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Gastbeitrag 2: 4-wöchige Freiwilligenarbeit in einer Preschool in Mtwara - ein Fazit

Veröffentlicht: 14.08.2017

Hier nun der zweite Gastbeitrag eines weiteren Volunteers. Auf diesem Weg nochmals vielen Dank an Steff. Morgen werde ich noch einen weiteren Gastbeitrag hochladen. Und in dieser Woche will ich auch - mittlerweile mit etwas Abstand - den finalen Beitrag zu meiner Zeit verfassen. 

Viele Grüße Klaus 


Gastbeitrag von Steff:

Der folgende Eintrag handelt von meiner Zeit in einer Preschool in Mtwara. Hierbei soll es weniger um den Schulalltag an sich gehen, der bereits ausführlich in Gastbeitrag 1 geschildert wurde, als um die Erlebnisse und Reflektion meiner Freiwilligenarbeit.

Vorab: Menschen leisten aus den unterschiedlichsten Motiven Freiwilligenarbeit. Ein Jeder geht mit einer anderen Einstellung an die Sache. So wollte ich Land und Leute nicht nur kennen- sondern verstehen lernen, indem ich mich in irgendeiner Art und Weise (sinnvoll) engagiere und somit Einblicke in die tansanische Kultur bekomme. Der Grund, weshalb die Wahl schlussendlich auf dieses Projekt gefallen ist, war so banal wie einfach: ich mag Kinder und hatte Lust mich am Unterrichten zu probieren. Dass ich allerdings weder Erzieher oder Lehrer bin, noch über sonstiges pädagogisches Fachwissen verfüge, störte mich nicht. Ganz nach dem Motto "Das wird schon irgendwie", war ich der Meinung das "bestimmt irgendwie hinzubekommen". So hatte ich auch keine Erwartungen an die Schule bzw. die Aufgaben, sondern ging die Sache entspannt und unvoreingenommen an und freute mich auf die Zeit und Eindrücke, die vor mir lag.

Am ersten Schultag nach den Sommerferien startete schließlich meine Freiwilligenarbeit in einer privat geführten Montessori Preschool, deren Unterrichtssprache - wie in Tansania üblich - Englisch war. Die ungefähr 80 Kinder im Alter von zwei bis sechs Jahren, die diese Schule besuchten, teilten sich in vier Klassen auf: Babyclass (2-4 Jahre), die wiederum in zwei Altersstufen unterteilt war, Pre-Unit (4-5 Jahre) und Standard One (5-6 Jahre). Neben dem Mutter-Tochter-Schulleitergespann gab es noch sechs Lehrerinnen. Die Schule war optisch sehr schön und - was das Wichtigste ist - auch sehr gut mit allerlei Materialien ausgerüstet. Farbenfroh gestaltete Klassenzimmer mit großen Lernpostern zu den verschiedensten Themen, Wandbemalungen, eine große Auswahl an Spielzeug und Kuscheltieren, viele (Mal)Bücher und sogar ein TV waren vorhanden.

Ich wurde der Babyclass zugeteilt, in der zwei Lehrerinnen für rund 40 Kinder im Alter von zwei bis vier Jahren zuständig waren. Kurze Zeit später teilte man die Klasse aufgrund von Platzmangel und Leistungsunterschieden in zwei Einheiten. Während sich eine Lehrerin um die ganz Kleinen kümmerte, die noch gar kein Englisch konnten, unterrichtete die andere Lehrerin die 3- bis 4-Jährigen, die (zum Großteil fehlerfrei) auf Englisch bis fünf zählen und sich selbst vorstellen konnten.

Nach dem ersten Gespräch mit den für die Babyclass zuständigen Lehrerinnen beschlossen wir gemeinsam, dass ich mich in meiner Zeit als Volontär um den Englischunterricht kümmern werde. Somit wusste ich nun auch meine Aufgabe für den kommenden Monat: zwei mal die Woche würde ich versuchen den Kindern Englisch beizubringen.

Zwei Wochen ist es nun her, seitdem ich das Volontariat beendete. Zwei Wochen Zeit um die ganzen neuen Erlebnisse und Eindrücke zu verarbeiten, sortieren und Bilanz zu ziehen.

Zu Beginn des Beitrages erläuterte ich, mit welcher Motivation und mit welchem Anspruch ich an dieses Projekt heran ging. Mittlerweile sehe ich in dieser "Kurzsichtigkeit" ein großes Gefahrenpotenzial. Mir drängte sich hin und wieder der Eindruck auf, man tausche - überspitzt ausgedrückt - die Zukunft der Kinder gegen das Geld von Europäern, die "mal eine Erfahrung machen wollen". So agierte ich aufgrund nicht vorhandenem Know-How, sowie Sprach- und Kulturbarrieren im Großteil meiner Unterrichtszeit plan- und manchmal auch etwas hilflos. Sofern man also keine ansatzweise vergleichbare Lehrerausbildung hat, hat es für die Kinder keinen Nutzen und verfehlt somit das Ziel von Freiwilligenarbeit.

