¡Ja'umina!
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Von A nach B in Asunción

Veröffentlicht: 10.10.2018

Ein kleiner Bolgeintrag, der seit Februar aus Mangel an Bildern fast in unseren Entwürfen vergessen wurde, aber eigentlich denken wir, er könnte den Einblick in unser Leben hier, Asunción und auch ein bisschen das der Paraguayos an sich ergänzen.

Die täglichen Wege sind nämlich essentieller Bestandteil des Alltags eines echten Paraguayos! Wie schon erwähnt gibt es hier nämlich unendlich viele Autos, unsere Familie hat zum Beispiel 4 Autos auf zweieinhalb Fahrer... Aber gut die werden schon auch genutzt, es wird alles mit dem Auto gefahren, auch gerne mal der Weg zum Fitnessstudio, das 300m!!! entfernt ist, während aus irgendeinem Grund immer mindestens ein Auto tage- (oder wochen-) lang in der Werkstatt zu sein hat.

Autofahren verläuft in Paraguay allgemein nie schnell oder flüssig, eigentlich steht man immer auf einer der drei großen Straßen. 


Wenn's mal läuft, fährt man aber traditionell in der Mitte aller Spuren, um so den nächsten Stau zu produzieren. Ein bisschen Schuld am Verkehr sind also auch einfach die Leute, würde man meinen. Aber irgendwie auch nicht ganz, wenn man mal herausgefunden hat, dass es in Paraguay zwar Fahrschulen gibt, allerdings muss man sie nicht besuchen. Seinen Führerschein kauft man sich einfach, alles was man braucht ist ein bisschen Geld, Personalausweis und Nachweise der Blutgruppe. Das haben wir übrigens herausgefunden, als wir nach einem Abend in der Stadt mit einer Freundin, aus der alten Arbeit und ihrem Bruder im Auto saßen. Der Bruder hatte dann doch getrunken, die kleine Schwester ihren Führerschein ganz neu und saß schon am Steuer mitten auf der Hauptstraße, als uns das alles bewusst wurde. An einer roten, sehr nahen, Ampel konnten wir uns nicht mehr zurückhalten und riefen von hinten “Brems, brems, du fährst dem anderen drauf!” , woraufhin sie auch bremste und nur aufgeregt sagte, “Danke! Danke fürs sagen, ich hab vergessen zu bremsen”. Ab sofort verstanden wir den Verkehr um einiges mehr.

In Paraguay ist es eigentlich verboten zu trinken und zu fahren aber genauso eigentlich kann es auch ganz leicht passieren, dass mitten in der Stadt, am Hauptplatz eine Dame den Verkehr aufhält, weil sie sich gerade bei den Imbiss Ständen einen Paraguay Döner und zwei 0,5l Mojitos bestellt hat. Ganz klar, dass sie dann auch erstmal in aller Ruhe von ihrem eisgekühlten, immens großen, Mojito trinken möchte.

Ansonsten gibt es viel Gehupe und wenig Rücksicht (das ist wohl das größte Rätsel das bleibt: Wie kann ein ganzes Volk, das so nett, gastfreundlich, witzig und liebenswert ist, so schnell alle Charakterzüge ändern, sobald es hinterm Steuer sitzt? Naja, das können sie uns leider nicht beantworten. (Hier ist aber auch eine Entschuldigung fällig: Gehupe ist nicht immer böse gemeint, so fährt beispielsweise unser Chef ein Auto, das immer dann 2-3 mal hupt, wenn er bei Kurven zu fest einschlägt..) Dafür ist aber immer was geboten am Straßenrand, zum Beispiel kommt man immer an mindestens an einem aufsehenerregenden Gefährt oder lustigen Straßen vorbei....




Es gibt Verkäufer am Straßenrand an der Ampel oder auch mal mittendrin, die dann ans Fenster klopfen (verkauft wird übrigens alles von Obst über Schneidebretter, bis hin zu aufblasbaren Flamingos für den Pool, natürlich auch Zeitungen, Lose, und falls ein Feiertag, wie Valentinstag, Tag der Freundschaft, Tag der Familie, Tag der Arbeit, etc ansteht, immer thematisch passende Luftballons, ….) Außerdem gibt es abgefahrene Straßenkünstler, die ein Seil von einer Ampel zur anderen spannen und darauf balancieren, jonglieren, Einradfahren oder Feuer spucken!

Schuld am Verkehr sind nicht nur die Massen an Autos sondern definitiv auch die wenigen großen und zum Großteil sehr schlechten Straßen. So ist ein Baum mitten in der Straße keine Seltenheit, ebenso wenig riesige Schlaglöcher und immerwährende Pfützen, nicht davon zu sprechen, was passiert, wenn's mal richtig regnet. Bei so einem Wolkenbruch sind die Abflüsse schon nach Minuten übergelaufen (Was übrigens wohl daran liegt, dass viele kein Geld für den Abtransport des Mülls zahlen wollen und ihn deswegen ganz kommod in die Abflussrohre schmeißen) und die Straßen verwandeln sich in reißende Flüsse und Seen. So erzählte uns die Chefin der Operation Sonrisa, dass sie einmal mit ihrem Auto auf dem Weg von der Arbeit tatsächlich schwomm und solang auf der Straße trieb, bis sie gegen eine Wand dotzte und wieder Halt auf dem Gehweg fand. Man kann es sich also nicht vorstellen.

