Veröffentlicht: 26.06.2019
Hallo! - mittlerweile schon nicht mehr aus Dublin, sondern aus dem Familienulraub in Dänemark.
Das Abenteuer Irland endete für mich letzte Woche Freitag mit meinem Rückflug nach Berlin. Ich hatte am Flughafen schon angefangen diesen letzten Artikel zu schreiben, hatte aber dort leider nicht genug Zeit und auch ehrlich gesagt nicht die Muße und den nötigen emotionalen Abstand, um meine Gedanken zu ordnen und nochmal abschließend reflektiert wiederzugeben. Außerdem war ich mir auch nicht sicher, worüber ich am besten schreiben soll. Meine Lieblingsorte? Die schönsten Erinnerungen? Die tollen Menschen, die ich kennengelernt habe, die mich inspiriert haben und teilweise sogar meine Freunde geworden sind? Meine Gefühle während dieser 9 Monate und die schwierigen Phasen, in denen ich am liebsten nach Hause geflogen wäre? Denn auf die Frage: "Wie war's ?" gibt es keine Antwort, mit der man sich kurzfassen kann. Ich werde es dennoch versuchen und entschuldige mich schon mal im Voraus für die Länge.
Die letzten Wochen in Dublin waren für mich wahrscheinlich die schönsten und ich denke, dass ich sie nochmal ganz anders gelebt habe.
Denn sobald einem bewusst wird, dass man all die schönen Dinge,
die man hier als selbstverständlich zu seinem Alltag zählt,
vielleicht gerade ein letztes Mal erlebt, wird man ein wenig
nostalgisch und versucht, jeden Moment zu genießen und festzuhalten.
Ich kann mich an einige dieser Situationen sehr lebhaft erinnern.
Ein
Beispiel wäre mein letzter Wochenendausflug mit einigen Freundinnen an die Westküste
Irlands in dem klapprigen, undichten Bus, der uns allen jedoch das Gefühl eines
unbeschwerten Roadtrips vermittelte und uns die Erfahrung machen
ließ, dass es möglich ist, im Sommer innerhalb eines Tages zu
surfen und bei winterlichen Temperaturen frierend am Kamin zu sitzen.
Ich habe auch viel Zeit in Dublin verbracht und es hat mich immer wieder beeindruckt, wie viel es nach dieser langen Zeit immer noch neu zu entdecken gibt. Ich glaube ich muss nicht nochmal betonen, wie sehr mir Dublin ans Herz gewachsen ist! (auch wenn ich es gerade mache). Ich habe so viele Wochenenden dort mit meinen Freundinnen verbracht, tolle Orte besucht und Menschen kennengelernt. Auch abends war ich dort noch öfter unterwegs und ich mochte das Gefühl, durch das bunte Treiben der Stadt zu schlendern und mich irgendwo hinzusetzen und einfach der Musik zuzuhören. Zu meinen Highlights in Dublin zählt auf jeden Fall das Cafe „The Clockwork Door“, welches ich auch schon erwähnt habe. Es ist inmitten des Temple Bar Bezirks, am Fluss Liffey und eher unscheinbar. Aber die Events, an denen ich dort teilgenomen habe, zählen definitiv zu meinen liebsten. Ich kann mich noch erinnern, dass ich das erste Mal zu einer Veranstaltung die sich „Drink & Draw“ nannte, gegangen bin. Wir haben da zur Musik von Queen und Abba ein Porträt nach dem Stil Picasso‘s gemalt. Ein anderes Event, das mir immer im Herzen bleiben wird, nannte sich „Storytelling“. Es war jedoch kein Geschichtenerzählen im herkömmlichen Sinne – es wurde kein Geschichtenerzähler gebucht, sondern Freiwillige aus dem Publikum haben sich nach vorn gesetzt und einer unbekannten Gruppe von Menschen eine ihrer Geschichten erzählt. Wir haben uns einen sehr berührenden Text über das Thema Reisen und Zuhause angehört, die Geschichten von einem unbeabsichtigten Autodiebstahl und einer 24 - Stundenschicht angehört, welche damit endete, dass enttäuschte Gäste einer Veranstaltungsgruppe mit diversen ekelhaften Dingen um sich geworfen haben und der Boden mit einer Zahnbürste geschrubbt werden musste. Es wurden auch sehr bewegende Lebensereignisse oder -erfahrungen geteilt, die uns in gewisser Weise eine Moral vermittelt haben und unseren Fokus erneut auf die wirklich wichtigen Dinge im Leben gelenkt haben.
