Veröffentlicht: 17.05.2021
Quer durch Deutschland auf dem Wasser – Überführung einer Linssen 40.9 von Maasbracht nach Zehdenick im August 2014 Als sich zum Jahreswechsel 2013 für uns die Möglichkeit ergab, in den Sommerferien 2014 eine neue Grand Sturdy 40.9 AC von Maasbracht nach Zehdenick zu überführen, war zunächst einmal Skepsis angesagt – wir mußten uns zuerst davon überzeugen, dass das überhaupt auf dem Wasserweg geht und wo man da entlang fährt. Nach etwas Überlegung und Vorplanung siegte schnell die Neugier auf diese Herausforderung, und der Sommerurlaub war festgelegt. Gleich am ersten Tag der Sommerferien in Baden-Württemberg machten wir uns mit 2 Kindern (9 und 6) und vollgeladenem Kombi auf den Weg nach Maasbracht. Mit etwas Ruhepausen und ohne Zeitdruck hatten wir ca. 3 Wochen veranschlagt, die dann auch ausreichen sollten. Die Werft empfiehlt zwar, die ersten 25 Stunden in Holland zu fahren und nochmal zur Abschluß-Kontrolle zu kommen, das hätte jedoch unseren Zeitrahmen gesprengt, so daß wir uns mit nur 5 Betriebsstunden auf den Weg Richtung Berlin machten. Neu ab Werft: Linssen GS 40.9 AC „Alegria“Aus logistischen Gründen hatten wir, solange wir das Auto noch verfügbar hatten, einen Großeinkauf an Lebensmitteln und Getränken in Maasbracht vorgenommen. Da in Holland kein Pfand auf Kunststoff-Flaschen erhoben wird, konnten wir somit auf der Reise unser Leergut als einfach als Kunststoffmüll entsorgen, ohne als Fußgänger unterwegs auf die Suche nach Leergut-Pfand-Rückgabestationen gehen zu müssen. Für die erste Etappe hatten wir uns T’Leuken vorgenommen, wobei uns die immer sehr freundlichen und hilfsbereiten Mitarbeiter bei Linssen den Tipp gaben, bevorzugt links am Campingplatz als Gastlieger anzulegen. Da wir mit dem ganzen Einräumen und den restlichen Formalitäten erst gegen Mittag ablegen konnten, entschieden wir uns, gleich in die Schleuse Heel und damit den Umgehungs-Kanal zu fahren, anstatt die schönere Strecke durch Roermond zu nehmen. In Heel und der folgenden Schleuse Belfeld war ein Berufsschiff direkt vor uns, was uns das Problem löste, wie man sich denn in Holland korrekt über Funk an der Schleuse anmeldet. Die Maas kurz vor Venlo Trotz der Abkürzung war es dann schon fast 18 Uhr, bis wir in T’Leuken ankamen, wo sich dann auch die Frage erübrigte, ob wir links oder rechts anlegen sollten – aufgrund der Ferienzeit waren beide Marinas total voll, und wir sind wieder zurück auf die Maas gefahren. An der Schleuse Sambeek überlegten wir gerade, ob wir den Anleger im Oberwasser zur Übernachtung nutzen wollten, als wieder ein Berufsschiff kam und wir dann erst mal die Gelegenheit nutzten, mit nach unten zu
schleusen. Kurz hinter der Schleuse war auf der Karte der WV Boxmeer in einem Seitenarm der Maas eingezeichnet, durch die abgelegene Lage fanden wir dort auch zu später Stunde noch einen Liegeplatz und nahmen uns vor, ab morgen so rechtzeitig loszufahren, daß wir zwischen 16 und 17 Uhr am geplanten Ziel ankommen. Traffic Control der Waal-Schifffahrt bei Nijmegen Am nächsten Tag ging es durch den Maas-Waal-Kanal bis Nijmegen, durch die Schleuse und dann in den Rhein. Es hatte in der Woche davor ziemlich heftig geregnet, sodaß der Rhein mit ziemlich Wasser und ordentlicher Strömung von 3-4 kn daherkam. Verkehr ohne Ende, und die großen Pötte haben dann stromaufwärts doch noch etwas mehr Leistungsreserven als unsere kleine Linssen. Nach kurzer Zeit waren die guten Vorsätze zum behutsamen Einfahren des Diesels hinfällig: wenn man mit 1800 U/min durchs Wasser 6 kn Fahrt macht und gegen die Strömung nur 2 kn übrig bleiben, dauert es doch ziemlich lang, bis man vorwärtskommt. Unser Tagesziel war De Bijland, eine schöne und gepflegte Anlage etwas abseits in einem Seitenbecken, das