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Tauchen auf Koh Tao - Thailand

Veröffentlicht: 12.03.2024

Dafür das Koh Tao mir immer als die ruhigste Insel der Inselgruppe von Koh Tao, Koh Pha-ngan und Koh Samui beschrieben und empfohlen wurde, war ich dann mehr als überrascht als ich ankam. Die Insel ist ein kleiner Kolonialstaat von westlichen Touristen, bei der sich die gesamte Wirtschaft der Insel auf den Tourismus konzentriert und man deutlich mehr Kaukasier sieht als Thailänder. Mir war ein wenig unwohl, bei dem Gedanken hier meine letzten Tage der Reise zu verbringen, zwischen dem Partytourismus, Restaurants bei denen es leichter ist ein English breakfast und Smoothie-bowls zu bekommen als traditionelle Speisen und der Allseitspräsenz von deutscher und englischer Sprache.

Um diesen Schlamassel zu entkommen plante ich hier einen langfristigen Traum zu verwirklichen. Denn Koh Tao ist nicht nur für seine rasante Tourismusentwicklung bekannt, sonder auch dafür, dass es keinen Ort auf der Welt gibt, an dem so viele Tauchzertifikate erworben werden. Mein Bruder, Thommy, inspirierte mich in den letzten Jahren und zuletzt, als er seinen Dive-Master in Honduras machte und mir von der Einzigartigkeit des marinen Ökosystems berichtete. Mein Plan war es den Open-Water-Kurs und den Advanced-Adventurer hier zu machen um einen ersten Einblick in diesen 'Sport' zu bekommen. Ich hätte zu Beginn nicht gedacht, dass mich das Tauchen in einen so tiefen Sog der Freude, Neugier und Erfüllung ziehen würde, wie es dann passierte.

Ich war am Anfang kurz ein wenig geknickt, da meine Tauchgruppe, im Gegensatz zu den anderen, eher aus nicht so 'lustigen' Menschen bestand. Ein älteres britisches Ehepaar, welches einfach ein sehr anderes Mindset und Interessen hatte als ich und mein Tauchbuddy, eine 25 jährige Hongkongerin, welche sehr nett war, aber ein wenig introvertiert und nicht so gesprächig, bildeten meine Gesellschaft für die ersten 6 Tage. Ich merkte aber schnell, dass meine Konzentration nicht wirklich auf der Gruppe an sich lag, sonderm vielmehr auf das Tauchen selber. An die Ungewohnheit durch einen Respirator und unter Wasser zu atmen gewöhnte ich mich recht schnell und genoss nicht nur die Ruhe, Stille und Schwerelosigkeit im Ozean, sondern auch das Ökosystem Meer. Man gleitet zwischen den unterschiedlichsten Korallen her. Manche sehen aus wie Kakteen oder die Oberfläche des Großhirns, andere wie riesige Bonsais und Polypen und wieder andere erinnern an ein riesiges Labyrinth welches auf einer Halbkugel eingebettet ist. Auf den Korallen wachsen knallbunte "Weihnachtsbaumpflanzen", welche tatsächlich wie Tannen aussehen und bei leichter mechanischer Berührung, wie z.B. durch einen Wasserstoß, schnappartig ihre Fangarme einziehen und in der Koralle verschwinden.

Schaut man genauer hin erscheinen zwischen Felsspalten Muränen, blaugepunktete Stachelrochen, riesige Einsiedlerkrebse, die Zuflucht in überdimensionalen verlassenen Muscheln suchen, kleinen Shrimps die mit einer bestimmten Fischart in Symbiose leben und wie ein alternatives Ehepaar wirken und natürlich die Seeschnecken. Und ich sage hier jetzt ganz bewusst und ehrlich das die Seeschnecken die definitiv coolsten Tiere sind, die auf dem Meeresgrund, bzw. an den Korallen leben. Die Schnecken besitzen keinen Panzer, haben die verrücktesten geometrischen Formen und vorallem eine super diverse und einzigartige Färbung. Sie sehen wie Alienwesen aus, die vor tausenden von Jahren mit ihrem UFO in den Golf von Thailand abgestürzt sind und sich dort langsam auf den Überfall und Übernahme der Erde vorbereiten. Ich kann hier jedem nur empfehlen kurz aufzuhören zu lesen und bei Google "Nudibranches" einzugeben und sich diese absurde Spezies einmal anzuschauen.

