Harry Potter and the Chaos of the Phoenix
Harry Potter and the Chaos of the Phoenix
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Die goldenen Zwanziger

Veröffentlicht: 27.10.2023

Weißt du noch, als du in der 1. Klasse warst und dir die 4.-Klässler so unglaublich alt und erwachsen vorkamen? Und du dachtest, sie hätten das perfekte Leben? Du wolltest unbedingt so sein wie sie. Als du dann in der 4. Klasse warst, waren es die 13/14-jährigen. Mit 14 wollte ich 17 sein und 20-jährige kamen mir soo erwachsen vor. Mit 18 dachte ich, meine 20er Jahre würden vielleicht etwas mehr sein wie das Leben von Serena van der Woodsen oder Rachel Green. Ich dachte, in seinen 20ern hat man ganz viel Spaß, feiert ununterbrochen, erlebt tolle Sachen, datet viel, liebt sein Leben, ist einfach glücklich und lebt im Moment. Genauso wie ich mit 8 dachte, ich würde mit 13 soo cool und erwachsen sein. Aber vielleicht haben die 20er eine andere gesellschaftliche Konnotation. In deinen 20ern sollst du wild sein, aber nicht zu wild, um deine Zukunft nicht aufs Spiel zu setzen, du sollst den Grundstein für eine erfolgreiche Karriere setzen, deine 20er determinieren den Rest deines Lebens, dennoch sollst du dich und das Leben nicht zu ernst nehmen, frei sein, deine ersten Beziehungen haben und wer am Ende der 20er keine Aussicht auf eine stabile Familie hat, hat quasi schon verloren. Du sollst langsam finanziell unabghängig werden, dich gesund ernähren, aber kein Spießer sein. Du sollst schlank und sportlich sein, aber feiern gehen und möglichst viel Substanzen in dich reinkippen. Du sollst viele Freund- und Bekanntschaften haben, das heißt, du musst dich anpassen. Risiko eingehen, aber keine schlechten Entscheidungen treffen. Und ganz wichtig: du sollst dich selbst finden. Deine Essenz kennenlernen, dich lieben wie du bist, selbstbewusst sein. Dir deiner Stärken und Schwächen bewusst werden und lernen, sie zu deinem Vorteil zu nutzen. Verschiedene Erwartungen von verschiedenen Gesellschaftsgruppen. Aber in jedem Fall viele Erwartungen. So viele Erwartungen, von denen ich nahezu keine zu erfüllen scheine. Wieso fühle ich mich oft mit 21 wie ein Kind, wenn meine Mama mit 23 ihr erstes Kind bekommen hat? Fühle ich mich auch noch mit 30 wie ein Kind? Muss ich mich vielleicht doch auf eine berufliche Karriere vorbereiten? Auch wenn das gar nicht nach dem Leben klingt, das ich leben möchte? Und muss ich mir überhaupt Gedanken um meine Zukunft machen, wenn die Welt in diesem Ungewissheitszustand stillzustehen scheint? Niemand handelt, während um uns herum die Wände anfangen zu bröckeln. Manchmal fühle ich mich klein und machtlos und ziehe in Erwägung, mich mehr in Richtung einer Zukunft gemäß unserer wundervollen kapitalistischen Leistungsgesellschaft zu orientieren. Aber ich merke immer wieder und immer mehr, dass das nicht zu mir passt, da sehe ich mich nicht. Ich muss meine 20er nicht darauf ausrichten, später 40 Stunden die Woche auf einem Bürostühl irgendwo im Ruhrpott ein Burnout zu entwickeln. Oft fühle ich mich etwas verloren, weiß nicht, was auf mich zukommt. Ich fühle mich schuldig, weil ich mich gegen das Lebensmodell entscheide, das oft von Gesellschaft und vielen Familienmitgliedern erwartet wird. Es gibt so einen Weg, der ist schon vorgezeichnet. Bisher nur mit Bleistift. Du sollst ihn mit Permanentmarker nachfahren. Alle wissen sofort, wenn du aus der Linie malst. Und aus der Reihe Tanzen wird hart bestraft. Nicht von allen, aber meist von denen, die Macht oder Autorität besitzen. Ich merke immer mehr, wie egal mir das wird. Vielleicht ist das Erwachsenwerden. Endlich für sich leben und nicht für andere. Und manchmal ist das Leben doch genau so, wie in Sex and the City oder New Girl oder How I Met Your Mother. Ich bin in