Keinerlei Rücksicht, aber man weiß sich ja zu helfen

Spazieren-gehen, ist allerdings kein Fremdwort, nach einem ausführlichen Mittagessen wird gerne mal zum Spazieren eingeladen. Verrückt eigentlich, dass wir überrascht waren, dass ein solcher Spaziergang bedeutet ins naheliegende Shoppingcenter zu fahren, um dann bei gemütlichen 18°C nicht ins Schwitzen zu geraten :D

Wer kein Auto hat nimmt in Paraguay den Bus, ein Collectivo. Eine Fahrt allein ist ein Abenteuer. Mit 2.200 Gy (ca. 30ct) für ein Collectivo ohne, oder 3600 Gy (ca. 50ct) für eins mit Klimaanlage ist man dabei. Am spannendsten ist so eine fahrt in der Früh, wenn alle Busse übervoll sind und so nur etwa jeder 10te überhaupt anhält. Nicht selten sitzt man dann an der Frontscheibe oder der Rucksack und ein Fuß luren noch aus der Tür hinaus. 


Das liegt übrigens unter anderem daran, dass es viele unabhängige Busunternehmen gibt, von denen jeder maximalen Profit machen will und deswegen so viele Leute, wie möglich in seinen Bus lädt. An manchen Tagen ist es uns übrigens schon passiert, dass wir sage und schreibe 40 Minuten in keinen Bus gekommen sind, weil alle zu voll waren (und es fährt sicher alle 2 Minuten ein Bus..)

Warten auf den Bus:.....

...An heißen Tagen typisch mit Tereré


Auch gut zu wissen bevor man eine Busfahrt antritt ist, dass bei den Collectivos außerdem ganz allgemein gilt: Im Zentrum gibt es seit kurzem Haltestellen, nicht aber einen Fahrplan oder sonstige Informationen wohin und wann die Busse fahren. Man muss also mit allerhand Leuten quatschen, um solche Details herauszufinden. Eigentlich kennt aber immer jemand wen der weiß welchen Bus man da nehmen sollte. Die Frage, die bleibt ist aber trotzdem wer hat das als erstes rausgefunden und wie? und ganz wichtig: bekommt man eine echte Information oder will der Paraguayo nur nicht sagen, dass er's nicht weiß? - Letzteres lässt sich nur an den Augen ablesen, aber leider klappt das nicht immer..

Mit diesem praktischen Fortbewegungsmittel kommt man also theoretisch überall hin, manchmal braucht man für den Weg in die arbeit (ca. 5km) so allerdings über eine Stunde und es kam schon vor das unser Kollege uns fröhlich pfeifend nebenan zu Fuß überholt hat....

Und genau deswegen hat nichts unseren Alltag hier so revolutioniert wie unsere Fahrräder!!


Die haben wir super schnell nach ein bisschen Fragen bekommen, weil sie wohl doch nicht so häufig genutzt werden. Mit unseren Rädern braucht man nur 20 Minuten ins Büro, man kann Wege fahren, ohne zu wissen welcher Bus wie fährt und das beste: Am Stau fährt man einfach vorbei und fühlt sich wie der größte Held! Das schöne ist, dass die anderen einen auch, wie einen Helden feiern (Das können Sie einfach nicht fassen... mit'm Rad... jeden Tag.. verrückt :D). Nicht selten wird man gefragt: Was ihr fahrt immer noch mit dem Radl? Und was jeden Tag und auch bis hierhin? Und dann werden andere Leute angestupst und es wird gesagt, schau mal die sind mit dem Fahrrad da! Auf der Straße wird man ja ständig angehupt, aber mitnichten nur aus Wut über Fahrräder oder den Verkehr, ganz häufig ist es auch nur eine überschwängliche Begrüßung, weil sich jemand so freut uns auf unseren Rädern zu sehen. (Das erfahren wir immer erst im Nachhinein, in die vollgetönten Scheiben kann man nämlich nicht reinsehen)


Klar, jeder Paraguayo mahnt uns auch zur Vorsicht und ist manchmal völlig aus dem Häusschen, dass die Deutschen radeln und das auch nachts. Aber mit Warnweste und blinke Licht gibt es keine Wege die wir mit unseren Rädern nicht meistern konnten!

Wie sollten wir sonst die Gegend erkunden.

Und nicht nur das, mittlerweile kennen wir unsere Viertel, wie die Westentasche, wissen alle unsere Einkäufe auf dem Radl zu balancieren, wissen, wann man die Luft anhalten muss, weil man an der Schlachterei vorbeifährt, werden stets freundlich von Chipa Verkäuferinnen, Cafeteria Besitzern und Schreinerei Mitarbeitern begrüßt, wissen in welche Pfützen man nicht fahren möchte, weil sie wirklich immer da sind und kleine Fischlein drin wohnen und sind kurz davor den einschlägigsten Schlaglöchern Namen zu geben. Ganz klar manchmal wird der Enthusiasmus von plötzlichem Monsun Regen gedämpft und manchmal muss man eben an jener Schlachterei im knietiefen Wasser vorbeiradeln, manchmal kann man auch nicht überholen, weil an der Ampel gerade ein Bub aus dem Auto pieselt. Aber der Hansi ist sich sicher, wir sind durch unsere Asunción Zeit ganz bestimmt nachweislich bessere Radlfahrer geworden ;)


Ach ja... TÜV gibt's nicht.

Antworten

#asunción#trafico#terrible