Veröffentlicht: 15.08.2019
Besitz. Das ist so ein grosses Wort. Dinge, die einem gehören. Die man braucht und benutzt. Manchmal definiert uns unser Besitz. Und manchmal definieren wir unseren Besitz.
Für uns war der Start zu unserer Reise eine ersehnte Chance, neu unseren Besitz zu benennen. Natürlich besitzen wir einen wunderbaren Haufen Kartonschachteln im Goms. Aber das, was wir aktiv als Haushalt mit uns führen, ist sehr begrenzt. So begrenzt, dass es in 2 Rucksäcke passt und wir gewichtstechnisch vor einem Flug noch nicht einmal Gepäck aufgeben müssten (und dann doch tun, weil unsere Rucksäcke niemals als Handgepäck durchgehen würden). Und das ist gut so.
Die Reduktion auf die Gegenstände, die wir wirklich brauchen, war enorm heilsam in unserer Situation. Denn das, was wir im Alltag kaufen, pflegen, waschen, aufräumen, reparieren, austauschen mussten, war für uns Ballast. Wieviel leichter ist uns jetzt uns Herz, wenn wir das wahre Gewicht unserer Habseligkeiten auf den Schultern spüren (okay zugegeben - mehr als 500 Meter zum Busbahnhof zu laufen ist eine Qual). Es gibt uns Freiheit, Zeit und Flexibilität, die wir uns so wünschen. Und es fokussiert den Blick auf das, was wir wirklich brauchen - was meistens wenig mit Gegenständen zu tun hat.
Wir brauchen uns. Und daneben Möglichkeiten, mit unserer Zeit etwas schönes und produktives zu machen.
unsere Kinder wollen Spielsachen. Wir haben sehr reduziert ein paar wenige Autos, Puppen und kleine pixie-Bücher eingepackt. Zwischendurch dachten wir schon, unsere Kinder würden die Wände hoch laufen vor Langeweile. Aber in der richtigen Umgebung gibt es so viel zu entdecken, dass sie nicht auf die Idee kommen, ihre Spielzeugkisten in der Schweiz zu vermissen. Stattdessen haben wir den Vorteil an unserem täglichen Müsli-Konsum entdeckt - Kartonschachteln in bester bastelmanier. Seitdem stellen wir alles aus Karton her: Puppenhäuser, Figuren, Autos und sogar Uhren.
Sie werden mit Begeisterung bespielt und wenn es Zeit ist, weiterzugehen, wandern sie in den Müll. Momentan geniessen wir die kreative Welt des Upcyclings aus vollen Zügen. Und wenn die Langeweile überwiegt, müssen wir etwas tun, was meistens noch viel besser ist: uns miteinander beschäftigen.
Für uns Erwachsene bedeutet Zeitvertreib neben den zwei spielenden Kindern vor allem lesen, schreiben, Musik hören, fotografieren, Sport machen oder zeichnen. Und hier hilft uns beim Entrümpeln die digitale Welt. Statt einer Menge Bücher und CDs tragen wir Handys und ein iPad durch die Gegend. Wir können genauso abends einen Film schauen wie zu Hause und lesen EBooks oder hören Podcasts. Das Internet ist unser Tor zu einer vertrauten Welt, und so erklingt schonmal Nora Jones mitten im georgischen Nirgendwo - Spotify sei Dank. Die mobilen Endgeräte vereinen einfach so viele Dinge, die wir gerne tun, dass es uns momentan sogar schwer fällt, uns davon zu lösen. Aber damit beginnt ja erst unsere Reise zu uns.
Ein wichtiger Faktor beim Reisen ist die Kleidung. Mit unserer Garderobe gewinnen wir keine Fashion Show. Aber wir gewinnen ein paar Pluspunkte beim Tragen. Wir haben sehr wenige und gezielt ausgewählte Kleider dabei (ein wichtiges Kriterium - bloss nichts weisses!). Wir waschen alle paar Tage und kommen damit momentan gut aus. Jeder hat kleine Taschen in seiner Farbe - eine grandiose Erfindung - und dieses System erspart uns viel Stress, da wir immer genau wissen, wo wir die Ersatzhose finden oder wie viele frische Socken wir noch haben.
Für kalte Tage haben wir zusätzlich jeweils eine Fliessjacke und eine Regenjacke dabei, sowie ein Paar feste Schuhe. Bis jetzt liefen wir sowieso nur in Flipflops herum - das sind immernoch die besten Reiseschuhe.
Die Reduktion hat für uns aber nicht zu einer Entwertung der Kleidung geführt. Sie ist nicht plötzlich unwichtig geworden, ganz im Gegenteil. Wir hegen und pflegen sie. Gibt es ein Loch, wird das sofort geflickt. Flecken werden sorgfältig ausgewaschen. Doch zum Glück ist es schnell erledigt und so kann man sich rasch wieder dem Leben neben dem Waschen widmen.
Der Rest unseres Gepäcks besteht aus Kleinigkeiten: Kulturbeutel, Handtücher, Medikamente, Snacks und Trinkwasser. Und Windeln. Jede Menge Windeln.
Immer dabei: Brot, Wasser, Milch und - hazella!!
Wir können nur so reisen, weil wir in einem Zuhause von jemand anders bleiben. Alle Gästehäuser, in denen wir bis jetzt geschlafen haben, bieten uns eben die Infrastruktur, die wir nicht in den Rucksack stopfen können: fliessend Wasser und Bettwäsche, Pfannen und Gabeln, Wlan und Waschmaschinen. Wir sind froh darum und wissen, dass wir nur auf diese Weise zu viert mit zwei Rucksäcken reisen können. Outsourcing mit win-win-Faktor.
Für Souvenirs haben wir leider keinen Platz...
Denn wenn wir das, was wir an persönlichem Besitz brauchen, auch tragen können, ist das für uns Freiheit. Wir können jederzeit in ein Auto oder Flugzeug steigen und haben davor 15 Minuten gepackt. Wir haben mehr Zeit für uns und für die Dinge, die uns wirklich Freude machen. Und wir meditieren trotzdem beim Geschirr spülen oder beim Blumen giessen - aber es ist keine Pflicht mehr, es ist eine Entscheidung. Wir sind gespannt, wie lange wir das als Freiheit empfinden. Vielleicht kommt der Moment, in dem wir uns nach einem eigenen Zuhause sehnen, oder unsere Kinder schreiend nach Lego verlangen.
Oder vielleicht
Auch nicht.