wassersportlich sehr gut erschlossen und entsprechend beliebt ist. Im Restaurant „De Hafenmeester“ haben wir auf der Sonnenterasse gut gegessen. Am nächsten Tag ging es dann weiter den Rhein hinauf bis zum YC Wesel – im Nachhinein ein sehr zäher Reisetag, fast 8 Stunden lang mit annähernd Vollast für ca. 50 km, stets bedrängt von „Eiltanks“ und schnellen Frachtschiffen, mit Mühe selbst langsame Schubverbände überholend, deren Abgase von der Erfindung des Diesel-Partikelfilters noch unberührt waren. Rhein-aufwärts Richtung Wesel Nun hatten wir uns die Rheinfahrt vermutlich etwas romantisch verklärt vorgestellt, das alte Volkslied „Warum ist es am Rhein so schön“ – die Frage erhielt so eine ungeahnte Berechtigung. Dennoch hatte auch diese Strecke ihre Highlights – für uns völlig unvermutet der ehemalige „Schnelle Brüter“ in Kalkar, der in den frühen 80ern ja auch im Süden Deutschlands eine gewisse Berühmtheit erlangt hatte, zu einem Vergnügungspark mutiert: als Höhepunkt ein Kettenkarussel, das sich oben aus dem Kühlturm erhebt – lauter strahlende Gesichter. Mangels Anleger sind wir unter leisem Murren der Kinder vorbei gefahren. In Wesel war ihnen das Glück hold, da wir am letzten Tag des Jahrmarkts ankamen und keine Gründe gegen einen abendlichen Besuch aufführen konnten. Kühlturm des „schnellen Brüters“ Kalkar Am nächsten Vormittag fuhren wir gleich in den Wesel-Datteln-Kanal ein, wo die Fahrt dann wieder deutlich ruhiger und entspannter wurde. 7 Reisestunden und 4 Schleusen später machten wir in der Marina Flaesheim fest. Das Waldgebiet lädt zum Spazieren oder Joggen ein, auch das Marina-Restaurant bot gutes Essen zu vernünftigen Preisen. Industrie am Wesel-Datteln-Kanal Am nächsten Tag waren es noch 2 Schleusen bis in den Dortmund-Ems-Kanal, den wir bis Münster fuhren, wo wir unseren ersten Pausentag geplant hatten. Nach der Stadt-Schleuse Münster fährt man noch ein kleines Stück bis zur Marina „Alte Fahrt“ in Fuestrup, wo vom Inhaber Klaus Nowacki sehr freundlich empfangen wurden. Mittlerweile hatten die Maschine die ersten 50 Betriebsstunden fast erreicht, so daß wir den ersten Motorservice vom dortigen Volvo-Servicepartner Flores durchführen lassen wollten. Der war in der Woche zuvor zwar im Urlaub gewesen und mit Arbeit sehr gut ausgelastet, dennoch sehr freundlich und hilfsbereit. Beim telefonischen Vorab-Check der Motornummer ergab sich allerdings, daß er zuerst noch den passenden Ölfilter bestellen mußte, was den Service um einen Tag verzögerte. Da ich eh das Auto nachholen wollte, das Wetter es immer noch gut mit uns meinte und Münster eine sehr schöne Altstadt mit netten Geschäften und Kneipen hat, wurde der Stopp in Münster um einen Tag verlängert. Zu Gast beim MYC Lübbeke Weiter ging es dann in den Mittellandkanal, wo wir beim MYC Lübbecke gerne Rast gemacht haben und am Folgetag dann nach Hannover gekommen sind. Im Yachthafen Hannover liegt man zwar nicht so ruhig, aber zentral, es gibt eine Tankstelle und der freundliche Hafenmeister gab uns etliche Tipps für’s Einkaufen und Abendessen – gegessen haben wir im Steakhouse „Das Ding“, das mit so viel US-Folklore dekoriert ist, dass es schon wieder cool ist – die Steaks vom Schwenkgrill waren eh über jeden Zweifel erhaben. Mittellandkanal bei Minden: Wasserstraßenkreuz über die Weser Am nächsten Morgen hängten wir uns an ein Berufsschiff, um vor der Schleuse Anderten mit einem Hub von knapp 15 Metern keine lange Wartezeit zu haben. Schleusenkammern mit dieser Höhe verursachen dann schon ein sehr spezielles Gefühl. Nächste Station war Wolfsburg, wo wir eigentlich in die Marina wollten, dort aber für ein Boot unserer Größe kein Platz mehr war. Also umgedreht und einen Kilometer zurück zur Autostadt, wo wir gesehen hatten, daß es am Berufsschiff-Anleger