Veröffentlicht: 17.10.2019
Was mich tief und nachhaltig beeindruckt hat in Iran sind die Frauen. Klar, die Bauten, Kunstwerke , der Schmuck und Reichtum dieses sagenhaften Perserreiches sind kaum zu überbieten und haben mich in Bann gezogen. Doch das, was heute lebendig ist und mich fasziniert, sind wie gesagt die Frauen. In keinem andern Land der Welt sind mir so unglaublich liebenswürdige, selbstbewusste, freundliche, entspannte und anmutige Frauen begegnet. Punkto Eleganz kommen sie für mich gleich nach den Italienerinnen.
Sie sind sehr loyal und wohlwollend, auf diskrete Weise neugierig, interessiert und kontaktfreudig. Ich bin keiner einzigen Frau begegnet, von der ich das Gefühl hatte, sie sei unterdrückt oder unter der Fuchtel. Zumindest nicht von ihren Männern, denn die behandeln sie in der Regel sehr zuvorkommend und beschützend.
Wenn unterdrückt, dann vom Regierungssystem. Sie haben weniger Freiheiten, Rechte und Möglichkeiten und das ist ein grosses Übel. Offene Rebellion gibt es kaum, versteckte aber schon. Sie zeigt sich darin, wie sie sich kleiden. Erfinderisch und pfiffig schaffen sie es, die Kleidervorschriften einzuhalten und dennoch topmodisch angezogen zu sein. Mit Eleganz und sehr viel Charme halten sie sich soweit an die Vorschriften, dass sie gerade noch erfüllt sind. Übrigens habe ich den Eindruck bekommen, dass diese Kleiderfrage für sie gar kein so zentrales Thema ist, wie wir meinen.
Was sie wirklich stört ist, dass sie tatsächlich weniger Rechte haben als Männer. Layla sagte mir, es sei verboten alleine als Frau in der Öffentlichkeit zu singen. Schelmisch fügte sie hinzu:“ but I take the risk“, sie riskiere es. Musik ist ihr Leben also tritt sie auch alleine als Sängerin auf. Meine Frage, was denn geschehen könnte, beantwortete sie gelassen damit, dass sie ja keine politischen Texte singe.
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass es viele solcher kleinen, persönlichen Rebellionen gibt. Gerade die jungen Frauen habe ich als unglaublich erfinderisch und innovativ erlebt. Die jungen Männer übrigens auch. Schade, dass dieses Potenzial vom Staat so verkannt und kaum genutzt wird. Es bleibt zu hoffen, dass die Frauen weiterkämpfen für ihre Rechte, und diese faszinierende Mischung von Charme, Selbstbewusstsein und Stärke, die ihnen eigen ist, hartnäckig einsetzen zur Verbesserung ihrer Situation.
Und die Männer?
Sehr zuvorkommend, freundlich, offen. Als Frau kann man unbehelligt allein reisen und wenn man einen Mann um Hilfe bittet, bekommt man in den meisten Fällen einen absolut zuverlässigen Beschützer. Der Taxifahrer brachte mich nicht nur zur Busstation, sondern begleitete mich noch bis zum richtigen Schalter. Erst als er sicher war, dass ich den Bus nach Isfahan nehmen würde, ist er gegangen. Und das alles, ohne ein Wort englisch zu sprechen.
Ich habe auch sehr schöne junge und alte Paare gesehen, Paare, bei denen man spürte, dass sie gut miteinander unterwegs sind, dass viel Zuneigung vorhanden ist, entspannte Verbundenheit.
Irgendwie ist es wie eine Umkehrversion: das, was wir im Westen als zentral empfinden, spielt hier gar keine so grosse Rolle. Und das, was hier wesentlich ist, ist im Westen fast kaum mehr vorhanden.
Übrigens auch ein Missverständnis: dieses Schild gibt es in jeder iranischen Metro. In Europa sind wir schnell geneigt, es als Diskriminierung abzutun, dass es Metrowaggons nur für Frauen gibt. Das Gegenteil ist der Fall - Frauen sind die einzigen, die sowohl Waggons für sich haben als auch in den Männerabteilen mitfahren dürfen. Umgekehrt nicht. Kein Mann darf bei den Frauen mitfahren. Zuweilen ist es sehr angenehm, nur unter Frauen zu sein, doch die Wahl zu haben, ist ein kleines Privileg.