Doch es geht nicht nur um Dublin als Stadt generell, sondern auch meine letzten Besuche in all den kleinen charmanten Vororten. Dazu zählt zum Beispiel mein letzter Nachmittag im People‘s Park in Dun Laoghaire, in dem jeden Sonntag ein Foodmarket veranstaltet wird und der dazu einlädt, sich kulinarisch auszuleben. Es war ein für irische Verhältnisse perfekter Tag bei Sonnenschein und frühlingshaften Temperaturen und ich habe dort mit einer Freundin einige Stunden verbracht und bei Gesprächen einem Mann zugehört, der sich mit seinem Keyboard auf eine Bank neben den Brunnen gesetzt hat, um zu spielen.
Weitere Favouriten sind für mich definitiv die beiden Örtchen Bray und Greystones, welche durch einen wunderschönen Cliffwalk mit Sicht auf das Meer verbunden sind. Ich erinnere mich gern an die Vormittage, an denen ich mit Freundinnen in meinem Lieblingscafe „The Happy Pear“ frühstücken war (es ist so beliebt, dass die Menschen gern mal die ganze Straße herunter anstehen, um dort zu essen), oder den Bray Head (ein Berg) hochgewandert bin, um den Ausblick bis Dublin zu genießen. All diese Momente haben mich den Alltagsstress vergessen lassen und mir beigebracht, wie toll es ist, im Jetzt zu leben und einen Moment voll auszukosten.
Eine Sache die ich auch sehr vermissen werde, sind die unzähligen Pubbesuche, die aus so vielen Gründen jedes Mal besonders waren. Ich erinnere mich an Abende, an denen ich mich mit Freundinnen getroffen habe, um Brettspiele zu spielen oder Bands zuzuhören. Die Momente, in denen alle zusammen gefeiert haben, mitgesungen haben und einfach ausgelassen waren, bleiben mir im Herzen. Besonders das Gefühl, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und den Moment für immer festzuhalten, werde ich immer mit diesen Erinnerungen verbinden.
Das sind alles nur Beispiele, und ich würde so gern weiter und immer mehr darüber schreiben, aber da wäre ich auch nach vielen Stunden noch nicht fertig.
Mal abgesehen von den Orten, die ich gerade erwähnt habe, ist mir
der Abschied von den Personen, die ich kennenlernen durfte noch um
einiges schwerer gefallen. Einige meiner Freundinnen musste ich schon
vor meiner eigenen Abreise verabschieden und das hat mir in diesen
Momenten auch vor die Augen geführt, dass meine Zeit hier selber zu einem
Ende kommen würde. Und das zu akzeptieren bzw. an mich heranzulassen, schien
mir bis zu einigen Tagen vor meinem Flug unmöglich. Es ist ein
seltsames Gefühl, eine Freundin, die man eigentlich noch nicht so lange kennt,
zu verabschieden, obwohl man so viel Zeit mit ihr verbracht hat und
so viele Erinnerungen teilt. Einige von ihnen kommen aus anderen
Ländern oder wohnen in ganz anderen Teilen von Deutschland, sodass
es deutlich schwerer wird, den Kontakt auch in Zukunft so zu halten.
Aber das Gefühl, dass auch die anderen bereits – oder in naher
Zukunft nach Hause gehen, war beruhigend.
Anders ist es mit den
Menschen, welche ich wirklich in Irland zurücklassen musste. Und dazu zählen
vor allem die Leute in dem Demenzheim. Ich habe so viel Zeit mit
ihnen verbracht, dass ich sie sehr lieb gewonnen habe. Sowohl
die Mitarbeiter als auch die Residents. Und während ich diese Zeilen
hier schreibe, vermisse ich sie sehr. Der Abschied dort war
gleichzeitig schön, aber auch mit am schwersten. Sie haben mir
mit lieben Worten, persönlich geschriebenen Karten und Pralinen
nochmal so viel Dankbarkeit entgegengebracht, dass ich gar nicht
anders kann, als sie immer in meinem Herzen zu behalten. Am
schwersten zu akzeptieren ist, dass die Residents sich aufgrund der
Krankheit wohl nicht mehr „aktiv“ an mich erinnern werden und ich
weiß auch nicht, wie es bei meinem nächsten Besuch aussehen wird.
Dass mich das mal so mitnehmen würde, hätte ich nicht gedacht, als ich angefangen habe, mit ihnen Zeit
zu verbringen. Ich glaube sogar, dass ich mit ihnen mehr Stunden
verbracht habe, als mit meiner Gastfamilie (einfach auch wegen meines
kleinen Aufgabenumfangs als Au Pair). Aber ich denke so gern an die
Stunden mit ihnen im Heim zurück und auch die Gespräche in ihren "guten"
Momenten, die mir ihre Persönlichkeiten gezeigt haben, wie viel sie
über das Leben gelernt haben und ihre von Herzen gut gemeinten Worte
an mich. All das wird mir jetzt nochmal mehr bewusst.
