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Kasbek - Stippvisite bei Prometheus

Veröffentlicht: 05.07.2019

Montag, der 01. Juli 2019, es weckt mich sonniges Wetter und auch für die nächsten Tage sind für die Gegend gute Wanderbedingungen prognostiziert. So habe ich entschieden einen Abstecher in Richtung des Kasbeks zu unternehmen. Laut Recherche in den Weiten des Internets, ist der Gipfelsturm auf die gut 5000 m technisch nicht besonders anspruchsvoll und vielleicht sogar für Rango und mich möglich. Für den heutigen Tag habe ich mir den Einstieg in die Berge vorgenommen. Bis zur ehemaligen Wetterstation auf gut 3600 m, wie im Netz beschrieben, will ich aber nicht vordringen. Knapp 2000 zu überwindende Höhenmeter erscheinen mir für eine Etappe etwas zu viel, zumal ich ja Nahrung für 3-4 Tage zu bunkern gedenke. Damit entsteht hoffentlich kein Zeitdruck im Gebirge. So gehe ich nach dem Frühstück ersteinmal nach Stepanzminda zum Einkaufen und für ein Käffchen in den Awtobus. Ich lade meinen Akku und dattel etwas rum. Dann geht es zurück zum Zelt, das Rango wieder vorbildlich bewacht hat und ich beginne unseren Krempel zu verpacken. Hier fällt der Verlust meiner Sonnenbrille auf. Die Dritte, die mir in diesem Jahr abhanden kommt. Unterdessen haben die Wolken, das erste Mal während unseres Aufenthalts, den Blick auf das Bergmassiv freigegeben. Gutes Timing. Gegen halb drei sind wir startklar und machen uns auf den Weg nach Gergeti. Ich habe keine Lust entlang einer Straße zur Gergetier Dreifaltigkeitskirche zu gehen. So steigen wir entlang eines kleinen Pfades von dem Dorf zu dem bekannten Sakralbau auf. Nach einer guten Stunde haben wir die ersten knapp 500 Höhenmeter bis zu dem Gemäuer überwunden. Ich setze Rango vor der Kirche ab und drehe ein kleines Ringel auf dem Gelände. Nach Besichtigung der Kuppelkirche geht es mit dem Dicken weiter ins Gebirge. Wir passieren etliche Kleinbusse, in denen faule Bergsteiger bis hierhin gefahren werden. Auch einige Pferde warten auf Gepäck, welches sie gegen Entgeld bis zur alten Wetterastation transportieren. Dann wandern wir entlang grüner Hänge auf schmalen Pfaden in der Bergwelt. Ab etwa 2500 m wird das Gelände zunehmend steiniger. Bis kurz nach sieben können wir uns zu einem Zeltplatz auf etwa 3000 m vorarbeiten. Ich baue das Zelt auf, organisiere etwas Trinkwasser in der nahen Schutzhütte und ziehe mich in den Schlafsack zurück. Sobald die Sonne hinter den Bergen verschwindet, wird es frisch im Gebirge.

Am Dienstagvormittag lassen wir es ganz gemütlich angehen. Nachdem die ersten wärmenden Sonnenstrahlen das Zelt erreichen, gibt es Frühstück für Rango und mich, bevor ich beginne den Rucksack zu schnüren. Gegen zwölf setzen wir unseren Aufstieg fort und erreichen nach einer knappen Stunde den Gletscher, über welchen es weiter nach oben gehen soll. Alles weniger spektakulär als gedacht, es läuft sich ganz gut auf dem Eis. Die Einheimischen, die mit Pferden das Gepäck gewöhnlicher Touristen zur Wetterstation bringen, sind mit einfachen Turnschuhen unterwegs. Gegen um zwei haben wir dann unser Tagesziel erreicht und richten unser Lager am Fuße der alten Wetterstation ein. Für den restlichen Tag ist Erholung und Akklimatisierung angesagt, was in der herrlichen Hochgebirgslandschaft recht gut gelingt. Ich gehe zeitig zu Bett, liebäugle ich doch mit einem frühen Starttermin am nächsten Morgen.

