Veröffentlicht: 16.10.2018
Herzlich Willkommen im Haschemitischen Königreich von Jordanien!
Wo fange ich nur an zu erzählen? So viele unterschiedliche Eindrücke habe ich in den letzten 2,5 Wochen mitgenommen. Dabei erscheinen sie auf Anhieb sehr gegensätzlich.
Die Damen sind grundsätzlich mit einem Kopftuch (Hijab) verschleiert, nur ganz selten sieht man Frauenhaar auf offener Strasse. Auf der anderen Seite sind es eher die Damen, die im Cafe oder Restaurant eine Shisha bestellen und im Kreise von weiblichen Familienangehörigen oder Freundinnen dampfend die neusten Themen austauschen. Trotz der Hijab gibt es viele, insbesondere jüngere Frauen, die dennoch geschminkt und mit enganliegenden Jeans unterwegs sind.
Das Jordan Museum in Amman verkündet stolz, dass 93 % der jordanischen Frauen des Lesens und Schreibens mächtig sind und dass 20 der 130 Sitze im Parlament mit Frauen besetzt sind. Dennoch liegt die Erwerbstätigkeit der Frauen bei nur 15 %. Das Thema Haushalt und Kindererziehung - die durchschnittliche Familiengröße beträgt 5,4 Personen - liegt überwiegend bei den Frauen. Meine wenigen und zugegebenermaßen amateurhaften Beobachtungen zeigen nicht unbedingt, dass die Beziehungen zwischen Mann und Frau vom Mann dominiert werden. Wobei ich meine, vereinzelt registriert zu haben, dass sich Väter doch ein bisschen intensiver und liebevoller um die Söhne als um die Töchter kümmern.
Sehr traditionell kommt allerdings die Heiratsanbahnung daher. Ein netter Mitzwanzigjähriger hat mir das so erklärt. Wenn mann/frau Interesse am Gegenüber hat, so wird zunächst der Kontakt über Freunde und dann bei facebook gesucht (95 % der Jordanier haben ein Handy) und ausgiebig gechattet. Sollte man den Drang haben, sich in Realität sehen zu wollen, so kann das Ganze nur im Geheimen stattfinden, da eine Beziehung ohne Heiratsabsicht nicht denkbar ist. Und so trifft man sich dann morgens um 4 Uhr an einem Ort, der hoffentlich wenig besucht ist und macht, was man halt so macht, wenn man frisch verliebt ist (soweit ich das verstanden habe auch ohne Einschränkung!). Sollte das Interesse wachsen, die Beziehung offiziell zu machen, so bittet der Junge die eigene Familie um die Anbahnung mit der anderen Familie. Selbstverständlich nur, wenn die begehrte Dame den gleichen Wunsch hat. (Die junge Frau wird beim Amt gefragt, ob sie das auch möchte, wenn nicht, wird der Heirat nicht stattgegeben.) Die Familie des Jungen wird nun erstmal checken mit wem sie es denn zu tun hat. Bei grünem Licht wird offiziell um die Hand der Tochter gefragt. Bei der Verlobungsfeier handeln dann die männlichen Vertreter (jede ledige oder verwitwete Frau unter 40 hat einen männlichen Vormund) beider Familien den Preis aus, der dann in Gold, Geld oder anderen Gütern bezahlt wird. Obligatorisch sind 500 Dinar (600 Euro) für die Brautmutter, die das Geld dafür verwendet, der Tochter hübsche Sachen zu kaufen. Es gibt aber auch Familien, die keine Gegenleistung verlangen, das seien dann besonders gute Familien.
Ab dem Zeitpunkt der Verlobung, also der Eintragung beim Amt ist bereits der Verlobte der rechtmäßige Ehemann. Die Heirat ist nur noch ein gesellschaftlicher Akt, der jedoch 3 Tage dauert. Der erste ist für die Damen, der zweite für die Herren und am dritten holt der Bräutigam die Braut im Elternhaus ab und gibt ihr ein neues Zuhause.
Man sagt pro Frau bedarf es einem Haus. Die Zeiten der Polygamie scheinen allerdings größtenteils vorbei zu sein. Wobei ein Großvater eines Freundes meines Gesprächpartners zählte 31 Kinder, deren Namen er bei weitem nicht auseinander halten konnte.
