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Jede Menge Barcelona

Veröffentlicht: 25.02.2019

Fängt ja gut an! Beim Verlassen des Hauses fällt uns auf, dass ich vergessen habe, mein Fahrrad vom Laternenparkplatz zu entfernen und im Hof zu sichern.  Der Sattel samt Sattelstütze wurde in dieser Nacht geklaut und es ist keine Zeit mehr, den Rest zu retten. Der 171er Bus nach Schönefeld wartet nämlich nicht, und so können wir uns jetzt fünf Tage lang in Barcelona ausmahlen, wie Stück für Stück das ganze Rad bis auf Schloß und Rahmen verschwindet.

Buchstäblich also "Jede Menge Batzelona", wie ältere Koblenzer sagen. Es geht aber glücklicherweise nicht so weiter, sondern es wird ein wunderschöner, sonniger Kurzurlaub bei dem fast alle unsere Erwartungen übertroffen werden.

Gucken

Es ist unglaublich, in welchen Massen Touristen Barcelona heimsuchen. Man hört immer wieder, dass die Einheimischen mittlerweile rebellieren. Wir merken wenig davon. Jedenfalls sehen wir keine entsprechenden Graffittis und Plakate wie in Kreuzberg und nur einmal werden wir angeraunzt, weil wir im Weg stehen. Radfahrer halt.

Wir schließen uns einer Besichtung an. Unsere Gruppe besteht aus US-Amerikanern, Kanadiern,  Israeslis, Engländern, Chinesen, die Stadtführerin kommt aus Irland. Sie zeigt uns das Gothische Viertel, also den Altstadtkern und wir erfahren von ihr viele Dinge, die uns bisher nicht aufgefallen waren. Das können wir nur empfehlen, zumal das Angebot sehr günstig ist. Es gilt kein fester Tarif sondern das Trinkgeld-Prinzip. Einfach auf der Placa Reial an jedem Tag um 11.00 Uhr nach Leuten mit einem grünen Schirm suchen und los geht es um fünf "deutsche Minuten", (wie unser Guide meint)  nach 11.00 Uhr. Man kann entweder das Gotische Viertel besichtigen oder sich fünf Bauwerke von Antoni Gaudi erklären lassen.

Nie wieder

Essen gehen und etwas trinken  ist durchweg ein Genuss in Barcelona und garnicht teuer. Meistens jedenfalls nicht. Im Schatten der Sagrada Familia kann man für ein kleines Bier schon mal sechs Euro zahlen, wenn man unvorsichtiger Weise meint, die Kneipe sehe ja ganz günstig aus. Aber nur 30 Meter von den Hot-Spots entfernt finden sich richtige Perlen. Unser Hit ist das "La Fonda", zwei Häuserblocks  von der Rambla entfernt. Mittags gibt es für 11,50 Euro ein Dreigängemenue mit Wein inklusive. Ein großer liebevoll gestalteter Raum, toller Service und gutes Essen müssen anscheinend nicht teuer sein. Stofftischdecken und Servietten gibt es obendrein. Die Tische sind ständig besetzt, zu gleichen Teilen mit Touristen und Einheimischen, die alle mit den Kellnerinnen und Kellnern bekannt sind und lebhaft über die Weinqualität diskutieren. Weil das Restaurant aber so groß ist, bekommt wir beide Male innerhalb von fünf Minuten einen Tisch.

Einen Tisch bei "Never more" bekommt man nur auf Vorbestellung. Es soll unser Geburtstagshighlight werden. Wir sind pünkltlich und die Tür in einer dunklen Gasse des Raval-Viertels wird auf Anklopfen von einem jugendlichen, weiblichen Punk geöffnet. Sie führt uns zu unserem Tisch im Hintergrund. Führen ist auch nötig, weil es ist annährend stockduster. Erst nach einigen Minuten kann man Unterschiede im Raum feststellen. Um den Herd, quasi als Bühne, herum gibt es einen Hochtisch mit sechs Plätzen. Wir sitzen fünf Meter entfernt am gedeckten Tisch, der mit blinkenden Weintrauben dekoriert ist. Wie versprochen passt kein Teil der Tischausstattung zum anderen. Der Gastraum ist ein nur oberflächlich aufgeräumter Keller, der glücklicherweise beheizt wird. Der Meister erscheint und beginnt mit seinem Werkzeug zu hantieren. Als Publikum dienen ihm außer uns drei Paare, die mittlerweile am Hochtisch Platz genommen haben. Es beginnt eine Performance, die von gelegentlichem Kochen begleitet wird. Die Punk-Frau flitzt hin und her und spült jedes Stück Geschirr oder Besteck unmittelbar nach Gebrauch, weil so viel ist ja nicht vorhanden.

Alles sehr charmant! Ein Erlebnis! Wenn nur das Essen besser wäre! Die Suppe ist nicht nur salzlos. Sie hat garkeinen Geschmack, die Farbe erkennt man wegen der Lichtverhältnisse nicht. Das Pilzrührei ist sehr ausbaufähig und das Kalbschnitzel reißt es auch nicht raus. Die besten Menue-Bestandteile sind dazu gekauft, wie zum Beispiel die Anchovis. An einer Avokado kann man nur schwer was versauen. Naja, etwas Salz und Pfeffer wären nicht schlecht. "Never More", niemals wieder eben.

Gaudi

Natürlich geht nichts ohne Gaudi ab. Viele Städte sind mit stilbildenden Architekten verbunden, wie Berlin  zum Beispiel mit Schinkel. Aber in keiner anderer Stadt ist ein einzelner Architekt so bestimmend für das Image und gleichzeitg so volkstümlich wie Antoni Gaudi in Barcelona. Das liegt wohl daran, dass es so einfach ist, seine bunten, versponnenden Werke zu mögen. Das war bestimmt zu seinen Lebzeiten nicht so. Nur sehr reiche Leute und sehr reiche Institutionen konnten sich sein Extravaganzen leisten und längst nicht allen gefielen seine Kreationen. Sein letzter Bau vor der Sagrada Familia am Passeig Gracia nannten sie den Steinbruch. Das Haus war urspünglich aus normalen, quaderförmigen Sandsteinen gebaut. Die Wellenform wurde nachträglich von Bildhauern in die fertige Wand geschlagen. Er konnte es nicht nach seinen Vorstellungen fertigstellen, weil die Geldgeber die Nase voll hatten. Die letzten Jahrzehnte seines Lebens hat er ausschließlich an der Kathedrale gebaut, die vielleicht in sieben Jahren fertig wird, nach 140 Jahren Bauzeit.

Abschied

Natürlich gehen wir noch einmal über die Großbaustelle und staunen über die Kühnheit von Gaudi und über die Massen, die kreuz und quer durch die Kirche pilgern. An unserem letzten Tag landen wir durch Zufall wieder an der ewigen Baustelle und trinken einen Kaffee im Angesicht von Baukränen und Abdeckplanen. Ob wir jemals das fertige Bauwerk sehen? Wie auch immer. Bald gehts nach Hause und uns fällt bald wieder das Fahrrad ein. Gegen Mitternacht sehen wir, dass Sattel und Sattelstütze die einzigen Opfer bleiben werden.



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