Veröffentlicht: 02.09.2018
Dienstag, 28.08.2018
In großer Vorfreude auf eine hübsche idyllische Hafenstadt mit alternativen Surferboys stiegen wir nach 3 Stunden Fahrt von Marrakesch nach Essaouira aus dem Bus. Früher war Essaouira eine Pilgerstätte für Hippies aus der ganzen Welt, von denen sich einige dort niederließen und mit kleinen Surfläden den Hafen zu neuem Leben erweckten. Wir hätten uns also denken können, dass Essaouira mit seinen rund 80000 Einwohnern doch etwas städtischer als z.B. Mauerstetten ist. Zudem sieht man, dass die alten Hausmauern seit vielen Jahrhunderten unter den teils heftigen Passatwinden zu leiden haben. Dennoch dauerte es nicht lange und wir waren dem Charme der blau-weißen Stadt verfallen. Bei einem Besuch im 3 km entfernten Carrefoure, dem einzigen großen Supermarkt der Stadt, in dem Handeln einem großen Plakat zufolge eher unerwünscht ist, deckten wir uns mit Wasser, Limo, Obst und anderen Snacks für die nächsten Tage ein. Die Essenssuche in der Medina Essaouiras gestaltete sich aufgrund der großen Auswahl sehr schwierig - aaaber wir hatten mal wieder den richtigen Riecher und konnten die besten Pommes unseres Lebens genießen! Danach gab‘s noch eine Runde happy Preisefeilschen auf dem Markt, wobei eine frische Brise wehte und uns zurück ins Hostel trug.
Mittwoch, 29.08.2018
Heute galt es einige Dinge bezüglich unserer Reisepläne zu klären: Wohin geht es am 01.09. weiter? Und wie kommen wir dort hin? Außerdem kamen wir ja nach Essaouira, um an einem Surfkurs teilzunehmen - Leon Kite Surfen, ich klassisch. Nachdem wir uns am Strand stichprobenartig durch die Surfshops gefragt hatten, mussten wir einsehen, dass das Surfen für uns flach fällt. Für‘s Kite Surfen unterscheiden sich Leon‘s Preisvorstellungen und die der Surfschule zu stark und für mein klassisches Surfen wehen aktuell schlichtweg die falschen Winde. Zum Trost werden wir in den nächsten Tagen hier mal ein Hamam aufsuchen. Diese ganze Organisation führte uns an diesem Vormittag mit Windesrauschen im Ohr und salziger Seeluft in der Nase am atlantischen Sandstrand entlang. Ich glaube wirklich, die gesamte Stadt war dort versammelt: die Kleinen im Fußballtraining, die Jugendlichen beim Basketball, die Männer oben ohne beim Sonnenbaden oder Kaffeetrinken und die Frauen komplett bekleidet im Meer. Ich versuchte mich einmal wie die Surfergirls in knapper Kleidung (d.h. lange Hose, schulterfrei). Kann man machen, wenn man die fordernden Blicke in Kauf nimmt. Mir wurde das sehr bald sehr unangenehm, sodass ich mir am Fischerhafen die lange Bluse wieder überzog. Dort am Hafen herrschte wildes Treiben: Mövenscharen flogen durch die Lüfte, einige Fischer restaurierten liebevoll ihre Boote und andere boten ihren heutigen Fang am Fischmarkt an. Da lagen kleine Fische, Größere, Aale, Rochen, allerlei Muscheln und sogar Haie auf den Verkaufstischen. Dann, wie soll ich sagen, hatte ich eine sog. „Magenverstimmung“ (Details lasse ich hier aus), von der ich mich ehrlich gesagt im Hostel erstmal etwas erholen musste... Ich hätte mich sicherlich besser gefühlt, hätte ich mich duschen und etwas frisches anziehen können - doch leider gab‘s nix Frisches mehr. Also, ran an die Wäsche, fertig, los. Nachdem Leon´s Dreckwäsche durchgewaschen war, beschloss er seine nassen Stücke auf die Dachterrasse zu begleiten, dass sie auch bestimmt fein in der Sonne trocknen. Na gut, fairer Weise muss ich erwähnen, dass er mir zuvor die nasse Wäsche auszuwringen half, bis er Bläschen an seinen Handflächen bemerkte. Echte Hausfrauenhände! Ich jedenfalls wusch und schrubbte weiter meine übrige Wäsche und als ich gerade - inzwischen schweißgebadet - die letzten Teile aus dem Waschwasser fischte, erschien Leon wieder im Zimmer: es seien Shirts runtergefallen, die nun wieder dreckig sind. Also Wasserhahn auf und noch einmal das schöne Spiel. Schlussendlich spannten wir eine Leine durch unser gesamtes Zimmer, rissen alle Fenster und Türen auf und trockneten Hemdchen und Höschen in der Zugluft.