auch einen kleinen Bereich für Sportboote gab – und eine Nacht autark zu liegen, ist mit einer 40.9 ja kein Problem. Sportbootanleger gegenüber der Autostadt Nun liegt man dort quasi am „Hintereingang“ des Hauptbahnhofs, ist ruck-zuck in der Innenstadt von WOB und über eine Brücke genauso schnell in der Autostadt des VW-Konzerns. Also am nächsten Morgen die Gelegenheit genutzt, das Auto von Münster nachzuholen, die Familie schaute sich die Autostadt an und nachmittags waren wir wieder zusammen. Nun hatten Frau und Kinder in der Autostadt die Werbung für das Wasser- und Laserlight-„Feuerwerk“ gesehen, das zentral in der Autostadt nach Einbruch der Dunkelheit in den Ferien läuft und das wir uns natürlich anschauen wollten – also nach dem Abendessen nochmals rein an den zentralen Wasserteich, Platz gesichert und abgewartet. Die vorsichtige Warnung vor Beginn der Show, dass es an unserem Ende des Teichs naß werden könnte, hatten wir zwar vernommen, aber (wie ein paar hundert andere Besucher) nicht so sehr ernst genommen. Nach einem gemütlichen Start mit ruhiger Musik und Lichteffekten brachen dann an dieser Stelle doch plötzlich erhebliche Wassermassen über uns herein, die uns mangels Ölzeug und Vorbereitung schlimmer trafen als alle anderen Niederschläge während dieser Reise– innerhalb von ein paar Sekunden waren wir komplett durchnässt und wußten, warum der Großteil der Zuschauer an der anderen Seite des Teichs dicht gedrängt in mehreren Reihen stand. Elbtisch vor der Schleuse Hohenwarthe Von Wolfsburg ging es dann über den Elbtisch zur Schleuse Hohenwarthe, die mit 18,7 m den größten Hub auf dieser Reise hatte. Der nächste Teil der Strecke Richtung Berlin ist noch nicht so gut erschlossen, wir fuhren kurz hinter Magdeburg in die Marina WSF Burg ein, da wir dringend Frischwasser brauchten. Das war dann auch die einzige Marina, wo wir uns ernsthaft über die Liegeplatzgebühr ärgerten. Mit 38.- € für das Boot, Besatzung und Wasser war es mehr als doppelt so teuer wie bisher gewohnt und auch deutlich teurer als nachher in Berlin – kaum Infrastruktur, kein Restaurant, kein Laden, kein Internet – das ist schon eine selbstbewußte Preisgestaltung. Ein positives Gegenbeispiel war am nächsten Tag die HavelMarin in Brandenburg, schön angelegt, freundlich und für’s halbe Geld. Auch das dazugehörende HavelRestaurant verdient durchaus eine Empfehlung. Blick von der Nikolaikirche, Potsdam Nach etwas Überlegung, wie wir das Thema Berlin angehen, entschieden wir uns, zuerst nach Potsdam zu fahren, das wir noch nicht kannten. Nach einer relativ kurzen Tagesetappe waren wir in der Marina am tiefen See und konnten den Nachmittag zu einem Stadtgang nutzen. Auf der Nikolaikirche hat man einen schönen Rundumblick und sieht, wieviel Bautätigkeit hier momentan stattfindet. Nach einem guten Abendessen im Städtchen zurück in der Marina, sind wir dann an der Cocktail-Strandbar hängen geblieben, für die einige Lastwagen-Ladungen Sand herbeigekarrt wurden, die zusammen mit den Liegestühlen und einem lauen Sommerabend für einen karibischen Caipirinha-Abend gesorgt haben. Auf der Spree Richtung Zentrum Berlin Am nächsten Morgen machten wir uns auf den Weg nach Berlin und kamen dort an der Marina Lanke vorbei, wo wir telefonisch gleich eine Buchung für zwei Nächste machen konnten. Zunächst ging es aber durch die Schleuse Charlottenburg in die Spree und hinein in die Stadtmitte, was nur gestattet ist, wenn das Schiff mit Sprechfunk ausgestattet ist – daher sind zwar nicht mehr viele Sportboote unterwegs, man muß sich dafür aber in eine Phalanx von Spree-Ausflugsdampfern einreihen, die so dicht hintereinander fahren, daß man fast trockenen Fußes die Spree hinauf kommt. Der Hauptbahnhof mal von der „anderen“ SeiteDer Funk ist deshalb