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November, Dezember und der Rauswurf

Veröffentlicht: 16.12.2017

Neue Erlebnisse und das ruhige aber gleichzeitig ereignisreiche Leben auf der Farm wurden im Nachhinein überschattet von der Ankunft der zwei 60-jährigen Besitzerinnen und dem unmittelbaren Rauswurf von dem Arbeiter Roosvelth und mir. Aber dazu später mehr.

Neben üblicher Farmarbeit in den letzten Wochen, d.h. wieder viel Stachelbüsche entasten und ausgraben, den Garten bepflanzen, mussten wir auch den Tod einer Kuh miterleben. Da Roosvelth dachte, sie ist an Krebs erkrankt, hat er noch ein wenig an ihr herumgeschnippelt, worauf sie am nächsten Tag starb. Wir mussten sie daraufhin bergauf ziehen um sie dann ins 1,80 tiefe Schwimmbecken "gleiten" zu lassen. Hat gewaltig gekracht! Dort wurde sie dann gehäutet, zerlegt und ich hab nebenbei Kohlsuppe mit Rind gegessen. Mmmmh.. ! Damit die anderen Kühe durch den Todesgeruch ihres Amigos nicht durchdrehen, hat Roosvelth den Kadaver tagsdarauf vergraben. Eine weitere Erfahrung, die mich bereichert hat, waren Flöhe in meinem Bett. Die Stiche im Hüftbereich hatten mich schon tagelang gewundert.

An Wochenenden hab ich die nahegelegenen heißen Quellen besucht, die man Sonntagmorgens ganz allein für sich hat. Ansonsten werden diese von den Einheimischen eher als Waschstation für Kleidung und Haut benutzt. Auch war ich in einem Naturschutzgebiet mit malerischer Landschaft, wo es die größten Bromelien (Ananasgewächse) der Welt zu Hunderten gibt. Auf 5000 Höhenmetern hat sich dann erstmals weihnachtliche Stimmung breit gemacht, denn es hat gehagelschneit und man konnte die weiße Wand der in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangenen Gletschern bewundern. Diese haben einen bedeutenden Anteil an der Trinkwasserversorgung der Menschen und reflektieren auch einen groβen Teil des Sonnenlichts. Auf einem Foto kann man deutlich erkennen, was es für einen Unterschied macht, wenn plötzlich die weiße Schneedecke verschwindet und ein fast schwarzes Geröllfeld hinterlässt.

Wegen der muskulären Entzündung im Bein musste ich dann doch in eine Klinik und hab da unsere deutschen Krankenhäuser echt zu schätzen gelernt. Die Wartezeiten und das Nicht-wissen-was-die-andere-Hand-tut haben meine anfänglich gute Laune ganz schön mitgenommen. Nach dem Eintritt zieht man eine Nummer, ähnlich dem Bürgeramt bei uns und wartet bis man zur Rezeption gerufen wird. Hier wird das erste Mal dafür bezahlt, dass man mit einem Arzt (in meinem Fall Allgemeinmediziner) sprechen darf. Nachdem ich dem Herrn Doktor erklärt hab, dass ich nach schwerer Belastung (trampen von Portugal nach Deutschland mit ordentlich Gepäck) seit 3 Monaten mehr oder weniger Schmerzen hab und ich denke, dass es eine Entzündung oder bakterielle Infektion ist, schickt der mich zur Tomographie. Das heißt wieder Ticket ziehen, warten, Geld bezahlen (ca 50 Euro). Das alles nur, damit der Gute mir ein paar Tage später nach 4 Stunden Wartezeit sagt: "Es no fractura!" ... Ja, ist mir auch klar! Ahhh!!! Also werde ich zum nächsten Arzt geschickt. Der ist aber nur Mittwochs da und benötigt den Befund. Der Befund um Nichts kostet wieder Geld... dafür hab ich wenigstens die wunderschönen Aufnahmen meines Unterkörpers bekommen und im Endeffekt eine 6-malige Stromtherapie, die nach einer Woche ihre Wirkung entfaltete und ich nun fast symptomfrei bin. Auch habe ich meine Ernährung angepasst und esse nun mehr basische und entzündungshemmende Lebensmittel. Dabei habe ich die Sprachprobleme noch gar nicht erwähnt. Englisch konnte keiner wirklich und "Google translate" ergibt auch nicht immer Sinn.

