Ein ganzes halbes Jahr Kanada
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Workaway und Autokauf in Cowichan Valley

Veröffentlicht: 06.05.2019

You wanna start a fire?
It only takes a spark
You gotta get behind the wheel
If you ever wanna drive that car

You wanna start a fight?

You gotta take the swing
Gotta get your hands in the dirt
To see what the harvest will bring

                                                 Bon Jovi


Mein zweiter (zweiwöchiger) Workaway-Aufenthalt war bei einer Familie mit zwei Kindern (11-jähriges Mädchen und 15-jähriger Junge) auf einer Hobbyfarm, der „Any Fool’s Farm“. Da das Ehepaar berufstätig ist, produzieren sie auf der „Farm“ nur für den Selbstbedarf. Es gibt dort immerhin 7 Hühner, eine Katze, zwei Gemüsegärten, viele Beerensträucher und eine Menge Unkraut. Und Rehe und Hasen, die sich spätestens in der Dämmerung in den Garten gesellen und nicht besonders scheu sind. Zu ihrem Land gehört auch ein großer Wald, in dem ich mal Brennnesseln ernten durfte – für eine Suppe (lecker), Lasagne (sehr lecker) und pur als Pfannengemüse (ekelhaft!). Ich arbeitete jeden Tag alleine 5 Stunden in dem Garten und die Arbeit war hart, zugegebenermaßen. Machte aber auch Spaß. Zu meinen Aufgaben gehörte viel Unkrautjäten. Ich grub einige Beete um, entunkrautete die Beerensträucher, die Blumenbeete, verteilte neue Erde und pflanzte Karotten und Salat. Und fütterte die Hühner. Die waren immer sehr neugierig, was ich tat, wenn ich in ihrer Nähe arbeitete, denn es könnte ja was zu fressen abfallen. Einmal büxten sie aus, als ich alleine war, (nicht meine Schuld!) und kamen mir entgegen, als ich den Garten betrat. Glücklicherweise folgen sie einem brav auf Schritt und Tritt und so musste ich nicht alle einzeln einfangen.

In der Zeit kam ich wenigstens ein bisschen dazu, die Gegend zu erkunden. War zum Schluss auch leichter, als ich endlich mein eigenes Auto hatte. Ich besichtigte natürlich Duncan – eine ziemlich langweilige Kleinstadt, von außen recht hässlich, aber die Altstadt ist ganz nett mit den vielen kleinen Läden und den Totempfählen, von denen an jeder Ecke mindestens einer rumsteht. Dann machte ich eine kleine Wanderung im Glenora Park, im Stoney Hill Park und besuchte Cowichan Bay und Genoa Bay. Alles sehr schöne Orte, wie ihr auf den Fotos vielleicht sehen könnt.

