Veröffentlicht: 25.12.2017
Viele Optionen bleiben an einem Regentag im Franz Josef Village nicht. Die meisten Wanderwege führen zu Aussichtspunkten mit Blick auf den Gletscher, die an Tagen wie heute, wo der weiße Himmel sich kaum vom Eis abzeichnet, jedoch nicht wirklich lohnen. Wir haben allerdings die Wettervorhersage verfolgt und sind vorbereitet.
Am späten Vormittag, als der Himmel bereits wolkenverhangen, es aber noch trocken ist, brechen wir zu einer Kurzwanderung auf. Der "Tatare Tunnels Walk" führt sanft bergauf und endet an einem langen, dunklen Tunneleingang. Warum es hier mitten im Bush einen solchen gibt, fragt ihr euch?
Wir schreiben das Jahr 1907: Man vermutet reiche Goldlagerstätten in der Region und beauftragt drei Teams, die rund um die Uhr arbeiten, dem Tatare Berg einen 500 m langen Tunnel abzuringen, um Wasser in das 5 km entfernte Bergwerk am Waiho River zu pumpen. Ohne moderne Maschinen dauerte es über 12 Monate den Tunnel in das Steinbett zu treiben. Leider waren die Goldfunde nicht groß genug, um die Aufwandskosten zu decken, sodass die Goldsuche in Franz Josef 1908 abrupt zum Erliegen kam. Doch die mühevolle Arbeit war nicht gänzlich umsonst. Das Wasserkraftwerk versorgte die Gemeinde Franz Josef sowie ein Sägewerk jahrelang mit Wasser und Energie bis es 1982 einer massiven Überschwemmung zum Opfer fiel. So viel zur Geschichte.
Zurück zu unserem Walk: Das knöcheltiefe Wasser im Tunnel ist eiskalt. Wie Nadeln bohrt es sich in die zunehmend schmerzenden Füße, denen wir an trockenen Passagen immer öfter eine Aufwärmpause einräumen müssen. Macht man kurz vor Tunnelende die Taschenlampe aus, eröffnet sich über den Köpfen der Leute eine Milchstraße aus Glühwürmchen - wir halten inne und genießen einfach den Moment. Einen alternativen Rückweg gibt es nicht, wir müssen wieder durch das Kneippbecken. Unterwegs leuchten wir auf der Suche nach einer Höhlenweta in eine Felsspalte und werden von zwei riesigen Insekten mit langen Beinen attackiert, die auf das Licht aus unserer Taschenlampe zurennen. Offenbar sind sie wenig amused über die grelle Störung. Gebt euch keine Mühe, Herr und Frau Welcher-Insektengattung-ihr-auch-angehört; wir flitzen schneller von dannen, als ihr "Cave Weta" sagen könnt. Wir glaubten zunächst an Spinnen, doch nach einigen Recherchen stellt sich heraus, dass es sich tatsächlich um Cave Wetas handelte. Ihr Körper wird bis zu 3 cm lang und die Beine sowie Fühler bringen es auf 4 cm. Auch von den Fotos her passt es. Gut, dass ich erst jetzt weiß, dass sie durchaus auch springen können. Einzelne Vertreter der Weta-Familie, die zu den Langfühlerschrecken gehören, können übrigens bis zu 90 mm groß und 70 g schwer werden. Nein, danke, kein Bedarf an einem Kennenlernen; die Begegnung mit der deutlich kleineren Höhlenweta hat mir schon gereicht. Als wir den Ausgang erreichen, treffen gerade 4 Neuankömmlinge ein. Das haben wir ja super abgepasst. Auf dem Rückweg werden die Füße wohlig heiß. Ich hatte mich zwischenzeitlich schon gefragt, wie lange es eigentlich dauert, bis Zehen abfrieren...
Kurz vorm Hostel fängt es an zu nieseln. Wir sichern uns noch schnell unsere Backstage-Karten für die Kiwi-Tour um 14:30 Uhr im benachbarten Kiwi Wildlife Center und gehen dann zum Duschen und Mittag essen ins Hostel. Kurz vor halb 3 finden wir uns wieder im Kiwi Wildlife Center ein. Für die Backstage-Tour haben wir uns entschieden, weil es hier unter einen Monat alte Küken zu sehen gibt, die man sogar fotografieren darf. Wir haben das Glück, dass im Rahmen unserer Führung gerade ein 3 Tage altes Küken umgesetzt wird und die Pflegerin es für eine halbe Minute auf dem Arm direkt vor unsere Kameralinsen hält. Die Auslöser hören gar nicht mehr auf zu Klicken. Mit den kleinen verschlafenen Knopfaugen erobert das Kleine unsere Herzen im Sturm.
Danach dürfen wir die etwas älteren Küken in ihren Brutkästen anhimmeln. Die kleinen Federbälle haben sich wie Igel zusammengerollt und ihre Schnäbel unter ihren Flügelstummeln vergraben - unglaublich süß!!! Am liebsten möchte man sie mit nach Hause nehmen. Obendrein gibt es natürlich viele Informationen über den Kiwi und seine Besonderheiten.
Im Anschluss besuchen wir das Nachtgehege, welches drei weitere seltene Rowi-Kiwis beherbergt, von denen eines schläft und zwei im Boden nach Würmern und Insekten stochern. Zur Abwechslung trennt keine Glasscheibe, sondern lediglich eine niedrige Trennwand, die Besucher von den tierischen Bewohnern, was die Begegnung deutlich persönlicher macht. Als eine Familie mit Baby hereinkommt, welches prompt anfängt zu weinen, verstecken sie sich und wir setzen unseren Rundgang fort. Auf diversen Infotafeln wird die Lebensweise der Kiwis und die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, beschrieben sowie auf die Gletscher und Pioniergeschichten eingegangen. Auch ein Gehege, in denen wir 5 Tuatara zählen, die sich jedoch keinen Millimeter bewegen, gibt es kurz vor dem Ausgang.
Die süßen Kiwiküken waren uns die 58 NZD wert, ansonsten halte ich den normalen Eintrittspreis in Höhe von 38 NZD für das was geboten wird offen gesagt für überteuert. Nach der Backstage-Tour haben wir maximal 30 Minuten für die Besichtigung des Kiwi Wildlife Centers gebraucht. Dennoch ist es neben einem Besuch im örtlichen Spa wohl die beste Möglichkeit einen Regentag im Franz Josef Village rumzukriegen.