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Vermissung

Veröffentlicht: 02.12.2021

Thema 2:

Vermissung. Tja, da schlägt direkt die Ratlosigkeit zu, wenn ich mich diesem Thema nähern will. Ich kämpfe mich durch das innere Dickicht um das zu finden, was sich auch in mir verbirgt.

Es verbirgt sich wohl, weil es etwas ungemütlich erscheint, weil es (von mir) unerwünscht ist und es sich schwierig vorstellt, sich zu zeigen.

Was ich in manchen Zuständen finde, sind Schmerz, Angst, Wut und Verzweigung.

Zur Verzweiflung: sie kenne ich gut seit vielen Jahren. Hoch-Zeiten hatte sie stets wenn es um „Männer“ ging. Mit Liebeskummer versteht sie sich vortrefflich. Ihr Therapeut ist Camus, der sie in ihrer Tiefe und Zärtlichkeit versteht. Die Verzweiflung ist fern von Zufriedenheit, Ruhe findet sie in Zerstörung und Schmerz. Sie ist jung, ihr heftiges Begehren nach der Frage „warum?“, die Eigensinnigkeit beim ablehnen jeder Antwort. Die Verzweiflung ist der Kampf gegen den Schmerz, das Aufbäumen, das antizipieren des Hilflosigkeit, der Niederlage im Kampf. Verzweiflung entsteht meist in Momenten, in denen ich mich schwach fühle. Meist ist sie durch Schlaf zu besänftigen. Sie ist mit Appetitlosigkeit verbunden und einem „Tunnel Blick“. Sie ist eine außerordentliche Künstlerin, ist bereit zu Risiken und Intuition, sie erscheint machtvoll und anziehend, sie kann kraftvoll viel verändern oder zerstören.

Was sie volle Schmerz schweigend schreit: Nichts in der Welt hat Beständigkeit. Sie weiß das, die Verzweiflung. Sie hält noch fest, doch ist immer von der Akzeptanz gefolgt, denn die Verzweiflung ist selbst sehr vergänglich.

Dann ist da der Schmerz. Er ist ruhig, sogar noch tiefer als die Verzweiflung. Der Schmerz ist von mir noch wenig begrüßt, ich habe ihm gegenüber großes Misstrauen. Er ist leise und schleicht sich oft unentdeckt an. Der Schmerz erleichtert die Verbindung mit dem Boden. Er zwingt in die Knie, macht bescheiden. Ich merke, wie sehr ich den Schmerz mit der Verzweiflung verwechsle. Aber der Schmerz fordert nicht. Er bestätigt. Manchmal zeigt er sich als Bote der Liebe. Und als Zeuge des Menschsein. Er ist unnachgiebig und auch durch Zeit manchmal kaum zu übertönen. Eine Lösung für ihr erscheint mir, ist, mich mit meiner weiblichen Kraft zu verbinden. Mit der Vergänglichkeit in meinem Zyklus, mit der tiefes des Schmerzes, sich für den anderen zu öffnen, die Welt aufzunehmen und dann wieder gehen zu lassen, mich zu sammeln, zu halten und Trost zu schenken. Es ist ein Zyklus des Lebens, der ohne Schmerz nicht sein kann, der jedoch mehr als der Schmerz ist, er ist Leben, Wandlung und Fruchtbarkeit.

Bleiben Angst und Wut. Beide habe ich erst kürzlich kennengelernt und bemühe mich nun, ihnen einen passenden Platz im Innenraum einzurichten. Die Wut erscheint mir als eine Reaktion, als etwas verdrehtes. Sie ist nicht ich, sondern der Kampf für mich. Wut entsteht im Schmerz und verdeckt oft Angst. Die Wut erscheint so kraftvoll und verleiht Gefühle wie recht und Ordnung. Doch fragt man nach ihrem Ursprung, landen wir meist woanders: bei Schmerz und Angst vor Schmerz. So werde ich diese Maske der Wut nicht verteidigen. Ich weiterhin friedlich ohne sie leben. Sie schafft leid statt liebe. Lediglich als Wachhund darf sie bleiben. An der Leine mit feiner Nase und Guten Ohren, ich bin jedoch ihre Herrin.

Zuletzt zur seltsamen, anstrengenden und unkonstruktiven: zur Angst. Sie ist bei mir mit Ungeduld verbunden, auch sie ist schwer zu ertragen. Sie ist unkontrollierbar und dies ist auch ihr größter Feind und Ernährer: die Unkontrollierbarkeit der Welt. Sogar eines Menschen, sogar eines Augenblicks oder des eigenen Körper. Das alles entzieht sich unserer Bestimmung. Der Wille allein genügt nicht, hier ist vertrauen gefragt. Welt, was hast du mit mir vor? Wie kann ich nicht an etwas größeres als mich selbst glauben, wenn ich die Macht über mein Leben nicht habe? Liebe Angst, dir will ich mit Achtsamkeit begegnen, mit Genauigkeit. Denn das Leben findet statt! Gerade jetzt! Und es ist mehr als die Angst. Es sind Sensationen überall in meinem Körper, meiner ganzer Kopf ist voller Gedanken, mein Körper voller Erfahrungen, mein Herz voller Lebendigkeit, voller Liebe.

Ich sage ja zum Leben wie es gerade ist. Sage ja zum vermissen. Ja, ich liebe, mein Herz ist schwer, mein Geliebter ist fort.

Doch ich bleibe. Ich bleibe zuhause bei mir. 

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