wichtig, weil die Dampfer bevorzugt vor den niedrigen Brücken auf der Spree wenden und diese Manöver ihren Kollegen per Funk ankündigen. Für den Revier-Neuling, der die Namen der Brücken und der Schiffe nicht auswendig kennt, ist der Nutzen eher bescheiden, da quasi permanent einer im Funk babbelt – also gilt es, aufzupassen. Auf Empfehlung erfahrener Linssen-Fahrer hatten wir unsere 40.9 mit dem kurzen Mast bestellt, mit dem wir ohne Umklappen auf der Spree durchkamen – mit dem Standard-Mast wäre das nicht gegangen. Auf die Rückfahrt durch den Landwehkanal haben wir aber doch verzichtet, für die Brücken ist die Linssen zu hoch, wenn man nicht auch noch das Verdeck abdekorieren möchte. Daher haben wir vor der Schleuse Mühlendamm gewendet und am Sportbootanleger „Schiffbauerdamm“ festgemacht. Von dort aus sind es 700 m zum Brandenburger Tor, und das Parken mit dem Boot kostet nichts. Gebührenfreier Parkplatz, Fußweg 600m zum Brandenburger Tor Die gesparten Parkgebühren haben wir dann in einer Imbißbude„Unter den Linden“ standesgemäß in Currywurst mit Pommes investiert. Sportbootanleger Berlin-Mitte, Schiffbauerdamm Die Fahrt auf der Spree durch Berlin, vorbei an Hauptbahnhof, Kanzleramt, Reichstag bis zur Museumsinsel und zurück ist aufgrund des starken Verkehrs nicht immer einfach, aber trotzdem absolut empfehlenswert, wenn man die Möglichkeit dazu hat. Nachdem wir abends ein Stück zurück gefahren waren, blieben wir in der Marina Lanke, von der aus wir am nächsten Tag mit dem Bus zum Ratha us Wilhelmstadt und mit der S-Bahn zum Bahnhof Spandau fuhren. Dort trennten sich die Wege, Frau und Kinder fuhren an den Potsdamer Platz, ich dagegen mit dem ICE eine Station nach Wolfsburg, um ein letztes Mal das Auto nach zu holen und dann gleich nach Zehdenick zu stellen. Abends gingen wir dann kein zweites Mal ins Marina-Restaurant, das wir am Abend vorher mit halbleerem Magen, aber vollem Rechnungsbetrag verlassen hatten. Beim Busfahren hatten wir vorher einen Italiener „Giardinetto“ in fußläufiger Entfernung von der Marina gesehen, von dem wir abends satt und zufrieden zurück liefen. Am nächsten Tag fuhren wir dann durch die Oberhavel in den Oder-Havel-Kanal, wobei das Wetter mittlerweile deutlich wechselhafter und kühler wurde. So fuhren wir am späten Nachmittag gleich in den Vosskanal und noch die 3 Schleusen bis Zehdenick, wo wir zwar relativ spät ankamen, aber im Hafen bei Dirk Fengler viel Platz hatten, weil die meisten Charterboote unterwegs waren. Einfahrt nach Zehdenick Damit hatten wir etwas früher als geplant unser Ziel erreicht und machten am nächsten Tag die Übergabe, nach insgesamt 17 Fahrtagen, 820 km Strecke und 87 Stunden Fahrzeit. Insgesamt haben wir zweimal getankt, 704 Liter, was einen Durchschnitt von 8,3 l/h ergibt – wobei der erste Teil bis Hannover durch die lange Vollastfahrt durch den Rhein mit 9,2 l/h deutlich höher ausfiel als der zweite Teil mit Durchschnitt 7,1 l/h. Ölverbrauch: nicht meßbar, wobei natürlich auf halber Strecke ein Ölwechsel stattfand. Technische Probleme gab es keine – an dieser Stelle vielen Dank an alle Mitarbeiter von Linssen, die mit der „Alegria“ eine blitzsaubere Leistung abgeliefert haben. Das Schiff war eine Grand Sturdy 40.9 AC mit 3 Kabinen und 2 Duschen und Sanitärbereich, also richtig großzügig Platz, wenn man nur zu viert unterwegs ist – dazu sehr gut ausgestattet mit Plotter, Autopilot, Funk, Bug- und Heckstrahlruder, TV (das die Kinder nur drei Mal angeschaltet haben!) und komplett eingerichtet. Insgesamt war es eine spannende und abwechslungsreiche Reise, die wir mit Ausnahme des einen Tages, an dem wir mit Dauer-Vollgas den Rhein stromaufwärts fahren mußten, nicht missen möchten und auch gerne mal wiederholen, falls sich die Gelegenheit dazu erg