Schafft man es den Blick von der hypnotisierenen Korallenlandschaft abzuwenden und sich auf die Horizontale zu konzentrieren, so findet man sich schnell in Fischwärmen wieder, die aus hunderten von scheinbar geklonten Fischen bestehen. Von Schwärmen aus kleinen und unspäktakulären Fischen, bis hin zu welchen, in denen Schmetterlingfische wie in einer perfekten Choreographie simultan durch das Wasser gleiten, findet man hier alles. Die Furchteinflößenden Barakuderschwärme konkurrieren mit den monstrumartigen Riesenlippfischen, welche wie die Bösewichte eines Gangsta-Film-Noir Fischthrillers aussehen. Wenn dann noch die Riesenschildkröten an einem gelassen vorbeiziehen und man durch Schiffswracks des 2. Weltkrieges taucht fühlt man sich wie auf einem anderen Planeten, überrumpelt von all den Eindrücken und teilweise benommen. Obwohl das Gefühl des Benommenseins auch vor der Stickstoffnarkose hätte kommen können. Und hier komme ich zu einer Sache, die das Tauchen für mich mindest genauso spannend macht wie der eigentliche Aufenthalt im Wasser.

Der Mensch begibt sich hier in eine Umwelt, die die Evolution für ihn nie vorgesehen hat. Mit der Abwesenheit von Sauerstoff fängt es ja gerade ersteinmal an. Menschen sind nur dadurch in der Lage in diesem Umfeld zu überleben und sogar Spaß zu haben, da man eine künstliche Isolation (bzw. eigene Umwelt), dir Tauchausrüstung, nutzt um sich von den Faktoren der eigentlichen Umwelt abzugrenzen. Der Druck im Wasser steigt mit jedem zehnten Meter um 1 Bar und somit um ein atmosphärisches Äquivalent, wobei alle Luftgefüllten Räume des menschlichen Körpers in ihrem Volumen komprimiert werden. Die Innereien, Lunge und die Nasennebenhöhle können das ganz gut anhaben, das Mittelohr aber nicht. Jeder kennt den notwendigen Druckausgleich um eine Ruptur des Trommelfells vorzubeugen. Wenn man sich immer höheren Druck aussetzt, aka. tiefer taucht, fangen aber auch plötzlich Gase an Probleme zu machen, die auf Meereshöhe noch nicht einmal verstoffsechselt werden. Stickstoff löst sich und akkumuliert im Gewebe und kann sich dann an den isolierende Fettscheiben der Nerven festsetzen wo es die elektrische Weiterleitung behindert und zu Benommenheit, Euphorie oder Angstzuständen führen kann. Mein Tauchlehrer erzählte mir sogar von einem Tauchschüler, der auf 32 Meter Tiefe seinen Respirator aus dem Mund zog und anfing zu versuchen Fische zu küssen.

Auch wenn man denken möge, dass der Abstieg und die Exposition von höheren Drücken das gefährlichste sei, liegt man leider falsch. Die meisten Gefahren birgt tatsächlifh der Aufstieg. Bei der Abnahme des Druckes und falschem Umgang kann es schnell zur Dekompressionskrankheit kommen. Bei der der im Gewebe akkumulierte Stickstoff durch den sinken Druck plötzlich so schnell wieder ins Blut abgegeben wird, dass sich Blasen bilden, bevor diese verstoffwechselt werden können. Man ist somit wortwörtlich wie eine Coladose, die überschäumt beim öffnen. Nur das hier die Blasen in den Blutgefäßen herumflitzen und als Embolus die Gefäße verschließen und somit zu Infarkten führen können.

Bei den Gedanken an solche Sachen beim Aufstieg sollte man dann aber auch schleunigst vergessen den Atem anzuhalten. Denn so wie sich die Luftgefüllten Räume komprimierten, so dehnen sie sich jetzt wieder aus und wenn sich die Lunge in einem geschlossen System befindet, so bläht sie sich auf bis die Pleura reißt. Dann hat man im Handumdrehen einen Pneumothorax mit kollabierter Lunge.

