USA Canada Summer 2019
USA Canada Summer 2019
vakantio.de/usacanada2019

24. Tag (Fallon - Ely)

Veröffentlicht: 25.07.2019

Heute ist ein besonderer Tag. Ich fahre 400 km durch die Wüste Nevadas, die "loneliest road of America", wie hier der Highway 50 genannt wird. Zwischen mir und meinem Ziel sind nur 2 kleinere Käffer und eine Ponyexpressstation, die heute ein Restaurant ist. Ansonsten ein paar Farmen und sonst nichts. Die Frau, die das Frühstück serviert, ist die Strecke noch nie gefahren, sagt sie. Sie ist etwa 60. Naja, warum sollte man auch?

Schon bald hinter Fallon wird es einsam, kaum Autos sind auf der Straße, und es ist wirklich faszinierend, dass dies selbst in der Hauptreisezeit so ist. Ich schätze mal, dass mir auf der Strecke ca. 50 Autos entgegen gekommen sind. Wirklich sehr einsam. Und eine Einsamkeit, die sich beinahe bitter gerächt hätte.

Ich fahre nach einer halben Stunde nach links ab, zu einer großen Sanddüne, Sand Mountain genannt. Es steht genau ein RV auf dem riesengroßen Parkplatz. Ansonsten gähnende Leere. Ich will ein tolles Bild von meinem Pickup machen und fahre direkt bis vor den riesigen Sandhügel. Großer Fehler. Als ich wieder losfahren will, drehen sich sofort die Räder durch. Ich bekomme sowohl im Vorwärts- als auch im Rückwärtsgang keinen Grip. Da hilft kein Fluchen und Flehen, ich brauche Hilfe. Ich sehe mich schon an der Straße auf einen Autofahrer warten, der einen Abschleppdienst benachrichtigt, als ich einen Sandcar erblicke, einer dieser kleinen Brummer, die auch im Sand fahren können. Ich rufe, aber er hört mich nicht. Ich gehe zum RV und realisiere, dass der Anhänger das Sandcar transportiert hat, da er offen steht. Ich rufe, aber keiner antwortet. Ich mache mich also wieder zu meinem Auto auf, als das Gefährt wieder mir entgegen kommt. Diesmal sieht er mich und hält an. Es ist Terry, ein Kalifornier, der hier mit seiner Frau Urlaub macht. Er ist 75, die man ihm aber nicht ansieht. Seine Frau hat ihn angerufen, sie hat mein Rufen gehört. Und was dann passiert, kann man mit dem Wort "Glück" gar nicht beschreiben. Nicht nur, dass das Teil 190 PS hat, nein er hat auch ein Abschleppseil dabei. Innerhalb von 10 Minuten hat er mich aus der Misere befreit. Ich kann mein Glück nicht fassen. Ich will mich bedanken, und sage ihm, dass er mit seiner Frau etwas trinken gehen soll und will ihm 20 Dollar geben. Er lehnt sofort ab. Ich bestehe darauf. Er lehnt wieder ab. Daraufhin stecke ich ihm die 20 Dollar in die Hemdtasche, und sage, dass ich es aber will, dass er auf meine Rechnung etwas trinken geht - und er nimmt an, mit der Bedingung, dass er mich dafür auf die Düne hinauffährt. Ich denke gar nicht daran, das abzulehnen und setze mich neben ihn. Mit 45 Meilen pro Stunde jagt er in diesem 35000-Dollar-Geschoss einen Sandberg hinauf, der eine Steigung hat, dass ich ihn mit dem Pickup nichtmal auf Asphalt bewältigen könnte. Oben angekommen genießen wir einen kurzen Moment die Aussicht, bevor er mit einem Affenzahn wieder hinunterjagt. Unten angekommen bedanke ich mich für das tolle Erlebnis und wünsche ihm alles Gute. Was für ein Wahnsinn.

Immer noch geplättet erreiche ich nach einer weiteren halben Stunde Middlegate Station, eine ehemalige Station des Pony Express, der im 19. Jahrhundert diese Strecke zurück gelegt hat. Heute ist das ein uriges Restaurant mit Kneipe, und tausenden von 1-Dollarscheinen mit Grüßen an der Decke. Als ich nach 20 Minuten wieder gehe, hängt einer von mir da oben.

Die Strecke kann man schwer mit Worten beschreiben. Und auch Bilder werden ihr nicht gerecht. Es wechseln sich endlos erscheindene Geraden mit einer Straße bis zum Horizont mit kurvigen Anstiegen, wenn es über die Pässe geht, ab. Ich befinde mich immerhin auf ca. 1500 m Höhe, und manchmal sind es fast 2000 m. Die Schilder, dass man Schneeketten oder Winterreifen benutzen soll, die für den Winter aufgestellt sind, erscheinen im Moment wie ein Witz - aber ich kann mir trotzdem vorstellen, wie mächtig in dieser Höhe die kalte Jahreszeit einziehen kann.

Die 2 Siedlungen, Austin und Eureka, kann man mit dem Wort "Käffer" sehr adequat beschreiben. Und zwischen beiden liegt über eine Stunde Autofahrt. Diese doch etwas heruntergekommenen Wildweststadtüberbleibsel haben einen fast schon morbiden Charme, und die Bewohner grüßen einen überaus freundlich, wenn man durch die Hauptstraße läuft. Viele Touristen bekommen sie hier nicht zu sehen. Mary, die in dem Saloon arbeitet, in dem ich in Eureka einen Kaffee trinke, meint, dass sie von den Arbeitern leben, die hier am Abend zum Essen kommen, und von den Einheimischen, die ihre kleine Stadt nicht aufgeben wollen. Natürlich ist "loneliest road" eigentlich eine gute Werbung, aber nicht jeder steht auf 400 km und 5 Stunden Fahrt Einsamkeit. Und so sind auch die Anzahl der Touristen, die ich sehe, absolut überschaubar. Im Owl Club, meinem Kaffeeort, war ich erst einer von 3 Gästen und schließlich ganz alleine, und das ist das einzige Cafe, was über die Mittagszeit geöffnet hat. Die braune Brühe (besonders gut war er nicht - wie üblich) hat übrigens 1,07 Dollar gekostet, also ca. 90 cent. Und das aus einer Keramiktasse.

Als ich in Ely ankomme, hat es kurz vorher sogar etwas geregnet und ich habe den Niederschlag ein wenig mitgebracht. Der Himmel ist bedeckt und es ist nicht so heiß wie in Fallon. Ich bin im Nevada Hotel abgestiegen, einem historischen Gebäude aus den 20er Jahren - und es hat einen Wikipediaeintrag. Dort kann man nachlesen, dass es mal das höchste Gebäude im Staat Nevada war. Und 2 Zimmer weiter von mir hat mal Mickey Rooney übernachtet. Ein uriges Gemäuer, welches natürlich durch das moderne Kasino an Charme verliert, welches im Erdgeschoss an Klein-Las Vegas erinnert. Ich trinke ein Bier dort und verliere 10 Dollar. Zuviel Glück an einem Tag kann man auch nicht erwarten. Das wäre schon unverschämt.

Antworten