Veröffentlicht: 04.09.2016
31.08.2016
Folgende Zeilen richte ich an dich, lieber Reiseblog, im Sinne eines Tagebuchs. Die letzte Nacht war weniger komfortabel. Wir haben zwar einen wunderbaren und viel zu großen Wohnwagen, doch hat die Verrückte in der Abholstation diesen weder mit Heizstrahler noch mit einer funktionierenden Gasflasche bestückt – was ich trotzdem bezahlen durfte. Gudi kränkelt und schnarcht als ob es kein Morgen gäbe. Langsam bekomme ich Angst, dass diese Redewendung für uns wahr werden könnte. Ich habe ihr meinen Schlafsack einreden können, sodass sie wenigstens ein wenig Wärme genießen kann. Selbst muss ich daher aber mit der billigen Decke zufrieden sein, die wir gestern gekauft haben. Trotzdem bin ich froh, Gudi den wärmenden Bereich überlassen zu haben, sie ist sowieso schon viel zu nahe daran, krank zu werden. Dies führt zu meinem zweiten Problem heute Nacht: Das Pinguinprinzip und ähnliche Körperwärmungsversuche funktionieren nur, wenn man neben der zweiten Person auch schlafen kann. Gudi klingt heute Nacht leider wie ein verstopfter Abfluss, was dazu führt, dass ich regelmäßig die Flucht ergreife und meine ausgeklügelte Ganzkörperdeckenkonstrukion über den Haufen werfen muss.
Nun sitze ich in der Fahrerkabine und frage mich, was ein Luxuscamper bringt, wenn man darin friert wie in einem löchrigen Zelt. Verzweifelt versuche ich, die Heizung anzubekommen, scheitere aber mit meinen steifen Fingern kläglich. Mit letzter Kraft versuche ich nun, wenigstens meinen Gedanken freien Lauf zu lassen, wenn dies schon meinem Harndrang verwehrt bleibt – da nun den Camper verlassen eher selbstmörderisch wäre. Langsam aber stetig tippe ich also die Lettern in meinen drahtigen Kumpanen und frage mich wie der Sternenhimmel draußen aussieht. Er ist sicher wunderschön. Die Scheiben sind leider voller Frost, weshalb diese Vorstellung eine Illusion bleibt. Leise höre ich ein schniefen im Hinterbereich des Gefährts und frage mich, ob die kommenden Nächte besser werden sollen.
Gudi wird wach und versucht mich voller schlechtem Gewissen, in den Schlafsack zu locken. Zwar kann ich ihre teuflische Strategie, mein Immunsystem zuerst abzukühlen und zu schwächen und mich erst dann in die Bakterienhölle zu locken von vornherein deuten, doch ist ihre sirenenhafte Absicht nicht zu umgehen. So lande ich neben Gudi im Ein – Mann/Frau Schlafsack und Teile mir mit ihr gerade einmal gefühlte 1/3 Kubikmeter Atemluft unter dem Wollschal, den wir zum Schutz der Nasenspitzen über uns platziert haben.
Trotz der vermeintlichen Todesfalle erwache ich etwas später durch Gudis: „ Bist deppat!“ und bin sofort der Meinung, an einem Abgrund geparkt zu haben. Stattdessen überrascht uns aber eine atemberaubende Weite voller Berge und davorliegender, typisch neuseeländischer Talebene. Wir bewundern die Szenerie, versuchen unsere Gliedmaßen in den ersten Sonnenstrahlen vom Frost zu befreien und fahren zu unserem heutigen Ziel, dem Lake Tekapo. Dort erwartet uns ein eisblauer See, der von steilen und verschneiten Berghängen eingekreist wird. Ich versuche vergeblich ein Foto zu machen, schaffe es aber nicht zu verhindern, dass mir irgendein Asiate durchs Bild läuft. Schön langsam ereilt mich ein gewisser Ärger aufgrund der permanenten Anwesenheit dieser, da sie sich (mit einigen Ausnahmen) in riesengroßen Reisebussen zu diversen Sehenswürdigkeiten kutschieren lassen und daher jegliche Form von Einsamkeit oder Abgeschiedenheit zunichtemachen.
Nach dem Frühstück begeben wir uns auf einen Powerwalk und hiken immerhin vierhundert Höhenmeter, um am Gipfel eine asphaltierte Straße zu erkennen. Der Rundumblick des Cafes, in welchem wir Cafe trinken, lädt uns dazu ein, etliche Aufnahmen mit Bergen, Cafe und natürlich obligatorischen Asiaten im Hintergrund zu machen.
Nachmittags machen wir erneut Meter und mithilfe eines Mechanikers gelingt es uns sogar, einen Hebel umzulegen um die – doch nicht so leere – Gasflasche zu aktivieren. Vielleicht sollte ich einige der Flüche, die ich gegen die Dame im Autozentrum ausgestoßen habe, wieder zurücknehmen.
Zur Belohnung gibt es am noch malerischeren Lake Pokaki ein gemütliches Abendmahl. Aus dem Camper heraus beobachten wir, wie die Sonne in den See fällt und dabei den höchsten Berg Neuseelands - den Mount Cook - in ergreifendem Rosa färbt.
Da Rosa eine Mädchenfarbe ist, kann ich der Versuchung nicht widerstehen, etwas Männliches zu tun. Daher sammle ich in der Dämmerung Holz und tanze um mein unglaublich maskulin entfachtes Feuer, während Gudi im Camper amüsiert ein Buch liest.
Gudis glorreiche Gesetze:
Ich bin nicht krank, ich entwickle nur langsam eine Allergie gegen deine Stinkefüße!
Hiermit verkünde ich offiziell, dass ich – ganz offensichtlich und anatomisch nachweisbar – an meinen Stinkefüßen mehr hänge als an Gudi, weshalb ich nicht plane, sie zu waschen. Haben sie mir die Einreise nach Neuseeland doch erst ermöglicht, wäre es mehr als undankbar, mich ihrer zu entledigen. Außerdem betrachte ich riechende Plattfüße im Land der Hobbits als absolute Notwendigkeit.