Am Mittwoch (03.07.2019) bin ich gegen fünf wach. Draußen ist es eiskalt (das am Vortag fließende Wasser ist nahezu komplett gefroren) und es ist niemand zu sehen, der sich in Richtung Kasbek auf den Weg macht. So verschiebe ich meinen Starttermin etwas und frühstücke nachdem die ersten Sonnenstrahlen das Zelt erreichen. Gegen acht sind wir dann startklar und machen uns auf den Weg in Richtung Gipfel. Für die etwa 1400 Höhenmeter war im Netz die Rede von 6-8 h. Mit Rückweg (4-5 h) sollte ich also spätestens gegen Abend wieder am Zelt sein. Ich bin mit leichtem Gepäck unterwegs und recht zuversichtlich, nicht so lange zu benötigen. Die ersten knapp 2 Stunden arbeiten wir uns über steiniges Gelände und kleinere Schneefelder nach oben. Dann erreichen wir den schneebedeckten Teil des Hochgebirges. Es dämmert mir langsam, dass ich meine Sonnenbrille noch vermissen werde. Bis hierhin haben wir einzelne Bergsteiger getroffen, die bereits wieder auf dem Abstieg waren. Wir passieren einige Zeltlager, das höchstgelegene auf knapp 4500 m. Auch die Seilschaften werden größer. So schleichen teilweise gut 10 Personen aneinandergeknotet den Berg herunter. Der langsamste bestimmt das Tempo. Entsprechend scheint der ein oder andere, unterforderte Teilnehmer, vor sich hin zu träumen und stürzt vor lauter Langeweile. So bin ich ganz froh als ich wieder allein am Hang bin und die Ruhe rundherum genießen kann. Bei Windstille hört man keinen Mucks und kann das sich bietende Panorama genießen. Ich habe wiedermal Glück und kann den ganzen Tag bei klarem Himmel und wenig Wind aufsteigen. Trotzdem ist die Sache recht anstrengend. Hin und wieder denke ich an die Beschreibungen meiner Oma, wie sich das Alter anfühlt. "Jeder Schritt fällt schwer, es geht halt alles langsamer." Trotzdem bin ich recht fokussiert, Respekt vorm Berg habe ich schon. Bei den letzten 200 Höhenmetern, bin ich mir kurz unsicher, ob ich weiterlaufe. Der Hang ist jetzt sehr steil, ich allein und ohne Steigeisen. Dank der Touristenströme, sind aber richtiggehende Stufen im festen Schnee und ich kann auch die letzten Meter überwinden. Rango hat den Gipfel bereits erkundet, als ich 12.47 Uhr auf den gut 5000 m ankomme. Geschafft. Freude, Dankbarkeit, Stolz und ein bißchen Ungläubigkeit bestimmen meine Gedanken in dem Moment. Habe ich doch über die letzten Tage tatsächlich die gesamten gut 5000 Höhenmeter aus eigener Kraft überwunden. Dann wird es langsam kalt, der Wind weht etwas straffer hier oben. Ich mache ein paar Fotos und mich umgehend wieder an den Abstieg. Dieser ist wiedererwartend recht problemlos und ich bin wesentlich schneller unterwegs als die von ihren Steigeisen gebremsten Bergwanderer. Eine Art Telemark-Technik machts möglich. Den Abstieg schaffe ich in 2 h. Das Töten eines Adlers oder die Befreiung eines angeketteten Titanen hat sich unterwegs nicht aufgedrängt. Ich werde nochmal recherchieren, vielleicht war da jemand schneller als ich. Am Zelt angekommen stelle ich den Verlust meines Pullovers fest, der sich irgendwo vom Rucksack gelöst hat und auf der Strecke geblieben ist. Ich muss wieder mehr auf meinen Krempel Acht geben! Dann wasche ich Wäsche und mich selbst im kalten Gebirgswasser und döse anschließend ein wenig im warmen Zelt. Auch Rango legt sich hin und streckt alle Viere von sich. Der Dicke hat sich in den letzten Tagen wiedermal hervorragend als Reisebegleiter ausgezeichnet. Guter Hund. Als ich am Abend wieder aufstehe, deutet sich langsam an, dass die knapp 5 h in der weißen Gipfelwelt ihren Tribut zollen. Die Augen schmerzen und ich sehe meine Umwelt zunehmend verschwommen. Ich mache mir etwas Sorgen. So kühle ich mein Gesicht über den Abend und bis tief in die Nacht, bei sich weiter verschlechternder Sicht.