Wenn man jetzt aus Angst sich dazu entscheidet doch wieder runter zu tauchen, sollte man mal besser ein fittes Kreislaufsystem haben. Der Druck komprimiert die oberflächlichen Venen und drückt das Blut dieser vorwärts in die Hohlvene, dem rechten Herz und zuletzt zur Lunge. Der erhöhte venöse Druck presst das Blutplasma aus den Gefäßen in das Mediastinum (Brusthöhle) und in die Alveolen der Lunge. Mit einem Lungenödem lässt es sich schon schwieriger atmen. Mit der Wassereinlagerung in der Brusthöhle wird dann auchnoch die Lunge und das Herz zusätzlich komprimiert und ihre Funktionen insuffizient.

Da schwimmt man dann also mit all diesen Horrorszenarien und kann nicht aufhören in den Tauchanzug zu pinkeln, weil der erhöhte Blutdruck deine Niere auf hochturen fahren lässt und du wie ein Pferd Wasser und Elektrolyte ausscheidest. Schon komisch, dass die häufigste Nebenwirkung von langem Tauchen im Wasser die Dehydration ist.

Okay, vielleicht klingt jetzt das Tauchen jetzt wie ein verzweifelter Versuch sich auf möglichst viele Wege gleichzeitig umzubringen, aber das ist es nicht, bzw. muss es nicht sein. Man kann auch noch so gute Tauchausrüstung haben und sich eine teure künstliche Umwelt um einen aufbauen, um sich den Einflüssen der Umwelt abzuschotten. Wenn das nötige Wissen über die Handhabung der Geräte und noch vielmehr über das Verhalten im Wasser fehlt, hilft auch keinerlei teures Tarierungsgerät und Bordcomputer um dich zu schützen.

Was ich mit dieser langen Ausschweifung erzählen möchte ist, dass die Physiologie, die Einflüsse von Drücken, die Veränderung des Verhaltens von Gasen und die langfristige Exposition von kühlem Salzwasser einfach verdammt interessant und cool sind! Und hiermit wurde lediglich die Oberfläche von Tauchmedizin angekratzt. Es ist eine Fachrichtung der Medizin, die sehr wenig Präsenz hat, dennoch unfassbar interessant und überlebensnotwendig ist.

Letztendlich machte ich nicht nur meinen Open-Water und Advanced-Adventurer, sondern auch noch einen Nitorx-Kurs (bestimmte Atemgasmischungen), einen Tieftauchkurs bei dem ich auf 38m tiefe selber den Effekt eintretener Stickstoffnarkose fühlen durfte und den Nachttauchgangkurs. Hierbei waren wir mit UV-Lampen ausgestattet und schwammen in ansonsten völliger Dunkelheit in den Tiefen des Ozeanz. Die ultravioletten Wellen des Lichts führte dazu, dass die Korallen und manche Tiere in grellen Gelb-, Rot- und Violetttönen erschienen. Es ist vergleichbar zu Blaulichtpartys, nur das hier Organismen zu hunderten leuchten und man ein noch stärkeres Gefühl hat ein Pionier auf einen fremden Planeten zu sein. Wenn man die Lampe ausschaltete und vollkommen von der Dunkelheit umhüllt war, konnte man durch wedelnde Bewegungen das allseits präsente biolumeszierende Plankton anregen und die grünschimmernden Algen wie Sterne in der dunklen Galaxie des Ozeans sehen.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich in der Zukunft meinem Bruder es gleich machen werde und den Dive Master Kurs irgendwo absolvieren werde. Vielleicht in Ägypten am roten Meer, in Westneuguinea oder auch auf den karibischen Inseln Honduras. All diese Ziele sind so weit weg und nur mit dem umweltzerstörenden Flugzeug erreichbar. Schon jetzt waren weite Riffe vor Koh Tao großflachig abgestorben und 80% aller Riffe vor Costa Rica sind tot. Es ist ein Vergnügen, bei dem man durch das praktizieren die Grundlage dessen Zerstört. Ist es gut Tauchen zu lernen um die Schönheit der Meereswelt zu sehen und festzustellen wie wichtig es ist sie zu erhalten? Oder ist es einfach nur ein vorgeschobenes Argument um Spaß zu haben und dabei blind die Umwelt zerstört?