Das Durchschnittsalter der 9,5 Mio in Jordanien lebenden Menschen beträgt 22,3 Jahre. Übrigens, wenn wir Deutschen meinen wir hätten viele Flüchtlinge aufgenommen, können wir uns gerne mal mit Jordanien vergleichen. Man geht von 1,5 Mio Syrern aus, die in den letzten Jahren hergekommen sind. Es soll ganz patente Lager geben, eines davon in Aqaba, in dem den Leuten auch entsprechend Arbeit gegeben wird. Vor ein paar Tagen wurde die Grenze zu Syrien wieder aufgemacht. Es ist also mit weiteren Asylanträgen zu rechnen.
Seit 70 Jahren nimmt Jordanien Palästinenser auf. Von den knapp 10 Mio. kommen 2,3 Mio aus dem Westen. Auch wenn viele gut integriert sind, so scheint es immer noch viele zu geben, die sich immer noch nicht heimisch fühlen.
Die Historie zeigt schon, dass das Land eine Menge Nationalitäten, Religionen und Weltanschauungen kommen und gehen gesehen hat. Erst die Griechen, dann die Römer, zwischendurch die Osmanen und selbstverständlich die Nabatäer (erste arabisches Reich), das Volk, dass vom Verlauf der Seidenstrasse und dessen Handel ordentlich profitiert hat und mit Petra sich ein Denkmal gesetzt hat, was seines Gleichen sucht.
Das Beeindruckendste an dem riesigen Areal ist die Versorgung mit Wasser in einer Wüste. Zeitweise müssen dort mehr als 20.000 Menschen gelebt und Tag für Tag den Stein behauen haben, die mit ausreichend Wasser und Essen versorgt werden mußten, um die zukünftigen Grabmäler der Herrschenden fertigzustellen. Die Beduinen, die seit der offiziellen Ernennung als UNESCO-Weltkulturerbe in ein naheliegendes Dorf verpflanzt wurden, halten sich dennoch in ihrer Heimat auf und verkaufen Transport mit Esel, Kamel oder Muli, Essen/Trinken oder Souvenirs.
Und dann gibt es ja noch das gelobte Land, dass man als katholisches Mädchen aus dem Religionsunterricht kennt. Mal von der schönen Aussicht abgesehen, es ist schon ein erhabenes Gefühl, dort zu stehen, wo Mose von Gott das gelobte Land gezeigt bekommen hat. Oder die Kirche von Johannes dem Täufer, dem ganz in der Nähe der Kopf abgeschlagen wurde.
Das tote Meer ist genauer gesagt ein See, der seit Jahren durch die zunehmenden Entnahmen des speisenden Jordan kontinuierlich schrumpft. Am tiefsten Punkt der Erde angekommen, 428 m unter dem Meeresspiegel, läßt es sich herrlich treiben auf der wasserähnlichen und doch gleichzeitig ganz andersartigen Flüssigkeit. Der Salzgehalt von 33 % liegt 10 mal so hoch wie in einem normalen Meer (3,8%), weshalb es auch nur bakterielles Leben dort gibt.
Tja, welchen Eindruck nehme ich von Jordanien mit?
Es gibt viele ganz nette und fürsorgliche Menschen, die ausgesprochen ehrlich und aufgeklärt durchs Leben gehen und ihre Meinung unter Rücksichtnahme der gängigen Verhaltensregeln äußern. Die üblichen Taxifahrer-Abzock-Manieren halten sich in Jordanien wirklich sehr in Grenzen.
Man sagt Jordanien ist unter den arabischen Ländern mit am weitesten. Ohne alle andere gesehen zu haben, würde ich das bestätigen. Es gibt auch ganz viele und tolle andere Reisende aus der ganzen Welt, die mir meinen Aufenthalt sehr angenehm gemacht haben.
Auch wenn Krisengebiete auf der Landkarte sehr nah erscheinen, ich habe nicht die geringste Kleinigkeit davon mitbekommen. Ich kann nur jeden ermutigen, dieses Land, das zwischen Tradition und Moderne schwebt, zu besuchen und sich ein eigenes Bild zu machen.