Donnerstag, 30.08.2018
Wie ein altes Ehepaar brachen wir nach dem Frühstück zu unserem morgendlichen Strandspaziergang auf, beobachteten einige Zeit das Treiben der Jugend von heute und machten anschließend Hamam und Massage für den darauffolgenden Tag fix. Am meisten freute Leon sich über meine bevorstehende Massage, weil er überzeugt ist, sein Massagejob sei damit für diese Reise erledigt. Wir bahnten unseren Weg zurück in Richtung des Hostels, um uns bei frischen Feigen vom Markt einem ausgiebigen Sonnenbad mit Buch und Kniffel auf der Dachterrasse hinzugeben. Ein jüdisches Fest füllte die Strandpromenade tagsüber aber insbesondere am Abend mit vielen Menschen und großem Polizeiaufgebot - wir mittendrin. Zur Feier des Tages gab es ganz nobel Pizza für uns, im Hintergrund spielte ein Gitarrist live Loungemusik. Vielleicht aus Fürsorge, ich befürchte allerdings eher aus Sorge um die edle Loungeatmosphäre im Restaurant, warnte die freundliche Bedienung uns ausdrücklich vor einer besonders scharfen Sauce. Damit war Leon´s Neugier geweckt und die halbe Tube auf seiner ohnehin schon scharfen Diavola. Die darauffolgenden Minuten verbrachte er damit, möglichst nicht vom Feuer in seinem Mund laut aufzujodeln und einmal im Kreis zu hüpfen. Hihi. Gesättigt und bestens gelaunt sang ich auf dem Rückweg vor mich hin, doch weder mit „Bella Ciao“, noch mit „Brüderchen komm tanz mit mir“ konnte ich punkten. Jetzt habe ich Gesangsverbot. Das ist doch nicht fair, oder?