Außerdem machte ich meine erste Bergwanderung, auf den verhältnismäßig kleinen Mount Prevost, auf dem mich die wundervolle Aussicht aber sehr bezauberte. Das war auch der Tag, an dem ich meine erste Bärenbegegnung hatte. Im Nachhinein betrachtet war es wohl nicht die beste Idee, mich erst am Nachmittag an die Besteigung zu machen; aber eigentlich brauchte ich auch nur eineinhalb Stunden bis zum Gipfel. Dass die Aussicht jedoch so genial sein würde, dass ich dort oben zu viel Zeit verbringen würde, hatte ich nicht bedacht. Als ich mich an den Abstieg machte, fing es also schon an zu dämmern. Und in einem dichten Wald ist es da gleich nochmal finsterer. War mir schon etwas unheimlich und ich war ja auch ganz alleine da unterwegs, aber ich versuchte möglichst viel Lärm zu machen und hoffte auf kein größeres Lebewesen zu stoßen. Tat ich aber doch. Denn nach etwa der Hälfte des Wegs kletterte etwa 15 m vor mir direkt neben dem Pfad ein Schwarzbärenjunges auf einen Baum. Gleich danach kam natürlich die Mutter. Wie ich es gelernt hatte, redete ich ruhig auf sie ein und ging rückwärts den Weg zurück. Ich hatte großes Glück, denn der Pfad kreuzte zweimal eine Forststraße und zu der konnte ich zurück und sie weiter entlang laufen, bis der Pfad wieder abzweigte. Da sah ich dann die Bären noch einmal, denn sie waren genau am Rand dieser Forststraße. Die Mutter beäugte mich neugierig, machte aber keine Anstalten sich zu mir zu bewegen. Ich redete wieder ruhig auf sie ein und setzte meinen Weg auf dem Pfad fort. Ja, ich hatte Angst. Und ich hatte noch viel mehr Angst, als ich weiter durch den finsteren Wald lief - die meiste Zeit rannte ich tatsächlich fast und machte viel Lärm. Seitdem vermeide ich es lange Strecken alleine durch den Wald zu gehen und schon gar nicht in der Dämmerung ;-) Schwarzbären sind aber eigentlich noch relativ harmlos. Wenn man genug Lärm macht, sie einen also schon von Weitem hören, kommen sie gar nicht nahe ran. Und sofern man nicht zwischen Mutter und Kind gerät, sollten sie auch nicht angreifen. Das gleiche gilt auch für Grizzlybären, allerdings werden die insgesamt als gefährlicher und aggressiver eingestuft (und sind größer), weshalb ich so einem schutzlos absolut nicht begegnen möchte. Aber momentan bin ich noch nicht in ihrem Territorium. Etwas nervöser machen mich Pumas, die aber hier in der Gegend auch sehr selten sind. Die bemerkt man wohl meist erst, wenn sie einen angegriffen haben, was aber auch sehr selten vorkommt, da sie Menschen eher nicht als Beute sehen. Trotzdem ist es schon ein komisches Gefühl durch den Wald zu laufen, wo sich auch gefährliche Tiere befinden können. Seit meiner Bärenbegegnung bin ich deutlich vorsichtiger und mir der Gefahr bewusster geworden.

Ein weiteres Highlight während der Zeit war das Passahfest (genauer: der Sederabend) am Karfreitag, an dem ich teilnehmen durfte. Es fand in einer abgelegenen Farm bei Freunden meiner Gastfamilie statt – wir waren 28 Personen, wobei nur 5 davon (unter anderem mein Gastvater) mehr oder weniger gläubige Juden waren. Sie feierten es eher als gemeinsames Fest mit Freunden und hielten sich auch nicht so hundertprozentig ans Protokoll. Trotzdem dauerte die Zeremonie über eineinhalb Stunden, wobei wir reihum die Anweisungen und Bibelstellen vorlasen, diese befolgten (Hände waschen, Wein trinken, bestimmte Speisen essen, …) und ein paar Lieder sangen. Im Anschluss fand dort noch eine Jam-Session statt, bei der ich wundervolle Folksongs zu hören bekam.

Ein richtiges Osterfest hatte ich dafür nicht, da meine Gastfamilie nur im kleinen Kreis mit Freunden „feierte“. Für die Kinder gab es wenigstens einen Easter Egg Hunt, wobei sie die Schokoeier in einem großen Waldstück suchen mussten und dabei die Hälfte übersahen – so blieb für die Erwachsenen auch noch was übrig ;-) Zum Essen grillten wir schließlich Würstchen über einem Lagerfeuer. Aber ich kam immerhin dazu, einen Gottesdienst in einer anglikanischen Kirche mitzuerleben (fast genau derselbe Ablauf und die gleichen Gebete wie in der katholischen Kirche) und fand es wundervoll, weil sehr viele schöne Lieder gesungen wurden.

Kurz vor Ende meines Farmaufenthalts fand ich dann endlich das perfekte Auto für meinen Roadtrip – natürlich hatte ich noch einige Schwierigkeiten dabei zu bewältigen, aber dazu werde ich wahrscheinlich noch einen eigenen Blogeintrag erstellen. Jetzt wisst ihr erstmal, dass ich endlich meinen Roadtrip begonnen habe und sobald ich wieder gutes WLAN und Zeit finde, kommt der nächste Eintrag ;-)


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