¡Ja'umina!
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Potosí und der reiche Berg

Veröffentlicht: 21.05.2018

Kurzfristig entschlossen wir uns Hansi’s Papa und Schwester in Bolivien zu treffen, ehe sie uns nach Asunción begleiten sollten. Zack eine Woche frei genommen und Samstag in den Flieger gesetzt. Das erste Ziel sollte nach einem langen Reisetag Potosí sein, eine Stadt in den Anden auf knapp über 4000m.

Der zentrale Platz von Potosí

Ein bisschen Hintergrund: Bekannt und berüchtigt ist Potosí wegen seiner Silberminen, im Cerro Rico (reicher Berg). Ab dem 16 Jh. hat Spanien quasi sein gesamtes Reich mit dem von dort stammenden Silber finanziert. In seinen Export stärksten Zeiten war Potosí eine der bevölkerungsreichsten Städte der Welt, auf einer Ebene mit London und Madrid. All dieser Reichtum wurde, wie so oft, auf dem Leid vieler ausgebeuteter Arbeiter aufgebaut, 15 000 von ihnen sollen täglich in den Minen gearbeitet haben. Bis zu 8 Millionen Bergleute sollen hier in all den Jahren seit der ersten Silberfunde umgekommen sein.

„Der Berg spuckt zwar Silber aus, doch frisst die Menschen“ - Zitat


Blick auf die Stadt vom Eingang der Minen

Zwei Flüge und eine Busfahrt sollten uns an einem Tag nach Potosí bringen, doch dem kamen vor besagter Busfahrt Generalstreiks und Straßenblockaden an unserem Umstiegs Ort dazwischen – oder sollte man sagen VON unserem Umstiegs Ort? Eigentlich hat sich die Stadt (Sucre) selbst blockiert, um so ein Zeichen gegen wohl ungerechte wirtschaftliche Machenschaften im Bezug auf den Gashandel mit Santa Cruz zu setzen :D Als wir aus dem kleinen Flughafengebäude liefen, empfing uns ein menschenleerer Parkplatz; weit und breit keine Sicht von Taxis oder Bussen. Nur zwei junge Burschen mit ihren zerdellten Kombis boten eine Fahrt in die Stadt an, von ihnen erfuhren wir von der Situation während wir über holprige Hinterwege durchs malerische Hochland fuhren. Ab und zu mussten Barrikaden aus Kakteen aus dem Weg geräumt werden…

Unsere erste Straßenblockade

Er konnte uns nur bis etwa 5km vor das Stadtzentrum fahren, von da an ging es zu Fuß weiter. Wir passierten eine Blockade nach der anderen, bestehend aus allem was man sich vorstellen kann. Außerhalb der Vororte noch aus Steinen, Kakteen, Erde und Autowrackteilen bestehend, wurden die Leute in den Straßen kreativer und es kamen Dreiräder, Kinderwägen, und etwas effizienter: Autos und Busse dazu. Die Leute schienen davon nicht groß beeindruckt, im Gegenteil: Die Kinder spielten auf der Straße, am Gehsteig wurde gegrillt, eigentlich wurde der Streik für ein großes Straßenfest genutzt und wir mit einem klapprigen Rollkoffer dazwischen :D

Drei Minuten vor Abfahrt des Busses und 4 Stunden nach Landung kamen wir am Busterminal an, stellten fest, dass er natürlich geschlossen war und die Reisebusse stattdessen die umliegenden Straßen in Form von Blockaden unpassierbar machten. Wegen mangelnder Alternativen stiegen wir bei einem „Taxi“ ein (natürlich zu horrender Summe) und irrten auf der Suche nach freier Fahrt durch die Straßen. Es folgte die schlimmste Taxifahrt unseres Lebens. Noch nie ist jemand nachts so auf engen Serpentinenstraßen gerast wie dieses Arschloch….

Hier ein Bild wie es nicht war:


Nach vier Stunden Höllenritt und fehlender Akklimatisierung für 4000m Höhe ging es uns entsprechend schlecht und nach einem kurzen Ausflug zur Apotheke mit nett bunten Pillen für die Ari und einem fettigen Hamburger für den Hansi stand für heute nichts mehr auf dem Plan. (Teile des Teams konnten eigentlich nicht mal den Ausflug zur Apotheke mitmachen) Am nächsten Tag stiegen wir nicht wie geplant auf über 5000m Höhe (was haben wir uns dabei gedacht :D), sondern spazierten durch die Stadt, genossen die Sonne, aßen auf Sonntags-Märkten, machten einen kleinen Ausflug in die Umgebung der Stadt und entschlossen uns am nächsten Tag an einer Minentour teilzunehmen.

