Don Curry on Tour 3
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Don Curry will hoch hinaus

Veröffentlicht: 19.10.2021

Don Curry besitzt eine schlaue Uhr. Diese kann ihm nicht nur die Zeit anzeigen, sondern auch seinen nächsten Termin im Kalender oder die aktuelle Wettervorhersage. Vor allem aber kontrolliert sie ihn. Sie erfasst jeden Schritt, den er geht, errechnet die zurückgelegten Kilometer, den Kalorienverbrauch, und sie weiß am Ende des Tages, wieviele Etagen er hochgestiegen ist, auch wenn es in der Natur gar keine Etagen gibt. Die Uhr misst einfach die veränderten Höhenmeter und gibt diese dann in gedachten Etagen an. Auf seiner bisherigen Reise bewältigte er so an manchen Tagen über 30 oder gar 40 Etagen - eine gute Leistung. Don Curry hat sowieso den Eindruck, dass Sehenswürdigkeiten gern irgendwo oben liegen, damit man zu ihnen hinaufsteigen muss.

Zunächst aber musste er hinab, nämlich aus der 14. Etage zum Frühstück im Erdgeschoss. Doch Fahrstuhletagen zählt die Uhr nicht, und abwärts schon mal gar nicht. Da das Hilton nicht unter Personalmangel leidet, bekam hier jeder Gast eine persönliche Frühstücksassistentin zugewiesen, die ihn zu allen Abteilungen des Buffets begleitete und das Gewünschte auf einem Teller deponierte. Getränke wie Kaffee, Tee oder Saft wurden gesondert serviert. Das Frühstücksbuffet an sich war durchaus umfangreich, doch als Selfmade-Experte in Sachen "Frühstück in türkischen Hotels" hatte Don Curry schon deutlich besseres erlebt.

Sein heutiges Tagesprogramm würde ihn in zwei historische Landschaften führen, nach Kleinarmenien und ins Hatay, den südlichsten Zipfel der Türkei, der im Süden und Osten in Syrien grenzt. Das Königreich Kleinarmenien bildete im Mittelalter fast 300 Jahre lang einen von Armeniern beherrschten Staat zwischen Byzanz und den Kreuzritterstatten bzw. dem Kalifat. Eine der armenischen Festungen, die Yilan Kalesi (= Schlangenburg) erhebt sich malerisch auf einem kleinen isoliert stehenden Felsmassiv. Dort wollte Don Curry hin, auch wenn das Ziel wieder mal hoch oben lag. Die Hälfte der Höhenmeter konnte er noch mit Insignia auf schmaler Straße zurücklegen. Der Fußweg begann verheißungsvoll mit sauber verlegten Steinplatten. Doch je höher Don Curry kam, umso drastischer nahm die Qualität des Weges ab. Auf die Steinplatten folgte bald ein unbefestigter Feldweg, der stetig steiniger wurde. Endlich geriet das Tor der äußeren Befestigungsmauer in Don Currys Blickfeld, rund 30 m oberhalb, und dorthin führte - kein Weg! Der Burgbesucher musste selbstständig versuchen, die Felsen bis zum Tor irgendwie zu überwinden. Don Curry kraxelte mühsam hinauf, ging durch das Tor und sah keinen Innenhof, sondern weiterhin natürliche und völlig unebene Felslandschaft. Die Armenier hatten einst nur die Mauern gebaut, den Felsuntergrund hatten sie genau so gelassen, wie er war. Möglicherweise war das ganze früher mit Erde aufgeschüttet, dachte Don Curry, oder es gab hölzerne Plankenkonstruktionen. Doch davon hatte sich nichts erhalten. Don Curry kraxelte zum nächsten Tor hinauf, rutschte immer wieder auf dem glatten Felsen oder dem Schotter ein Stück zurück. Der Schwierigkeitsgrad wuchs weiter. Er erreichte zwar noch die Mauer auf der anderen Seite des zweiten "Innenhofes", den Weg zur Oberburg wagte er aber nicht mehr. Dazu hätte es guten Berg- oder zumindest Wanderschuhwerks bedurft, um die immer steileren Felsen bezwingen zu können. Diese Festung wehrt sich immer noch erfolgreich gegen den Ansturm fremder (Touristen-)Horden. Auch Don Curry konnte sie nicht gänzlich bezwingen.

