Veröffentlicht: 04.05.2019
Was für ein Zufall. Dank Social Media habe ich erfahren, dass eine Freundin grade in Los Angeles ist. Nicht irgendeine Freundin, meine Polizei-Freundin f.k.a. Pferdemädchen-Freundin. Es ist auch nicht einfach nur Urlaub, nein, sie ist beruflich hier und hat ein Fernseh-Team im Gepäck. Wow, meine Vergangenheit holt mich quasi ein, um mir ein bisschen das Showbusiness zu zeigen. Let's go.
Am nächsten Tag fahre ich eine knappe Stunde raus aus der Stadt. Dabei bin ich heilfroh, nicht auf der entgegen kommenden Seite des Freeways im Stau stehen zu müssen. Nach einer Kaffeepause komme ich am Zielort an. Ein Schild informiert mich, dass ich jetzt "jail property" betrete. Mein Ziel ist aber nicht das Gefängnis, sondern ein daneben liegendes Trainingsgelände, genauer gesagt die Shooting Range.
Ich bin etwas zu früh, deswegen stelle ich das Auto ab und sehe mich um. Zwei Männer in Uniform beobachten mich. Etwas eingeschüchtert von der Umgebung und den Uniformen gehe ich zu ihnen und frage, ob ich überhaupt dort parken darf. Alles gut, alle nett.
Ich sehe mich weiter um: Ein Gedenkstein mit einem Gedicht über einen Polizisten, der im Dienst zu Tode gekommen ist, trägt weiter zu gemischten Gefühlen bei. Ich beschließe etwaige Vorbehalte, Vorurteile und Meinungsunterschiede über (amerikanische) PolizistInnen oder Waffengesetze und auch sonstige Berührungsängste für heute so gut es geht beiseite zu lassen. Es gibt doch auch dieses andere wichtige Bild: die Polizei, dein Freund und Helfer. In meiner Grundschulzeit hatte ich davon sogar einen Sticker.
Nach ein paar Minuten erfahre ich den genauen Treffpunkt und mache mich - ganz europäisch - zu Fuß auf den Weg. Kurz schießt mir der Gedanke durch den Kopf, ob auf dem Gefängnisgelände Fußgänger überhaupt erlaubt sind. Vielleicht hätte ich das Schild am Eingang doch aufmerksamer lesen sollen. Nach einigen Metern werde ich von einem Polizeiauto angehupt. Durchs Fenster sieht mich ein Polizist aus dem Bilderbuch an - Cap, Sonnenbrille, Schnurrbart - alles da. Es droht aber keine Verhaftung aufgrund unerlaubten Herumspazierens - vom Beifahrersitz winkt meine Freundin.
Amerikanische Polizeiautos sind für alle, die vorne sitzen gut ausgestattet, einigermaßen bequem und vor allem sicher. Alle, die hinten sitzen haben es dafür scheißunbequem. Sicher kein Zufall. Es hat auch etwas Pragmatisches: Die Hartplastik-Sitze und die komplett abgeschirmte Fahrerkabine sorgen dafür, dass man den Passagierraum einfach reinigen kann. Sicher nicht zu meinem Nachteil. Im Vorderraum hängt außerdem eine Shotgun. Später sehe ich auch Langfeuerwaffen, die unter einem Kofferraumdeckel festgeklemmt sind. Ich staune. Doch obwohl ich so viele Waffen wie heute, in meinem ganzen Leben bisher nicht gesehen habe, fühle ich mich weitgehend sicher.
Nach einem kurzen Kennenlernen geht es los: Die Polizisten beginnen mit der Einweisung in Sicherheitsregeln, der Kameramann beginnt zu filmen. Alle außer mir bekommen eine kugelsichere Weste. Schon irgendwie ein komisches Gefühl. Die goldene Regel lautet "whatever happens just stay behind us." Ich nicke als mir der Chef der S.W.A.T.-Truppe einen Blick zuwirft; den Drang zu salutieren unterdrücke ich im letzten Moment.
Das S.W.A.T.-Team wärmt sich mit Pistolen der österreichischen Firma Glock auf. Die Welt ist schon ein Dorf irgendwie. Die Zielscheiben wurden mit Fotos präpariert und werden nun im Stehen, im Knien, noch halb in einer Umdrehung und aus verschiedenen anderen Formationen beschoßen. Ich staune über die Choreografie und die Kugeln die einfach so durch die Zielscheiben hindurch gehen und im Wüstensand landen.
Danach wird ein Metall-Baum aufgestellt, an dem schwingende Zielscheiben angebracht sind. Zwei Schützen treten nun gegeneinander an und versuchen alle Zielscheiben auf die gegnerische Seite zu schwingen. Obwohl hier mit scharfer Munition geschossen und für den Ernstfall geprobt wird, fühlt sich das alles sehr nach Spiel und Spaß an.
Etwas später werden auch die Langfeuerwaffen ausgepackt. S.W.A.T. steht für "Special Weapons And Tactics", diese Spezialeinheit kommt dann zum Einsatz, wenn es wirklich brenzlig wird und bspw. mit Schusswechseln gerechnet wird. Die Ausstattung ist dabei zwischen normaler Polizeiausrüstung und militärischem Equipment angesiedelt. Zwischenzeitlich sind Sheriffs angekommen, die auf der Range neben uns Schießübungen absolvieren. Allein von der Geräuschkulisse kommt zwischen wildem Westen und Krieg alles infrage.
Die S.W.A.T.-Teams probieren außerdem Szenarien und Aktionen aus, die später eventuell in die normale Polizeiarbeit übernommen werden. Ein solches Szenario wird auch jetzt geprobt: Ein schrottreifes Auto wird kurzerhand in einen fiktiven Schusswechsel verwickelt. Meiner Freundin kommt dabei die Aufgabe zu, die Windschutzscheibe zu zerschießen. Von innen. Es kostet etwas Überwindung und gutes Zureden, aber sie erledigt auch diese Übung bravourös. Später übernehmen die S.W.A.T.-Jungs, sodass bald schon keine Fensterscheiben mehr übrig sind.
Nach der Strategiearbeit ist das Tagessoll erfüllt, also kann es jetzt lustig werden: Die AK 47 werden mit Munitionstrommeln ausgestattet. Plötzlich sind die harten S.W.A.T.-Cops eher große Jungs, die ein tolles Spielzeug ausprobieren dürfen, so viel Freude, lustige Sprüche und Aufregung kommt auf. Als sie loslegen, hört es sich dann aber doch sehr nach Krieg an. Obwohl aufgrund der Geräuschkulisse der Puls etwas schneller geht und ein komisches Gefühl im Magen entsteht, bleibt der Eindruck, dass es gar nicht so ernst ist, wie es sich anhört. Und ein bisschen Spaß möchte man diesen jungen Kerlen, die da tagtäglich einen gefährlichen Job machen, irgendwie auch gönnen.
Heute habe ich eine neue Seite von Amerika kennengelernt, die mir ohne den Besuch aus der Heimat verborgen geblieben wäre - und dafür bin ich dankbar. Auf dem Heimweg hole ich mir bei In-N-Out einen Cheeseburger - welcome to America, again.