Veröffentlicht: 09.09.2018
In „Stratford“ begann ein Geduldsspiel der besonderen Art. - Sobald man die Ortschaft verlässt, eröffnet sich bei besten Wetterbedingungen ein freier Blick auf „Mount Taranaki“ - einem Vulkan wie aus dem Bilderbuch. Doch um einen dieser wenigen Momente zu erwischen, bedarf es Geduld, Ausdauer und Glück.
Eine Maori-Legende besagt, dass Mt Taranaki aus dem Zentrum der Nordinsel vertrieben wurde. Als er nämlich bei einer Liebelei mit der schönen „Mt Piranga“ erwischt wurde, war ihr Geliebter („Mt Tongariro“) erbost. Aus Schande oder um den Frieden zu wahren, ließ sich Mt Taranaki an der Westküste nieder. Dabei riss er eine tiefe Narbe ins Land, welche heute den „Whanganui River“ bildet. Seither steht er in majestätischer Einsamkeit und versteckt sein Gesicht meist hinter Wolken, um seine Tränen zu verdecken.
In den vergangenen Tagen hielten wir die Augen offen und hofften auf kleinere Lücken zwischen den breiten Wolkenfronten. Gleich nach dem Frühstück zog es uns auf die Straße. Doch die meiste Zeit über war vom 2.518m hohen Vulkan gerade mal die untere Hälfte zu sehen. Also verkrochen wir uns in die Bücherei, um weiter am Blog zu arbeiten. Darüber hinaus widmeten wir uns den ersten Gedankenzügen bezüglich des Autoverkaufs.
Zurück auf dem Campingplatz verwöhnten wir uns mit aufwendigeren Mahlzeiten und führten längere Gespräche mit anderen Backpackern.
Heute statteten wir der örtlichen i-Site einen Besuch ab, um uns Informationen über Wanderungen im Umkreis einzuholen. Zudem gab sie uns die Wettervorhersage für die kommenden Tage, die vielversprechend aussah, und einen Tipp! Gleich mehrere Internetseiten bieten die Möglichkeit an, Mt Taranaki über Videokameras zu belauern. Dabei stellten wir fest, dass der Gipfel trotz der vielen Wolken ab und an zu sehen war. Von unten schien sie vollständig bedeckt zu sein - doch der Blick von weiter oben bot eine freie Sicht auf die schneebedeckte Spitze. Uns gefiel die Art der Beobachtung, weshalb wir von nun an gleich mehrfach am Tag die Livebilder aufriefen. Denn dort oben kann sich die Wetterlage schnell ändern.
Die derzeit wenigen Sonnenstunden nutzten wir, um uns Stratford einmal genauer anzuschauen. Das Örtchen ist relativ übersichtlich und hat neben Mt Taranaki, um ehrlich zu sein, nur wenig zu bieten. Doch im Zentrum der Stadt befindet sich ein schwarz-weißer Glockenturm. Dieser spielt gleich mehrmals am Tag ein kurzes Glockenspiel vor. Pünktlich um 15:00 Uhr stellten wir uns auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf. Die Lautsprecher begannen zu dröhnen und einzelne Figuren erschienen zwischen den Fenstern. Voller Spannung hörten und schauten wir der Darbietung zu. - In Anlehnung an die britische Ortschaft „Stratford-upon-Avon“, dem Geburtsort von William Shakespeare, präsentierte „The Glockenspiel“ die Tragödie von Romeo und Julia. - Auch wenn wir von der Erzählung nicht viel verstehen konnten - der Turm befand sich direkt am vielbefahrenen Highway - war ein Happy End zwischen den beiden deutlich auszumachen.
Am Nachmittag verzogen wir uns in die Küche vom Campingplatz und backten einen Schokoladen-Mango-Brownie - Seelenfutter gegen den anhaltenden Regen, versteht sich. ;) Zum Abendessen gab es dann überbackene Wraps und als Filmsnack Mikrowellenpopcorn. - Hierbei die richtige Geschmacksrichtung zu finden, gestaltet sich in Neuseeland schwieriger als gedacht. Die Suche nach süßem Popcorn können wir an dieser Stelle jedem Verzweifelten abnehmen: Es gibt keines! Neben salzig und buttrig ist die süß + salzige Variante die Einzige, die dem süßen Popcorn aus Deutschland nahekommt. Letzten Endes war die Option gar nicht so schlimm wie vermutet und schmeckte ganz gut.
Ob das wechselhafte Wetter morgen ein Ende hat? Und der Vulkan, der zuletzt im Jahr 1755 ausbrach und nach Expertenmeinung längst überfällig sei, endlich zu sehen sein wird? We will see.