Beim nächsten Ziel konnte er deutlich mehr Erfolge für sich verbuchen. Die heutige Stadt Antakya, Hauptstadt des Hatay und selbst oft auch als Hatay bezeichnet, ist Nachfolgerin des antiken Antiochia. Dort sind einst sowohl Petrus als auch Paulus aktiv gewesen, und die dortige Christengemeinde gehörte zu den frühesten überhaupt. Don Curry steuerte sein Fahrzeug zur sogenannten Petrusgrotte und stand bald vor jener natürlichen Höhle, die den frühen Christen als geheimer Versammlungsort gedient haben soll. Daher wird sie häufig als die erste Kirche überhaupt bezeichnet. Im Mittelalter wurde die Höhle künstlich erweitert und durch eine Mauer geschlossen, die dem ganzen nun tatsächlich das Aussehen einer Kirche gab. Der fast leere dunkle Höhlen-Kirchen-Raum mit einer Statue des Petrus und Resten von Fußbodenmosaiken hatte durchaus eine spirituelle Wirkung. Der lange Anfahrtsweg hat sich gelohnt, dachte Don Curry. 

Da er nun schon in Antakya war, wollte er sich zumindest auch die beiden bedeutendsten Moscheen der Stadt anschauen. Nach zunächst vergeblicher Parkplatzsuche gab er sein Auto samt Schlüssel einfach in einem der zahlreichen Otoparks ab, dessen Besitzer sich ganz aufgeregt zeigte, einen Nichttürken als Kunden zu haben. Don Curry nahm's gelassen, schlenderte durch den ausgedehnten Altstadtbasar und fand so die Habibi-Neccar-Moschee mit ihren schönen Ausmalungen, und die sehr urtümliche Ulu Moschee, die als klassische Pfeilermoschee weitgehend auf Schmuck verzichtet.

Zurück beim Otopark hatte sich die Aufregung des Betreibers inzwischen gelegt und er verlangte von Don Curry vermutlich den Nichttürken-Tarif von 2 €; dafür hielt er aber auch den Verkehr auf der sehr belebten Hauptstraße auf, damit Don Curry bequem und sicher ausfahren konnte. Nächstes Ziel sollte ein Kloster sein. Google Maps kannte dieses Kloster auch, konnte oder wollte aber keinerlei Route dorthin anbieten. So steuerte Don Curry das armenische Dorf Vafliki an.  

Plötzlich sah er am Straßenrand ein Hinweisschild zum gewünschten Kloster. Er wendete und fuhr in Richtung des Schildes. Weitere Schilder folgten. Er hatte wohl noch nie so viele Schilder zur selben Sehenswürdigkeit erblickt, und sie alle zeigten bergauf. Immer höher schraubte sich Insignia in die Berge, gelangte in ein Gebiet mit Dutzenden Windturbinen, die man in unterschiedlichen Höhen postiert hatte. Der Anblick war mehr als bizarr! Am Ende der Straße landete Don Curry auf der Kuppe des höchsten Berges. Hier lag das Kloster, bzw. dessen Ruinen. Zurück geht es auf einen Heiligen, Simon mit Namen, der Ende des 4. Jhdts. eine ganz besondere Lebensweise pflegte. Er baute sich eine hohe Säule und beschloss, sie nie wieder zu verlassen. Ähnliches hatte bereits ein anderer Simon vorgelebt, dessen Kloster nun im Gebiet des heutigen Syrien liegt. Unser Simon Stylites (= der Säulensteher) wird darum auch als der Jüngere bezeichnet. Dieses biografische Raubkopierertum tat seiner Verehrung allerdings keinen Abbruch. Immer mehr Menschen wollten ihm nahe sein, sei es als Pilger oder als Mönche. Auf diese Weise wuchs um die Säule herum ein immer größeres Kloster, das von den Spenden der Pilger gut leben konnte. Auch Simons Säule wurde immer wieder erneuert und noch höher gebaut. Über 60 Jahre lebte er ganz oben und genoss zumindest herrliche Ausblicke auf die Bergwelt im Osten und die Mittelmeerküste im Westen. Nur Ruinen blieben von den zahlreichen Klostergebäuden; Don Curry erblickte aber auch das riesige Fundament der Säule des Simon. Nein, so zu leben, das war zu hoch für Don Curry...

Die Zeit schritt voran, für das einzige noch von Armeniern bewohnte Dorf in der Türkei blieb Don Curry nur ein paar Minuten. Durch ein offenes Fenster machte er zumindest ein Foto vom Inneren der armenischen Kirche. Dann begann der lange Rückweg, den er immer mehr im Dunkeln absolvieren musste. Doch auf der Autobahn und anschließend in der Großstadt Adana fiel das nicht so sehr ins Gewicht.

Eigentlich lautete Don Currys Plan, heute zum Abendessen in Adanas Altstadt zu gehen, doch dazu fühlte er sich zu müde. So blieb er im Hilton-Restaurant, bestellte eine Suppe aus gegrillten Tomaten, ein Club Sandwich und ein Efes vom Fass. Danach fuhr er nur noch in den 14. Stock. Mit einem Fahrstuhl ist es leicht, ganz hoch hinaus zu kommen...


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