An diesem Punkt ist meiner Meinung nach sowohl die vermittelnde Organisation als auch der Voluntär - hierbei muss ich mir an die eigene Nase fassen - in die Pflicht zu nehmen um aus dem gut gemeinten, manchmal vielleicht etwas naiven Gedanken, helfen zu wollen kein Geschäft unter dem Deckmantel der Freiwilligenarbeit werden zu lassen. Man sollte nicht so sorgenlos alle zahlungswilligen Personen vermitteln und auf diese Weise leichtfertig die Bildung von Kindern verspielen. Genauso sollte allerdings jeder Interessent realistisch genug sein; sich selbst gegenüber und den sich ihm erwartenden Aufgaben. Zum Einen muss er sich ehrlich die Frage stellen, ob er den Anforderungen gewachsen und überhaupt dafür qualifiziert ist. Zum Anderen muss man sich darüber im Klaren sein, den Großteil der Zeit nicht das zu tun, was einem Bilder und (Werbe-)Texte haben glauben lassen. Darüber hinaus macht es oftmals nicht einmal einen Unterschied aus, ob man nun dort ist oder eben nicht.

Da das Unterrichten nur etwa 10% der Wochenarbeitszeit ausmacht, wurde mir schon sehr bald klar, dass - neben einer Menge Leerlauf und hier und da mit den Kindern zu spielen - meine einzigen Aufgaben daraus bestanden, Hausaufgaben in Hefte zu notieren oder den Kindern die Schuhe zu binden.

Des Weiteren hatte ich aufgrund der sehr guten Rahmenbedingungen und Ausstattung der Schule oftmals den Eindruck als es würde man das Geld, das man indirekt an die Schule gezahlt hat, anderweitig dringender benötigen (z.B. staatliche Schulen).

Zweifellos schade war jedoch das verschwendete Potential der Schule.

Zum Einen war es sehr unkoordiniert: Während offiziell zwar ein Stundenplan existierte, wurde er allerdings nur spärlich umgesetzt. Von den geplanten drei Fächern pro Tag wurde meistens nur Englisch oder Mathe unterrichtet, manchmal noch ein zweites Fach. In der restlichen Zeit hatten die Kinder dann zu schlafen, während die Lehrerinnen damit beschäftigt waren das Frühstück bzw. Mittagessen vorzubereiten oder Hausaufgaben in die Hefte der Kinder zu notieren. Darüber hinaus kam auch der Schulbus mitsamt Lehrerinnen meist 30-45min zu spät, was zur Folge hatte, dass zusätzlich täglich potenzielle Unterrichtszeit verloren ging.

Zum Anderen wurde ich Zeuge von - gelinde gesagt - fragwürdigen Lehrmethoden. Aufgrund einer falschen Antwort, forderte die Lehrerin alle anderen Schüler dazu auf sich im Kreis um den Schüler zu stellen, ihm kollektiv auf den Kopf zu tätscheln und dabei ein Lied zu singen. Der Text "Shame, shame, shame on you. You've been a bad boy" sollte wohl den Sinn haben schlechtes Benehmen "auszutreiben", führt jedich meiner Ansicht nach nur dazu, dass sich das Kind aus Angst etwas Falsch zu machen nicht mehr am Unterricht beteiligt. Fragwürdig empfand ich auch die Erwartungshaltung an die Kinder. Kindern in frühen Jahren spielerisch Englisch beizubringen, halte ich persönliche für eine gute Idee. Sie allerdings unter Zuhilfenahme eines Stockes fügig zu machen und sie so unter Androhung von Hieben zum Lernen "motivieren", finde ich als nicht förderlich.

Trotz aller "Differenzen": Auch wenn es in meinen Augen oftmals ungewohnt bis hin zu inakzeptabel war, so erhalten die Kinder in solchen Einrichtungen noch immer eine bessere Bildung als in staatlichen Schulen und bekommen zudem zwei warme Mahlzeiten pro Tag. Abschließend lässt sich feststellen, dass die Grundlage für eine erfolgreiche Zukunft der Kinder gelegt wurde. Was meiner Meinung noch fehlt, ist eine ganzheitliche Struktur, die nachhaltigen und gleichmäßigen Erfolg garantiert.

P.S.: Nachdem ich nun alles nochmal gelesen habe, möchte ich unbedingt etwas klarstellen:

Auf gar keinen Fall möchte ich den Eindruck aufkommen lassen, mir hätte die Zeit in der Schule nicht gefallen. Ganz im Gegenteil. Ich bin unendlich froh und dankbar für die Möglichkeit, die Erlebnisse und all die Erfahrungen. Was einem zudem die Kinder an Freude und Zuwendung entgegenbringen, ist nicht in Worte zu fassen. Sie nahmen mich interessiert auf und machten es mir einfach mit ihnen zu kommunizieren, ohne dass wir dieselbe Sprache sprachen. Jeder noch so seltsame Moment löste sich schnell in Gelächter auf. So kam mir mein letzter Tag auch so vor, als würde man sich von ca. 40 kleinen Geschwistern verabschieden.

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