Am letzten Mittwoch, dem 13. Dezember sind die zwei circa 60-jährigen ausländischen Besitzerinnen Senora Patricia und Pocha angekommen. Im Vorfeld haben Roosvelth und seine Frau noch Mehrarbeit geleistet, damit bei ihrer Ankunft alles schick ist. Aber anstatt auch nur ein Wort der Freude zu verlieren, wurde der Arbeiter beschuldigt, am Tod der Kuh verantwortlich zu sein, nur gefaulenzt zu haben, den Garten nicht bewässert zu haben , ein Lügner zu sein und anderweitig beleidigt. Er hat die letzten Wochen sogar unter erheblichen Rückenschmerzen gearbeitet um der Bezahlung gerecht zu werden, die er jetzt nicht erhält. Einen Monatslohn von 700 Soles für getane Arbeit wird einfach nicht bezahlt. Nachdem Pocha sogar ihre Hand gegen ihn erhob, hat er schleunigst die Farm verlassen. Einen Tag später nach meinen üblichen morgendlichen Tätigkeiten trotz Krankheit sollte mir das gleiche passieren. Völlig aus dem Kalten heraus wurde mir gesagt, ich solle mein Zimmer ausräumen: "Alles auf den Tisch hier!" Als ich fragte warum, wurde mir gesagt: "In einer Stunde hast du die Farm zu verlassen!" Völlig perplex wollte ich den Grund dafür wissen, worauf die Stimmen lauter wurden und mir die gleichen Dinge wie Roosvelth vorgeworfen wurden. Ich fragte ob man darüber reden könne, da wurde ich angeschrien, beleidigt und mir wurde gedroht alle meine Sachen vor das Tor zu schmeißen, selbst scheißen sollte ich draußen. Also hab ich völlig aufgelöst mein Zeug gepackt mit dem Ziel in der Eile nichts zu vergessen und der schwachen Hoffnung, dass alles nur ein schlechter Scherz sei. Nachdem ich fertig war suchte ich mit ruhiger Stimme das Gespräch und wollte wenigstens um Unterschriften meines Aufenthalts für Bafögamt und FH bitten und einer Bestätigung dass ich ich 10 Wochen dort gearbeitet hab. Auch wollte ich erklären, dass ich mich die ganze Zeit an meinen Vorarbeiter gehalten und getan hab, was er von mir forderte und wie ich Dinge hätte besser machen sollen, wenn keiner etwas sagt. Die Reaktion waren Beleidigungen sowie Herausziehen meines Gepäcks aus meinem Zimmer, was ich sofort unterbunden hab. Draußen vor dem Tor fiel mir noch etwas ein, also läutete ich und fragte ob ich wenigstens das Geld, was ich in veredelten Wein, Setzlinge und Hühnerfutter investiert hab, zurückerhalte. Da nimmt Senora Pocha eine Dachziegel und wirft aus nächster Nähe nach mir. Diese traf mich an der Hand und hinterließ eine kleine Schürfwunde, hätte aber auch Kopf oder andere Körperteile treffen können. Mir blieb also nichts anderes übrig als zu sagen, dass sie sich wie kleine Kinder verhalten und zu gehen, obwohl ich mit dem Gedanken spielte die ganze Hütte abzubrennen. Aber was können die armen Holzwürmer dafür! ?

Zum Glück hat mir Roosvelth angeboten erstmal ein paar Tage in seinem halbfertigen Haus in 'Hualcan' einem kleinen Bergdorf zu verbringen. Hier habe ich auch erfahren, dass unser Rauswurf kein Einzelfall war. Schon öfter wurden Arbeiter nicht bezahlt und verjagt. Einer soll daraufhin ihre Kühe gestohlen haben, was er mit seinem Leben bezahlte. Pocha soll jemanden angeheuert haben, ihn zu erschießen. Zu der korrupten Polizei kann man da leider auch nicht gehen. Geld hat Recht! Naja...

In dieser wundervollen Gegend jedenfalls hielt ich nur eine schlaflose Nacht aus. Eine Maus flüchtete aus dem Bett kurz bevor ich da rein wollte, danach hat es mich überall gejuckt und die ganze Nacht haben nebenan ungefähr 20 Meerschweinchen ihre typischen Geräusche von sich gegeben. Also war am nächsten Tag ich der, der geflüchtet ist und zwar nach Huaraz in ein zivilisiertes Hostel. Von hier aus plane ich gerade meine weitere Reise. Jetzt ist erstmal Urlaub angesagt! Bis Weihnachten gehts in ein kleines Fischerdorf nahe Trujillo und dann nach Osten den Regenwald besuchen.

In der Zwischenzeit ergibt sich hoffentlich eine neue Gelegenheit, sodass ich meine restlichen 11 Wochen Praktikum absolvieren kann und das Semester nicht umsonst war.

;)

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