Meine wenigen Freizeit verbrachte ich vorallem mit schlafen, weil Tauchen sehr viel anstrengender ist als ich dachte, und mit Sudey. Die Türken traf ich im Bus nach Bangkok, wo ich einen lustigen Tag mit ihr verbrachte und wir uns jetzt hier wieder trafen. Wir mieteten uns einen Roller, führen von Strand zu Strand, sprangen von Klippen, redeten und lachten viel und rauchten ein-, zwei Joints, während wir nebeneinander Nachts am Strand lagen und uns bescheurte Geschichten zu den Sternenbildern ausdachten. Ich genoss die Zeit mit der lebensfrohen und grinsenden Anatolieren sehr, leider so sehr, dass ich jemanden anderen aus Selbstsucht verletzte. Meine Tauchpatnerin, die Hongkongerin, fragte mich ob wir am letzten Abend gegen 20:00 Uhr noch was zusammen essen gehen und die bestandenen Tauchkurse zelebrieren wollen. Ich sagte zu, wenn auch nicht mit übermäßiger Lust. Als ich dann benelbelt mit Sudey am Strand unter den Sternen lag, hoffte ich, dass Mandy (meine Tauchpatnerin) es vergisst und mir nicht schreibt um konkretere Pläne zu machen. Als um 19:45 Uhr immernoch keine Nachricht von ihr kam, dachte ich, dass ein gemeinschaftliches Nichtansprechen der Pläne der beste Weg sei und es somit abgesagt wäre. Ich schaute nicht mehr auf mein Handy und ging mit Sudey später noch durch die Gassen um etwas Essbares zu finden. Als wir uns hinsetzten saß Mandy direkt vor uns und schaute mich einerseits abwertend, wütend und wiedersprüchlich ignorierent an. Ich bekam sofort ein richtig schlechtes Gewissen und Gefühl und als ich später wieder auf mein Handy schaute, sah ich, dass sie mir doch noch schrieb. Ich habe bewusst meine eigenen Bedürfnisse über die ihrer gestellt, sie zwar nicht angelogen, aber hintergangen und das ziemlich feige. Das war ziemlich scheiße von mir und ich entschuldigte mich bei Mandy, was zu einer mehr als halbherzigen Annahme der Entschuldigung und einem unzufriedenen Auseinandergang führte.

Den letzten Abend verbrachte ich mit Sudey und ein paar anderen mit Billiardrunden und einem großen Essen. Ich habe das Gefühl, ein gewisses Phänomen zu beobachten. In den letzten Tagen die ich in einem Land verbinge, lerne ich meistens jemanden kennen, mit dem ich mich sehr gut verstehe und die Zuneigung durch mehr als nur freundschaftliche Gesten ausgedrückt wird. Immer in den letzten Tagen! Als ich mich dann von Sudey verabschiedete kam dann irgendwie doch das eine zum anderen und wir endeten knutschend in der Mitte des Gemeinschaftsraums im dunklen, während alle anderen schliefen (oder wir es zumindest dachten..., oder es uns nicht interessierte) und wir uns gegenseitig an die Grenzen von körperlichen Aktivitäten in Gemeinschaftsschlaafsälen erinnern mussten.

Ziemlich zufrieden über die letzten zwei Wochen in Thailand (mit der Ausnahme meines Verhaltens zu Mandy) mache ich mich jetzt auf den Weg nach Bangkok, wo ich morgen Abend meinen Flug zurück nach Deutschland nehmen werde. Vorfreude habe ich jetzt Katja wieder zusehen, die liebenswürdige Deutsche, die dabei war, als ich in Laos meine Zusage zur Uni bekam. Wir verabredeten uns für heute Abend und morgen um meinen letzten Tag gemeinsam zu verbringen :)

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