Veröffentlicht: 04.08.2017
03:00 Uhr: unverschämt brutal riss der Wecker uns aus dem Lummerland
04:00 Uhr: Nach einem Frühstück unter Kirschbäumen auf unserem Campingplatz gestaltete sich die Abfahrt etwas schwierig. Um unsere Mitcamper nicht auch um ihrem heiligen Schlaf zu bringen, versuchten wir mit aller Kraft den Volvo aus der Matschwiese zu schieben. Stand uns super der Schlamm bis an die Knöchel. Das Auto allerdings rollte leider in die falsche Richtung. Also doch kollektives Aufwachen bei Lofthus Camping.
05:00 Uhr: Unterwegs beging ein Vogel Selbstmord, indem er sich vor die Windschutzscheibe stürzte. Muss ein mords Drum von Vogel gewesen sein, so wie das schepperte. Danach waren wir wach. Erst am Parkplatz fanden wir ihn eingeklemmt zwischen Dachträger und Dachbox. Genauer gesagt fand Leon ihn und durfte ihn direkt in sein kuscheliges Grab begleiten. Auf Empfehlung eines hilfsbereiten dreiteiligen holländischen Gespanns, die sicher wussten, dass weiter oben keine Parkmöglichkeit sei, ließen wir das Auto auf eben diesem Parkplatz stehen und bezahlten brav das 150 NOK teure Tagesticket. Von dort aus starteten wir die angeblich 11km lange Wanderung (one way) zur sog. Trolltunga (dt. Trollzunge), einem begehbaren Felsen, der meterhoch in einen Fjord hinausragt.
05:30 Uhr: Wir wunderten uns wirklich, wohin die ganzen Autos verschwinden, die blöd grinsend an uns vorbei fuhren
06:15 Uhr: 6 km später erreichten wir den Parkplatz, der ursprünglich Ausgangspunkt für diese Wanderung sein sollte. Immerhin hatten wir keine 300 NOK/ 16 Stunden Parkgebühr bezahlt. Erst hier bemerkten wir, dass man noch weitere 4 km hätte nach oben fahren können - für stolze 500 NOK. Wir schlossen uns dem Strom top gestyleter Wanderer an - mit einem klaren Vorteil: wir hatten schon eine 6 km lange Aufwärmrunde hinter uns.
06:30 Uhr: Schweißausbrüche vom allerfeinsten
07:00 Uhr: weitere 3-4 km später ein Schild, das verriet, dass hier nun der Trekkingweg zur Trolltunga startete. Öhm? Was war das davor dann? Auf diesen Schock war ein Päuschen nötig. Wir packten also erstmal die Brotzeit aus.
10:15 Uhr: Nach 5 Stunden 15 Minuten (inklusive unserer Fleißrunde direkt zu Beginn) hechelten wir zielstrebig am Ziel vorbei, erreichten dieses jedoch weitere 15 Minuten später völlig durchgeschwitzt und mit brennenden Schenkeln. Knapp 1500 Höhenmeter über Schneefelder, Geröll, Matsch und kleine Bäche sind nicht ohne. Mir war nach einer ordentlichen Gipfelhalbe, den Aufstieg feiern, aber ich verstand schnell, was stattdessen der erste Programmpunkt war: Fotoshooting auf dem Felsen. Richtig geil ist Mensch auf diese Bilder, jeder braucht gleich mehrere in den verschiedensten Posen. - Und hundert Wartende sehen dabei zu oder knipsen wild mit ihren Handys und Kameras durcheinander. Am unterhaltsamsten waren übrigens die Shootings der asiatischen Touristen. Genauer gesagt die Dünne mit der pinken Jacke. Wie gesagt, top gestylet. Wir persönlich empfanden das Modeldasein als sehr unangenehm, wollten dennoch natürlich jeder ein Beweisfoto von der Trollzunge. Und zugegebenermaßen ist die Kulisse auch wirklich atemberaubend. Nur bin ich mir nicht sicher, ob ein einziges Foto solche Anstrengung wert ist.
11:15 Uhr: Mit den Bildern in der Tasche, traten wir den Rückzug an
11:45 Uhr: Endlich - die verdiente Gipfelhalbe und eine deftige Brotzeit im Windschutz hinter einem Stein
15:45 Uhr: Trotz kleiner Wehwehchen wie offenen Fersen und Bauchkrämpfen fanden wir uns 4 Stunden später stöhnend vor Erschöpfung und vor Erleichterung jauchzend am offiziellen Ausgangspunkt wieder. Vielleicht als Entschädigung für das viele Grau am Nordkap hatten wir den lieben Gott heute wettertechnisch auf unserer Seite. Während des Gehens immer ein leichtes Lüftchen um die Nase, wenn sehr anstrengend war auch ein paar Tröpfchen zur Abkühlung und pünklich für die Fotos strahlender Sonnenschein. Ja sogar Rückenwind hatten wir! Lediglich die letzten 6 km brach ein Regenschauer über uns herein. Ziemlich durchnässt wollten wir beim besten Willen die Fleißrunde zum Auto runter nicht mehr gehen, als ein Paar aus Taiwan anbot, uns mit hinunter zu nehmen. Wir „kannten“ die beiden vom Fotoshooting ... unvergesslich diese pinke Jacke! Umso dankbarer waren wir für das Taxi. Vor dem Aussteigen bezahlten die beiden uns noch mit Apfelkuchen aus Taiwan. Wofür? Für die gute Unterhaltung natürlich.
17:00 Uhr: Zurück auf dem Campingplatz ein kurzes Fazit. Glücklicherweise hatten wir vorher keinen blassen Schimmer, worauf wir uns da einließen. Jetzt, frisch geduscht und mit vollem Magen, sehen wir stolz wie Oskar die tollen Bilder an und könnten auf der Stelle einschlafen. Wer Spaß am Wandern hat und vorzugsweise auch etwas Erfahrung damit, kann einen ganzen Tag lang eine spektakuläre Landschaft genießen. Nur des Fotos wegen ist jedoch die Anstrengung zu groß und bei Regen ist auch der Weg teils durchaus anspruchsvoll.