Auch am Donnerstagmorgen (04.07.2019) kann von Durchblick keine Rede sein. Ich kann die Uhrzeit auf dem Smartphone erkennen, das war es dann aber auch. Die Sonne, die an der Zeltplane kitzelt, ist mir deutlich zu hell. Es schmerzt. So bin ich dankbar, als nach dem Frühstück erste Wolken aufziehen und sich der Himmel zunehmend verdunkelt. Ich starte meine Kartenapp, kann aber darauf keine eingezeichneten Routen erkennen, als wir uns auf den Abstieg machen. Trotzdem findem wir unseren Weg, auch wenn wir hier und da neue Pfade beschreiten. Bis auf etwa 2500 m Höhe ist es bewölkt, es hagelt und regnet etwas. Dann erreichen wir wieder sonnige Gefilde. Nach einigen kurzen Pausen treffen wir in Gergeti gegen um drei am Nachmittag ein. Ich gönne mir ein Käffchen am ersten Cafè und kann mittlerweile sogar wieder etwas Schrift auf meinem Handy erkennen. Höchste Zeit ein Lebenszeichen in die Heimat zu funken. Dann gehen wir die letzten Meter bis zum bekannten Zeltplatz und ich richte unser Lager ein. Nach dem Abendbrot geht es wieder bei Zeiten in die Federn. Das Bergabenteuer war anstrengend.

Am Freitag ist eher durchwachsenes Wetter. Es regnet häufig und ist einigermaßen kühl. So nutze ich den Tag zum Ausruhen und für kleinere Reparaturarbeiten. Schuhe und Matratze wollen geklebt und mein Gürtel an einigen Stellen genäht werden. Das Wetter tut meinen Augen gut, ich sehe zunehmend besser und bin wieder zuversichtlich, was das Zurückerlangen meiner vollen Sehkraft angeht. Ohne ist irgendwie doof. Am frühen Nachmittag nutze ich eine Regenpause zum Einkaufen in Kazbegi und für die Einnahme eines Heißgetränks. Zurück am Zelt zieht sich der Dicke ein Kilo Trockenfutter rein. Er hatte wohl Hunger. Ich gönne mir am Abend ein paar Bratkartoffeln mit Ei. Anschließend geht es wieder bei Zeiten ins Nest.

Auch am Samstag (06. Juli 2019) ist häufig schlechtes Wetter. Den Vormittag verbringe ich im Awtobus mit Update und Reorganisation meiner Smartphonesoftware. Dann stehen Telefonate mit der Heimat an. Ansonsten sind ein paar Einkäufe zu erledigen, wobei der Kauf einer neuen Sonnenbrille mangels Angebot scheitert. Gibts hier einfach nicht. Das Laden meines Akkus funktioniert auch nicht ganz wie gedacht, eine aufmerksame Bedienung nimmt ihn vom Strom und bringt ihn in "Sicherheit" während ich nicht im Bus verweile. So verbringe ich auch am Abend noch ein Weilchen im Awtobus und schreibe an diesem Reiseartikel, bevor es zurück zum Lagerplatz geht.

Eigentlich hatte ich für Sonntag die Weiterreise geplant, verweile aber doch noch einen Tag in Kazbegi. Am Vormittag geht es wieder für Kaffee und zum Akku laden in den Awtobus. Dort verbringe ich ein paar Stunden mit lesen und Bilder hochladen. Rango wird derweil von zwei anderen großen Rüden kontaktiert. Verläuft erstmal alles ganz friedlich. Dann kaufe ich etwas ein, organisiere neues Datenvolumen für die nächsten Wochen und befinde mich auf dem Rückweg zum Zelt, als der große weiße Kaukasier bei uns auftaucht und Rango ihn recht unvermittelt attackiert. Es entwickelt sich eine kleine Beißerei, bis ich die beiden mittels engagierten Zupackens wieder trennen kann. Alles erneut ohne Verletzungen abgegangen, zumal der Dicke langsam gelernt zu haben scheint, wo er zupacken muss, damit ihn der andere Hund nicht mehr malträtieren kann. Nach vielen einigermaßen entspannten Hundebegegnungen in der letzten Zeit, wiedermal ein gefühlter Rückschlag. Zurück am Zelt gibt es nach einem kleinen Training Abendbrot und es geht ab in die Federn.

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