Veröffentlicht: 31.01.2019
Unsere letzte Mission zur Höhenanpassung war der Gipfel des Iliniza Norte mit 5126 m. Da am Freitag die „große Tour“ starten sollte, planten wir die zweitägige Iliniza Tour für Montag/Diestag. Am Montag früh, alles war bereits gepackt und wir waren nahezu startbereit, wurde unser Plan von demonstrierenden Natives vereitelt, die seit dem frühen Morgen gegen die Erhöhung der Spritpreise protestieren und daher etwa 1/3 unserer Busstrecke blockierten. Die Wettervorhersage für Dienstag/Mittwoch war ohnehin besser, sodass wir die Tour um einen Tag verschoben.
Dienstag früh starteten wir dann um so früher - unsere Rücksäcke waren ja bereits vorbereitet - in die kleine Stadt El Chaupi, von wo wir auf der Ladefläche eines Geländewagens bis zum Ausgangspunkt, dem Parkplatz „La Virgen“, gebracht wurden. Bei strahlendem Sonnenschein machten wir uns auf den Weg zum Refugio, wo wir die Nacht verbringen wollten. Zu Beginn der Weges passierten wir auf dem sandigen Pfad üppig orange und blau blühende Sträucher, hohe Gräser und knorrige Bäume. Die Landschaft veränderte sich mit jedem Höhenmeter und wurde immer sandiger, steiniger, karger, bald bestand die Vegetation nur noch aus niedrigen Gräsern, Moosen und Flechten, die sich dafür umso mehr ins Zeug legten und in grellen Farben leuchteten. Je höher wir stiegen, desto schneller schlug auch unser Puls. Die Höhe in Kombination mit den Rucksäcken forderte uns und kostete einige Kraft, doch die Aussicht über die Ebene, die mit längst erloschenen Vulkanen übersät ist, war überragend! Leider zogen hinter uns, wie vorhergesagt, ziemlich schwarze Wolken auf und nachdem wir etwa 45 Minuten unterwegs waren, fing es an zu Regnen. Das machte den steilen Weg nicht unbedingt angenehmer, aber wir hatten am ersten Tag nur eine kurze Strecke zurückzulegen (ca. 2,5 Stunden Aufstieg für etwa 800 Höhenmeter). Kurz vor Erreichen des Refugios hörte der Regen auf und wir konnten, bei den zahlreichen Verschnaufpausen, wieder den Blick über das Tal genießen.
Die Hütte ist, den Umständen entsprechend, recht komfortabel: es gibt einen Gasofen (auf dem ihr nach der Ankunft gleich unsere Nudeln kochten), einige mehr oder weniger saubere Schlafplätze, einen Platz zum Essen und es wurde am Abend sogar für eine Stunde der Stromgenerator angeworfen. Allerdings ist keine Isolierung vorhanden. In Kombination mit den Löchern in den Wänden führt das dazu, dass die Innentemperatur fast der Außentemperatur entspricht: bei uns waren das nachts um 0 Grad. Für unsere warmen Schlafsäcke glücklicherweise keine Herausforderung! Was sich allerdings als Herausforderung darstellte, war das Einschlafen in dieser Höhe. Das Herz pocht, der Puls wird immer schneller, es fühlt sich an, als würde die Brust eingeschnürt. Wieder profitierte ich von meiner Gabe, immer und überall schlafen zu können - im Gegensatz zu Johannes, der in der Nacht leider kaum Schlaf fand...
Am nächsten Morgen klingelte der Wecker bereits um 5 Uhr, da wir frühstmöglich zum Gipfel aufbrechen wollten. Wir mussten leider feststellen, dass es die Nacht über geschneit hatte - schlechte Voraussetzungen für die Gipfelbesteigung, zumal der Weg, wie wir erfragt hatten, zum Teil schlecht gekennzeichnet ist. Da wir aber Steigeisen und eine Wanderkarte am Smartphone dabei hatten, war es zumindest einen Versuch wert... Frühmorgens stiefelten wir mit der Stirnlampe los, anfangs mit vielen Pausen, weil das Atmen so anstrengte, bis es immer steiler und die Felsen immer brüchiger wurden - ohne die Steigeisen hätten wir vermutlich schon sehr bald umkehren müssen, so kamen wir aber den Umständen entsprechend gut voran. Immer wieder mussten wir außerdem mittels GPS überprüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg waren. Erst ging es steil an den Felsen entlang nach oben, dann über einen Grat zur nächsten schroffen Steigung. Kurz vor dem letzten Stück zum Gipfel, dem „Paso de la Muerte“, wollten wir fast umkehren, da wir nicht sicher waren, auf welcher Seite wir den Fels umklettern mussten. Und bei dem Wetter wollten wir nicht unbedingt einen falschen Abzweig nehmen auf einem „Paso de la Muerte“ genannten Weg... Nach einigem Ausprobieren fanden wir dann aber den (vermutlich) richtigen Weg und schafften es kurz darauf zum Gipfel. Zur Belohnung für den anstrengenden Aufstieg machte die Wolkendecke bald auf und wir hatten einen, zwar nur sehr kurzen, aber überragenden Blick auf das Tal und sogar kurz auf den Vulkan „El Corazón“ auf der anderen Seite des Tals.
Am Abstieg kamen wir dann besser zurecht, als ich während des Aufstiegs befürchtet hatte - obwohl ab der Hälfte des Weges der Schnee geschmolzen war und so die Spuren- und Wegesuche wieder weiterging. Beim Abstieg sahen wir auch erst, über welch brüchigen Fels wir aufgestiegen waren. Außerdem erkannten wir, wieso wir den Helm tragen sollten: mit tosendem Lärm rollen in regelmäßigen Abständen mehr oder weniger große Steine und Geröllhaufen in die Tiefe - wir waren froh, als wir aus der gefährliche Zone draußen waren!
Es ging danach nur kurz ins Refugio, um unsere großen Rucksäcke zu holen und dann ab zum Parkplatz, von wo wir uns im Geländewagen zur Panamericana fahren ließen. Daumen raus und zurück nach Riobamba. Wir hoffen, für den Chimborazo gut genug vorbereitet zu sein!