Veröffentlicht: 06.06.2020
Geheimdossier des Syndikats (VS - nur für den Dienstgebrauch)
Schweißgebadet wacht er auf. Er hat schlecht geträumt, vom hügeligen Sauerland, der Ausfahrt Olpe - Nord. Er hat sie verpasst. Genauso wie er es verpasst hat, die heiße Liaison mit der Schläferin auszukosten. Eine verhängnisvolle Sache - die zunächst doch so zärtlich und romantisch begann. Sie gab eine Kontaktanzeige im Ritzerfachmagazin "Vernarbte Wunden" auf und war zuversichtlich eine Antwort zu erhalten. Es gelang einen Interessenten zu finden.
Er meldete sich, nahm kein Briefpapier, eine herausgerissene Seite aus einem Telefonbuch, tat es ihm auch. Er notiere darauf in einfachem Wortlaut "Ist das den Ernst" und hinterließ eine Handynummer. Erhing ohnehin den ganzen Tag am Display, wenn es ihm die knappe Freizeit zwischen Zocken, Ritzen und Scharmützeln zuließ. Sie meldete sich, sie verabredeten sich zu einem ersten zwanglosen Beschnuppern in einer ortsansäßigen stark frequentierten verqualmten Spielothek.
Mit der Fügsamkeit eines braven Hundes warf er ein paar Münzen in die Jukebox, sein Lied spielte. "Ritz mich ein leztes Mal" von Roland Ritzer. Ihre Augen glitzerten, die Schläferin erhoffte sich vieles.
Langsam geriet der Abend in Fahrt, sie stellte sich in ihren kühnsten Fantasien vor, welche ihrer sich anheimelnden Prakiken an ihm anzuwenden sind. Malte sich aus, das ihre Verführungskünste vom Ritzzwang befreien können. Mit unglaublicher Leidenschaft stehen sie beisammen, boostern sie sich gemeinsam in die Energy-Ekstase. Die Gefühle brodelten heiß. Er leckt sich die Wunden, macht einen neuen Zahnstocher heiß, beißt daruf, um die Schmerzen auszuhalten.
Sie schaut ihm tief in seine gelbschwarz-umrandeten Augen und er aber nicht, wie erhofft in ihrer tief ausgeschnittenes Dekollete, sondern auf sein hellerleuchtetes Display, wo glasklar seine elektronische Oma aufleuchtete und zu ihm vertrauensvoll spricht: "Junge, iß mal was !"
Sie erschrickt, haucht ihm ins Ohr, sie bräuchte keinen Anstands-Wau-Wau, sondern einen richtigen Kerl für die Nacht. Er aber will nun wie von der Großmutter vorgeschlagen, etwas essen. Noch weiß sie nicht, daß rahmsoßenlastige Fertiggerichte Ihr heute Nacht zum Verhängnis werden. Er krempelt die Arme hoch, schwingt den Kochlöffel und bereitet Ihr routiniert das Nachtmahl zu.
Er schüttet zunächst vierzehn Liter Booster in den Bottich, zwölf verschiedene Terrinen in den Bottich, er rührt um, quellt auf, bindet sich ein Lätzchen, es ist angerichtet. Es duftet nach Huhn, nach Curry, nach Rahmsoße und nach eingetrocknetem Schweiß. Eine wirklich olfaktorisches Panoptikum, das sich ihr bietet. Sie würzt etwas nach und er wird böse und befragt nochmals seine elektronische Oma.
Er erfasst Ihr linkes Ohrläppchen, zerrt sie in seine obskure Behausung und schaltet dort, ein für ihn zwar altmodisches, aber doch noch sehr funktionstüchtige Radiogerät ein, dreht ein paar Mal und mit großer Panik hört die Schläferin eine Botschaft, die nur ihr gelten kann.
Mit blankem Entsetzen duckt sie sich, kauert unter den Holztisch, er erkennt die angespannte Lage sofort, zieht instinktiv an der blauen Toilettenschnur, ein Päckchen mit Tarnkleidung fällt herunter, er zieht sich rasch um, zieht den Schneeanzug wie im Schlaf über seine bleiche Haut, stapft durch den frisch gefallenen Sommerschnee zu seinem....
...schon auf ihn wartenden und von einem Sympathisanten für ihn bereitgestellten Fluchtfahrzeug und braust davon wie ein Irrer mit quitschenden abgefahrenen Niederquerschnittsreifen....
Geistesgegenwärtig, die aussichtslose Lage richtig einschätzend, zieht die Schläferin ihre Beschützmich-Ratte aus dem Strumpfband und setzt einen Funkspruch ans Hauptquartier ab.
Eine spätere Heirat ist also somit total ausgeschlossen. Seltsam, aber so steht es geschrieben....