upoveranddownunder
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Hier ist es fast wie im Paradies. Ausser, dass es ständig regnet und das Bier zu teuer ist.

Veröffentlicht: 17.07.2016

Als ich noch klein war, habe ich oft die Siedler auf dem PC gespielt. Ein Strategiespiel in dem man seine Zivilisation so schnell wie möglich entwickeln musste. So konnte man seine kleinen Männchen zum Beispiel zum Holzsammeln senden um später damit Häuser zu bauen oder zum Angeln schicken um für Nahrung zu sorgen.

In dem Spiel gab es auch ein Tool mit dem man die Landkarten auf denen man spielte selbst erstellen konnte. Und weil ich erst 8 Jahre alt war und mir das Spiel sehr schnell zu schwer wurde, habe ich mir meine Länder einfach selbst erstellt. In diesen Paradiesen wimmelte es vor baumreichen Wäldern, fischreichen Flüssen und Seen und allen anderen natürlichen Rohstoffen, die eine Zivilisation zum Gedeihen braucht.

Wenn eines dieser Länder irgendwie einen Weg in die Realität gefunden hätte, dann würde es in etwa so aussehen wie Norwegen.

Das Land hatte an dem Tag an dem der Liebe Gott die schönen Landschaften und Rohstoffe auf der Erde verteilte einen Sechser im Lotto gewonnen. Anders ist die fast unfaire Menge an fischreichen Gewässern, beeindruckender Natur und (ganz nebenbei) einem der größten Öl- und Gasvorkommen der Welt, das Norwegen unendlich reich werden ließ, nicht zu erklären.

Und als der Schöpfer merkte, dass er das Land eigentlich viel zu weit in den Norden gelegt hat, erschuf er zusätzlich den Golfstrom, der das ganze Jahr über Unmengen warmen Wassers quer über den Erdball vor die Küste Norwegens pumpt.

Immerhin befinde ich mich fast auf demselben Breitengrad wie Anchorage in Alaska. Und während dort nur noch Eisbären auf Seerobbenjagd gehen werden hier noch Erdbeeren angebaut.

Irgendeinen Haken muss das ganze doch haben?! Oh ja, den gibt es! Zum Halbfinalspiel Deutschland gegen Frankreich habe ich mir in einer Bar ein 0,33 Liter Pils gegönnt. Preis: 125 Kronen (13 Euro). Dann doch lieber Urlaub in der fränkischen Schweiz.

Jetzt bin ich genau seit drei Wochen unterwegs und habe mich heute zu meinem ersten vollen Ruhetag in Geiranger entschieden. Nach drei Tagen Dauerregen und durchschnittlich 1.500 Höhenmetern am Tag habe ich mir das auch verdient!

Und so sitze ich jetzt hier auf dem Campingplatz direkt am Geirangerfjord. Hinter mir tausende Touristen, die aus der MSC fucking Gigantia Majesty in die Cafes und Restaurant des winzigen Ortes wie eine Horde Ameisen eingefallen sind. Vor mir erhebt sich das gigantische Kreuzfahrtschiff, das vor dem Hintergrund des noch viel gigantischeren Geirangerfjordes fast winzig aussieht.

Die Leute auf dem Campingplatz sind eine willkommene Abwechslung nach der Ruhe und Einsamkeit der letzten Tage, in denen ich von Bergen immer weiter in das wilde Landesinnere vorgedrungen bin und nur das leise Surren meiner Rohloffnabe als Gesprächspartner hatte. Mittlerweile habe ich mich an das ständige auf und ab gewöhnt und schwebe fast schon über die Anstiege. (Bis auf das heftige Stöhnen und die gelegentlichen Wutausbrüche bei denen ich gerne mal die Straße oder alternativ den Regen wegen ihrer absoluten Blödhaftigkeit anschreie.) Irgendjemand muss ja meine Stimmungen abbekommen wenn man sich sonst bei niemandem beschweren kann.

Morgen geht es weiter über die Adlerstrasse und den Trollstigen. 600 und 800 Höhenmeter hoch und runter bei etwa 8-10% Steigung. (Juhu, ich hab Bock drauf...) Das komische ist, dass ich wirklich Bock drauf habe. Der Ruhetag ist erst halb vorbei und obwohl sich meine Beine anfühlen wie zwei Bleibolzen will ich einfach nur auf mein Fahrrad das neben mir steht und mich sehnsüchtig anschaut: „Stefan, was ist los? Fahr mich! Faaaahr mich!!!!“

Eine Nacht muss es sich noch gedulden, dann geht’s weiter Richtung Norden. In ein paar Tagen bin ich in Trondheim. Ab dort beginnen die einsamen und landschaftlich noch spektakuläreren (wie soll das denn bitte gehen) Etappen Richtung Norden.

PS: Seit einer Woche ist mein Brühwüfelvorrat aufgebraucht  (ein elementar wichtiger Bestandteil meine Campingkochkünste). Und obwohl ich in jedem Supermarkt ewig nach etwas Ähnlichem gesucht habe wurde ich nicht fündig. Als ich einer Gruppe Holländer, die auch mit dem Rad Richtung Norwegen unterwegs sind (sie fahren mit dem Rennrad und lassen sich das Gepäck im Auto hinterhertragen die Weicheier) haben sie mir eine Packung geschenkt!!! Jetzt bin ich überglücklich über meine Packung Boullion "met krachtige Schmack!"

Das ist das allerbeste an so einer Reise. Man wird auf so dermaßen auf seine Grundbedürfnisse beschränkt, dass man durch eine Packung Gemüsebrühe so glücklich wird wie man es sich im "normalen Alltagseben" kaum vorstellen kann.

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