Ausflug in die Berge

Ganz stolz gingen wir beim spanischen Guide (ehemaliger Minero) mit, einerseits wegen der kleineren Gruppe, andererseits wegen dem deutlich netteren Kerl. Man wird mit Minenkleidung, Gummistiefeln und Stirnlampe ausgerüstet ehe es zu dem „Miner’s Market“ geht. Dort kann man Geschenke für die Minenarbeiter kaufen: Limo, Zigaretten, Wasser, Alkohol UND Dynamit. Keine Sorge, explodiert nicht, wie uns der nette Guide freundlicherweise gezeigt hat indem er die Stange auf den Boden geknallt hat :D

Unser Guide und legal erworbene Sprengstoff- und Drogen-Geschenke

Auf der Tour haben wir erfahren, dass von dem damaligen Reichtum heute nicht mehr viel übrig ist; Silber ist so gut wie weg und mit ihm der Antrieb der hiesigen Wirtschaft. Die Minen bestehen bis heute und es wird auch weiterhin unter unveränderten Umständen dort gearbeitet. Die Mineros haben eine Lebenserwartung, die 40 Jahre nicht weit übersteigt, oft gehen sie mit 14-15 Jahren bereits der Arbeit in den Stollen nach.

Ausgerüstet und bereit für den Abstieg in die Stollen

Von denen durften wir uns dann selbst ein Bild machen. Heute, sagte unser Guide, sei weniger los, die Mineros haben heute Fußballturnier aber wir würden trotzdem schauen, ob wir ein paar bei der Arbeit fänden. Wir marschierten anfangs noch mit eingezogenem Kopf weit ins Innere des Berges, während immer mal wieder Minen Karren an uns vorbei rein oder raus donnerten, geschoben von den paar heute Arbeitenden; Ihre Partie sei erst später sagten manche :D. Abzweigend wurden die Gänge kleiner, die Luft wärmer, es war staubig und stickig. Manchmal mussten wir auf handbreiten Balken balancierend mehr als 10m tiefe Abgründe überqueren, war eben der kürzere Weg.

Eng und staubig ging's in die Tiefe

Wir machten häufige Pausen auf denen uns viel über die Arbeit erklärt wurde und über die hiesigen Bräuche. Schon beim Eintritt in die Mine hatte unser Guide erklärt, Gott gebe es in der Mine nicht. Dort herrscht Pachamama, die Göttin der Erde. Für sie und weitere Minengottheiten wurden eigens Schreine in die Stollenwände geschlagen. Diese sind geschmückt, man hinterlässt kleine Opfergaben wie Coca-Blätter oder Zigaretten, verschüttet etwas Alkohol (96%, auf der Flasche steht „Trinkalkohol“ :D), bittet um Schutz und trinkt anschließend selbst einen kleinen Schluck. In diesen Schrein wird man auch geschickt, wenn man bei der Arbeit schlecht gelaunt ist. Dann sagen die Minero-Kumpels: dich belastet etwas, geh und red mit Pachamama und lass deine Sorgen dort. Einer kleiner Schluck Schnaps mit Pachamama hilft auch hier.

Pachamama-Schrein

Unser letzter Stopp der Tour war ein weiterer Schrein mit einer grauen Statue mit Teufelsantlitz. Um hier um Schutz zu fragen wird Alkohol nicht auf den Boden geschüttet, sondern über den riesigen Penis des Nicht-Teufel-Gottes :D 

Originalaufnahmen von Götterhuldigungen. Der gute Mann da rechts hat dann übrigens die Hand von der Statue abgebrochen...sauber.

Wenn das nicht schon aufregend genug wäre, durften wir hier miterleben wie sich Dynamit-Detonationen anfühlen. NICHT gut! Hatte man sich bisher die Klaustrophobie noch ausreden und die von Zeit zu Zeit auftretende Schnappatmung auf die Höhe schieben können, wollte man spätestens jetzt aus der Mine raus. Naja, 14 Explosionen haben wir gezählt, Zeit genug um über die mangelnde Absicherung des Stollens nachzudenken in dem wir kauerten.

Es war jeder sichtlich erleichtert wieder aus der Mineins blendende Sonnenlicht treten zu können. Ein Spanier unserer Gruppe sogarso, dass er jeden mit Handschlag beglückwünschte die Mine überlebt zu haben.Alles in allem war die Tour also wirklich interessant, leider sahen das nichtalle Deutschen so. Frei zitiert von einer netten Mitreisenden unseren Alters:„Also es war ja ganz nett, aber zum Beispiel in so Tropfsteinhöhlen hat es mirschon besser gefallen. Da ist es halt viel natürlicher und auch nicht sostaubig und so.“ Na gut man muss sagen, es gab auch keine Rutsche, wie etwa imSalzbergwerk Berchtesgarden.  


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