meinen 20ern und fühle mich wie ein Kind. Ich treffe oft "schlechte" oder "unverantwortliche" Entscheidungen. Sehr oft. Ich trinke ausversehen Emma im Club, küsse Menschen, die ich eigentlich gar nicht küssen will, schreibe schlechte Noten, weil ich unbedingt auf diese eine Party gehen musste, weil mir diese eine Person so gut gefällt. Die mir am Ende wehtun wird. Ich bin viel zu oft am Handy oder gucke dumme Ami-Serien, während ich auch lesen könnte. Ich sage meine Meinung zu laut an Orten, an denen ich besser die Klappe halten sollte. Manche "Erwachsenen" haben ein schlechtes Bild von mir. Manchmal bin ich nicht sozial genug. Manchmal möchte ich mich 3 Tage lang mit niemandem verabreden. Mache wochenlang keinen Sport. Ich habe seit der 9. Klasse kein Praktikum mehr gemacht, obwohl mir meine Schwester immer wieder sagt, wie wichtig das sei, um später einen guten Job zu bekommen. Ich komme immer und überall zu spät. Manchmal geht es mir mental nicht gut und ich möchte nicht rausgehen. Ich bin zu "extrem", zu radikal und wofür ich mich einsetze, ist "utopisch". Aber ist das nicht alles Teil dieser besonderen Zeit? Eine Zeit, in der man sich orientiert und lernt und entdeckt und kennenlernt? Meine letzten 2 Jahre waren viel Chaos, viel Handeln nach Intuition, viel Politik, wenig Zukunft, viele Selbstzweifel und wenig Arbeit, viel Trinken, Tanzen, wenig Denken. Und gleichzeitig zu viel Denken. Doch manchmal gibt es diese Momente, in denen ich weiß, dass das hier meine 20er sind und sie genau so sein sollen. In dieser Zeit darf ich egoistisch sein und die Uni vernachlässigen, um das zu tun, was mir wirklich Spaß macht. Ich darf aus der Reihe tanzen und unendlich viele Fehler begehen, ich darf radikal sein und mich lautstark für das einsetzen, was ich für richtig halte. Ich darf auf mich und meinen Körper hören und wenn ich es nicht tue, darf ich daraus lernen oder auch nicht. Das alles ist meine Sache. Ich darf soviele Poster an meine Wand hängen, wie ich möchte, ich darf mein Leben genauso kreativ gestalten wie meine Wand. Solange ich vermeide, meinen Mitmenschen zu schaden (außer sie sind CDUler), ist das moralisch alles in Ordnung. Ich darf zu viel und zu wenig lieben und die falsche Person lieben und krank werden, weil ich zu viel getrunken habe, darf den Flug verpassen oder mich 2 Mal in 2 Wochen aussperren, darf zu viel Geld ausgeben und mich unverstanden fühlen, von der ganzen Welt. Ich darf meine 20er romantisieren. Ich darf das heute und werde das auch in 10 und 20 Jahren noch dürfen. Und in diesen Momenten fühle ich mich wie die Hauptfigur eines Coming-of-Age Films, die minutenlang mit geschlossenen Augen auf irgendeinem Platz in einer Millionenstadt steht und das Leben wertschätzt. Manchmal denke ich, ich lebe genau die 20er, auf die ich mal zurückblicken werde und denke, sie waren wundervoll und frei und federleicht und voller Schmetterlinge und sehr viel Glück, dass man aus so vielen brenzligen Situationen lebendig rausgekommen ist. Im Nachhinein werden sie sich anfühlen wie die Coming-of-Age Filme, in denen Verwirrt- und Unsichersein auf einmal das Romantischste der Welt ist und vielleicht wirst du verdrängen, dass diese Momente in der Gegenwart wenig romantisch, sondern vor allem emotional aufwühlend und einsam waren und im Hintergrund nicht "Somewhere Only We Know" gespielt wurde, wenn du mal wieder weinend im Bett lagst. Aber Gebrochene Herzen, zu viele Zigaretten, Träumereien, Gesetzesbruch, Sehnsucht, Unsicherheit, Chaos, nicht-lineare Entwicklungen, viel Glitzer, leidenschaftliche Küsse, vermeidbare Krankenhausbesuche, das sind doch alles Begleiterscheinungen der goldenen 20er. Und wenn du magst, können deine 30er und 40er genauso gold werden.

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