Tag 33 - Standpauke

Mein Freund Javier ist heute nicht zur Schule gekommen. Vielleicht habe ich ihn verschreckt. Indem ich ihm gestern ein Schreibheft schenkte, mit den Linien der ersten Klasse, zum Schreiben üben. Plus Hausaufgabe. Das letzte war wahrscheinlich zu viel. Ich wüsste gern, was bei ihm zuhause abläuft. Vielleicht muss er nach der Schule seine jüngeren Geschwister versorgen. Oder er muss gegen Widerstände kämpfen, um überhaupt ins Projekt kommen zu können. Weil er mit seinen 15 Jahren eigentlich schon zum Lebensunterhalt beitragen sollte. Vielleicht ist er auch einfach nur stinkfaul. Mal sehen, ob er morgen wieder auftaucht.

Heute war der internationale Tag der Standpauken. Jedenfalls bei Professor Luis. Die “Cats“ haben gestern einen kleinen Test geschrieben. Um zu sehen, wo die Kinder stehen. Eigentlich lächerlich einfach, weil Luis die Aufgaben samt Lösung vorher verteilt hat. Alle hatten über das Wochenende Zeit zu lernen. Das Ergebnis ist niederschmetternd: “mein“ Manuel hat 90 von 100 Punkten erreicht, zwei Schüler 70 und der Rest zwischen 0 und 20 Punkten. Luis redete fast eine Stunde lang. Es war mucksmäuschenstill. Er hat eine Art, mit den Kindern zu schimpfen, ohne persönlich zu werden, und so, dass alle merken, wie wichtig ihm seine Arbeit und das Wohl der Kinder sind, phänomenal. Er hat etwas ganz anderes studiert, arbeitet seit 7 Jahren hier und hat einen gut bezahlten Job dafür abgelehnt. Trotzdem muss es Konsequenzen haben. Im Januar, nach den Ferien, wird der Test noch einmal geschrieben. Wahrscheinlich gibt es erst dann das Weihnachtsgeschenk. Am Ende fragte Luis dreimal: “Also, was werdet ihr zukünftig tun?“ - Alle: “Lernen!“, jedes Mal etwas lauter. Dann waren sie entlassen. Zwei Minuten später habe ich Teodoro gefragt: “Also, was wirst Du tun?“ - Antwort: “Ich gehe spielen!“.

Temperatur 32 Grad, mäßiger Wind, kaum Wolken.