Freitag´, 31.08.2018
„Absolut relax“ sollte das Motto dieses Tages sein. Getreu dessen machten wir uns früh morgens (11 Uhr vormittags) auf den Weg ins kleine Paradies Essaouiras namens Azur Spa. Ehrlich gesagt kann ich mich außer an Heiligabend kurz bevor es Geschenke gibt an keinen Moment erinnern, an dem Leon so aufgeregt und unsicher wirkte, wie an diesem Morgen. Er spielte sogar mit dem Gedanken, sein gebuchtes Hamam mit anschließender Nacken-Schulter-Massage abzublasen. Doch das konnte ich nicht zulassen. So fanden wir uns kurze Zeit darauf in weiche Bademäntel gewickelt, darunter einen Plastikstring, in den hübschen Behandlungsräumen des Azur Spa. Dort trennten sich unsere Wege, Leon wurde mit Händen und Füßen von den zierlichen Damen ins Hamam gescheucht, ich folgte einer weiteren Frau in den Massageraum. Als wir uns etwa anderthalb Stunden später jeweils mit einem Gewürztee bei den Ruheliegen trafen, sah ich sofort: Leon hat’s gefallen. Im Dampfbad sei er regelrecht eingedöst, mit schwarzer Seife von oben bis unten (ja, auch die Füße … auch, wenn die Frau dabei fast von Leon´s unkontrollierten Zuckung, weil kitzlig, getroffen wurde) abgeschrubbt, gewaschen und am Ende ausgiebig massiert worden. Mir gefiel es ähnlich gut, sodass wir zweieinhalb Stunden später entspannt und glücklich den Salon wieder verließen. Bevor wir uns im Hostel etwas erholen wollten, führte unser Weg noch auf einen Abstecher an den Busbahnhof, um das Ticket für den Nachtzug nach Tangier zu kaufen. Auf das, was dann geschah, waren wir nicht vorbereitet. Zum Einen hatten die Damen und Herren dort eine schlechte Nachricht für uns, zum Anderen waren sie dermaßen unfreundlich, dass ich mich stundenlang nicht davon erholte. Aber langsam. Die schlechte Nachricht lautete, dass unser Zug gecancelt wurde und wir entweder direkt den Transfer in 60 min nehmen oder mit dem Nachtzug in zwei Tagen fahren müssen. Erst nach einigem Hin und Her wurde uns noch eine Möglichkeit für den folgenden Tag untertags dargelegt. 14 Stunden: erst Bus nach Marrakech, dann mit dem Zug nach Casablanca und von dort mit einem anderen Zug nach Tangier. Obwohl wir dann eine Nacht ohne Unterkunft dastanden, wählten wir diese Option und unternahmen anstelle des Erholungsnachmittags auf der Dachterrasse einen langen Spaziergang zum nächsten Supermarkt, um uns mit Wasser und Snacks für den bevorstehenden Trip in den Norden Marokkos einzudecken. Egal in welchem Zusammenhang wir bisher mit Marokkanern zutun hatten, im Nachhinein fühlten wir uns ausnahmslos abgezockt oder unfair behandelt. Und wir lächeln immer schön freundlich und zeigen uns bemüht, ihre Werte zu respektieren (Kleidung zB.) - immerhin sind wir ja zu Gast. Wir sind doch genauso Menschen, wie sie auch. Sehen vielleicht anders aus, praktizieren andere Bräuche, leben anders, und trotzdem gibt das doch weder ihnen, noch uns die Erlaubnis, uns von vorne bis hinten abwertend zu behandeln - sei es beim Thema Geld, oder mit Blicken. Um alles müssen wir kämpfen, so oft fühlten wir uns schon völlig fehl am Platz, jeden Preis soll man runterhandeln (und wenn man es nicht macht, wurde man erst recht verarscht) … ich frage mich ehrlich, ob das, selbst wenn man damit aufwächst, glücklich machen kann? Leon und mir jedenfalls liegt diese Manier einfach nicht, im Gegenteil, mit der Zeit machte es vor allem mich wirklich aggro. Genau das wurde auf dem Weg zum Supermarkt ziemlich deutlich, erzählte Leon mir abends. Ja, wir haben aktuell sozusagen die Schnauze ziemlich voll. Nichtsdestotrotz wollen wir auch die zweite Hälfte der Reise noch genießen, oder zumindest mit in die Schublade „Erfahrungen“ legen. In diesem Sinne taten wir es all den jungen Marokkanern gleich und aßen in einer Art Dönerbude ein super billiges, wirklich leckeres Sandwich mit Pommes. Um die Wirtschaft zu unterstützen, kauften wir anschließend noch ein Hamamtuch für Leon (weil es ihm gar so gut gefiel) und ein Arganöl für mich (weil ich es wirklich nötig habe). Morgen geht es laut Ticket um Punkt 9 Uhr vom insgesamt doch entspannten, windigen Hafenstädtchen Essaouira in Marokkos Norden. Daumen drücken, dass alles rund läuft.