redewendung macht süchtig und man hört sie überall. Man kann es immer sagen. Am Anfang eines Gespräches, als Dank, am Ende eine Gespräches, es passt fast in jeder Situation.
Seit Donnerstag bin ich in Kisumu, einer mittelgroßen Stadt im Westen Kenias unweit des riesigen Victoriasees. Hier drehe ich nun den Film für die NGO und bin somit ein paar Wochen hier. Ich schlafe in der Nähe des Zentrums in einer kleinen aber feinen Unterkunft auf dem Gelände des Büros der NGO zusammen mit Filip, einem Volunteer aus Österreich, der hier für insgesamt 10 Monate seinen Zivildienst macht.
Gerade eben ist ein Adler, oder zumindest ein ziemlich großer Raubvogel, 15 Meter über mir vor dem hellblauen Himmel und hinter dem Grün der etlichen Bäume und Pflanzen entlang gesegelt. Davon gibt es hier sehr viele.
Die letzten drei Tage hier in Kisumu dienten in erster Linie dem Ankommen in dieser neuen Umgebung. Ich nutzte also die Zeit die etlichen Mitarbeiter der Organisation kennenzulernen, ein bisschen in der Stadt entlang zu laufen, Erledigungen zu machen, mit Maurice, unserem persönlichen Security, einen Tee zu trinken, den Verkehr zu verstehen, das Müllsystem zu verstehen, Samosas zu essen (frittierte Teigtaschen gefüllt mit Fleisch oder Gemüse), an den See zu fahren, den Sonnenuntergang dort zu genießen, wieder Tee zu trinken mit Maurice, gegen Mücken anzukämpfen und auf einem Picky Picky sitzend zu Gott zu beten. Picky Pickys ersetzen hier den öffentlichen Nahverkehr. Es sind einfach Motorräder, die überall am Straßenrand stehen und ihre Besitzer, die wenn sie dich erblicken eifrig auf sich aufmerksam machen. Man schwinkt sich einfach hinten drauf, schlängelt sich ein paar Kilometer durch das Gewusel und zahlt am Ende 100 Kenianische Schillings. 70 Cent. Gerne werden auf diesen Gefährten auch Bananenstauden, Fahrräder, Matratzen, oder eine ganze Familie transportiert. Es ist so praktisch und so unvernünftig.
"Müllsystem" habe ich gerade geschrieben. Im Endeffekt wird alles gemixt in Mülleimer geschmissen und am Ende entweder irgendwo auf dem Grundstück oder auf der Straße verbrannt. An den Straßenrändern also offene Feuer, daneben laufen Menschen mit riesigen Körben mit Früchten auf dem Kopf und dazwischen Rinder und Ziegen. Mitten in der Stadt.
Ja, wenn man auf so einem Picky Picky sitzt, sieht man viel. Und man spürt, dass man in Afrika ist.
Am Freitag war ich mit Filip, Simon, dem Chef der Organisation, und ein paar anderen Mitarbeitern am See in einer sehr coolen Bar. Dunja Beach. Dort konnte man was trinken, dem atemberaubenden Sonnenuntergang zusehen und der Live Musik lauschen. Eine riesige Bühne war aufgebaut und etwa 15 Menschen machten großartige kenianische Musik. Inklusive zum Mitmachen animierender Tanzeinlagen versteht sich. Percussions, Schlagzeug, Bongos, Gitarre, Sängerinnen und Sänger. Alles dabei. Es war groß. Wenn man auf den See blickte, konnte man kaum das andere Ufer erkennen, wobei der Ausschnitt nur einem kleinen Ausläufer, also einer Bucht, entsprach. Der Victoriasee ist gigantisch und entspricht insgesamt etwa der Größe von Bayern und Baden Württemberg zusammen. Es ist unvorstellbar. Dort gibt es Hippos und Krokodile am Ufer, doch wir haben leider keine gesehen. Oder zum Glück?
Nach der Bar hatten alle Hunger und wir sind noch in ein traditionelles Restaurant gefahren. Dort gab es Gegrilltes Rind mit vielen Beilagen und vor allem Ugali, einem typisch kenianischen Getreidebrei, der ehrlich gesagt nach nichts schmeckt. Aber der Clou ist folgender: Man nimmt etwas Ugali, formt mit der Hand eine kleine Kugel, in die man eine Wölbung knetet. Nun kann man löffelähnlich das Ugali mit den Beilagen vermengen und alles miteinander aufnehmen. Warum man dann nicht gleich einen Löffel nimmt, könnte man sich hier fragen. Ich persönlich mag das Essen mit den Händen sehr. Simon, der Chef, erklärte es so, dass man das Gegessene viel mehr spürt und wertschätzt, wenn man es mit den Fingerkuppen fühlt. Diesen Gedanken mochte ich. Und ehrlich gesagt fand ich die Szenerie auch äußerst suspekt, als in einem schicken Restaurant hemdtragende Männer anfingen in ihren Tellern rum zu kneten. An der Bar waren große Waschbecken, sodass man sich nach dem Schmaus in Ruhe die Hände säubern konnte.
Gestern und heute war ich nochmal ein wenig in der Umgebung unterwegs und habe das kenianische Leben auf den Straßen Kisumus beobachtet. Alles wirkt, als befände man sich in einer einzigen Arte-Doku über Afrika. Es ist eine völlig andere Welt. So chaotisch, so staubig, so arm, so anstrengend und doch so fröhlich, so gelassen, so herzlich und so lustig. Vorhin wollte Paul, ein Mitarbeiter hier, mit mir unbedingt Pasta machen. Er sagt, er esse das sehr gerne, wisse aber nicht richtig, wie man es zubereitet und daher solle ich ihm zeigen, wie man es macht, damit er es zuhause mal nachkochen kann. Also kochten wir zusammen Spaghetti mit Tomatensauce. Er hat sich gefreut und es hat uns allen sehr gut geschmeckt.
Es ist jetzt 19:23. Morgen beginnt die Arbeit. Morgen fahre ich das erste Mal zu den Projekten in der Region. Morgen beginnt der Dreh. Aber jetzt, wo es dunkel ist, wo alle Mitarbeiter weg sind und außer Filip und mir nur noch eine Person auf dem Grundstück ist wird es Zeit. Es wird Zeit für den Tee mit Maurice.
Ach ja, eine Sache habe ich ganz vergessen. Ich habe mir eine Glatze rasieren lassen. In diesem Sinne. Sawa Sawa.