Der Abschied von meiner Gastfamilie war auch traurig, aber ich denke das ist ganz normal, nachdem ich 9 Monate mit ihnen zusammen gelebt habe (auch wenn wir sonst nicht viel zusammen unternommen haben).
Die letzten Wochen waren folglich also einerseits intensiv, weil ich so viel unterwegs war, um entweder Leute zu treffen oder einfach mal abends beim Sonnengang am Strand entlang spazieren war und nachgedacht habe. Und andererseits aufgrund meiner oft schwankenden Gefühlslage bei dem Gedanken, nach Hause zu gehen – von Vorfreude auf den Sommer (!) mit meiner Familie und meinen Freunden aus Cottbus, bis zum Wunsch, einfach in Irland zu bleiben und der Verwirrung, was ich eigentlich denken und fühlen soll?? Es war dieses Mal einfach eine andere Art, sich zu verabschieden. Als ich nach Irland gekommen bin, fiel mir der Abschied definitiv schwerer als jetzt, aber aus dem Grund, dass ich keine Ahnung hatte, was auf mich zukommen würde und ich noch nie so lange von zu Hause weg war. Dieses Mal jedoch musste ich alles zurücklassen, was ich mir aufgebaut hatte und ich weiß, dass dieser Abschnitt meines Lebens wirklich vorbei ist und es nie wieder so sein wird, wie vorher.
Rückblickend fühle ich jetzt, abgesehen davon, dass ich glücklich bin, meine Familie und Freunde von zu Hause wieder um mich herum zu haben, ganz viel Dankbarkeit.
Ich habe gelernt mit schwierigen Situationen umzugehen, mir meinen
eigenen Alltag aufgebaut und gelernt den Freiraum, meine eigenen
Entscheidungen komplett unabhängig treffen zu können,
wertzuschätzen. Ich kenne mich selbst besser und habe ein ganz
anderes Grundvertrauen – in mich selbst und darin, schwierige Situationen bewältigen zu können.
Ich danke mir also auch selbst dafür, dass ich mich damals
gezwungen habe, diese Entscheidung zu treffen (welche definitiv die
beste meines Lebens war) und mir so ermöglicht habe, an mir selbst
zu wachsen und diese wertvollen Erfahrungen zu machen.
Ich habe alle
Gefühle und Emotionen während meines Auslandsjahres stärker erlebt, als zuvor in Deutschland. Ich
glaube, das hat damit zu tun, dass ich einfach auf mich allein
gestellt war und viel mit mir selbst ausgemacht habe. Ich habe gelernt, wie es sich anfühlt, einfach von
innen heraus glücklich zu sein, aber auch negative Emotionen auszuhalten.
Was ich persönlich jedoch als am wichtigsten erachte, sind die Menschen, die ich kennengelernt habe. Anfangs fiel es mir schwer, offen auf Menschen zuzugehen, doch mit der Zeit habe ich mitbekommen, wie einfach es ist. Ich habe so viele tolle Unterhaltungen geführt mit Leuten unterschiedlichster Herkunft, Alter oder Lebensweise. Und genau das hat mich sehr inspiriert, vor allem freier durch die Welt zu gehen, weniger zu urteilen und Dinge unabhängig verbreiteter Sichtweisen zu hinterfragen und aus noch mehr Blickwinkeln zu betrachten. Es ist toll Personen zu treffen, die aus ganz anderen Kontexten nach Irland gekommen sind oder ihr Leben auf eine bestimmte Art und Weise leben. Aus all diesen Konversationen konnte ich mir Ideen und Ansätze behalten – allgemein einfach aufgeschlossener werden und immer wieder versuchen aus meiner eigenen kleinen Seifenblase herauszutreten.
Für mich ist „zu Hause“ ein Gefühl geworden, es ist dort wo die Menschen sind, mit denen ich mich am wohlsten fühle und das kann es an mehreren Orten geben.
Ich bin schon ein bisschen traurig,
dass das mein letzter Blogeintrag sein wird, aber ich möchte die
Gelegenheit nutzen, mich bei allen zu bedanken, die mich auf
diesem Weg begleitet haben und regelmäßig meine Texte hier gelesen
haben oder mich auf andere Arten und Weisen unterstützt haben und
immer ein offenes Ohr für mich hatten – um sowohl die schönen, als auch
die schwierigen Momente zu teilen.
Danke ❤️
Liebe Grüße - Hanna