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Zeit Abschied zu nehmen

Veröffentlicht: 22.05.2018

Wer hat an der Uhr gedreht? Ja, es ist wirklich schon so spät, dass ich mich von Hanoi und all den tollen Menschen, die ich hier kennengelernt habe, langsam verabschieden muss. Ich glaube wir alle kennen diesen Moment im Urlaub, wo man zu anfangs gedacht hat, es ist noch so viel Zeit übrig und auf einmal ist der Urlaub wie aus dem Nichts vorbei. Ganz ähnlich geht es mir gerade. Vor etwa fünf Monaten bin ich in der vietnamesischen Hauptstadt mit meinem großen Rucksack gelandet und nun muss ich diesen wieder packen. Hinzugekommen sind großartige Erlebnisse, die ich auch erst einmal verstauen und verdauen muss.

Es war mein erstes Mal für längere Zeit im Ausland zu leben und ich muss sagen meine Erwartungen wurden erfüllt. Vietnam ist zwar längst kein unbekanntes Land mehr, aber dort zu leben verändert schon die Sichtweise für bestimmte alltägliche Dinge. Dieses Auslandssemester war ein voller Erfolg und dementsprechend geht der Dank hier auch noch einmal an die Universität Greifswald und an die Universität Hanoi, die mir dieses erst ermöglicht habe. Es war ungemein interessant und lehrreich zu erleben, wie es ist, in Vietnam zu studieren. Dabei ist es gar nicht so viel anders, wie es sich der ein oder andere vorstellen mag. Auch meine Kommilitonen haben die gleichen Ziele und Wünsche, wie wir sie haben und verbringen ihre Freizeit ebenfalls gerne mit einem kühlen Bier, beim Sport oder beim Musizieren.

Es ist wohl leider ein ungeschriebenes Gesetz, dass man immer dann gehen muss, wenn man sich gerade richtig eingelebt hat. So ist es zumindest bei mir. Für mich war nicht nur das Leben fern der Heimat Premiere, auch das Leben in einer Millionenstadt, dazu noch in dieser ungemein lauten und chaotischen, war für mich neu. Aufgewachsen in der mecklenburgischen Provinz und zum Studium ins von einer Kleinstadtatmosphäre geprägte Greifswald gekommen, war Hanoi das komplette Gegenteil dessen, was ich bisher erlebte. Tagtäglich sah ich mich mit tausenden Mopeds konfrontiert, die am Tage die Straßen säumten. Aber auch daran gewöhnte ich mich schnell. Genauso wie an die vorhandene Sprachbarriere. Geschätzt sprechen 90 Prozent aller Menschen hier kein Englisch. Schnell mal nach dem Weg fragen war für mich schier unmöglich. Ich muss sagen, dass die moderne Kommunikationstechnologie mitsamt Übersetzer und Kartenmaterial auf dem Smartphone den Alltag deutlich erleichterte, wenngleich ich mich frage, ob nicht dadurch auch der Reiz des Abenteuers verloren geht. Erst langsam konnte ich meine Kenntnisse in der hiesigen Landessprache verbessern, wobei ich feststellte, dass auch wenige Wörter bei der Kommunikation ungemein helfen können. Das Handeln auf der Straße klappte beispielsweise deutlich besser, wenn ich nach der korrekten Begrüßung der Verkäuferin die Zahlen auf Vietnamesisch ins Verkaufsgespräch mit einwarf.

Das Traurige ist, dass ich viele meiner Weggefährten hier wahrscheinlich nicht allzu schnell wiedersehen werde. Sich aus Hanoi zu verabschieden bedeutet auch, ein letztes frischgezapftes Bier mit Kommilitonen, Mitbewohnern und Mannschaftskameraden zu trinken. Ganz besonders ins Herz geschlossen habe ich Hung und Lam, mit denen ich den Kurs Intercultural Communication besuchte. Beide stehen für die neue, gut gebildete Generation an Vietnamesen, die auch über den Tellerrand hinausschauen. Regelmäßig trafen wir uns und diskutierten über die Politik in ihrem Land. Ihr Wunsch die Welt zu bereisen und frei, auch von familiären Zwängen zu sein, prägt ihr Denken. Dabei merkte ich, wie gut wir es hier in Deutschland haben. Freie Wahlen gibt es nur in der Verfassung, in der Realität werden die Menschen sehr resolut dazu aufgefordert, wählen zu gehen. Auch die Wahlergebnisse bleiben nicht geheim, denn sie werden an ihre Universität geschickt, erzählten mir beide. Wenn sie weiter an der Nationaluniversität studieren möchten, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als der kommunistischen Partei ihre Stimme zu geben. Die ältere Generation, vor allem aus dem Norden, steht der Sache anders gegenüber und vertritt überwiegend traditionelle Ansichten. So bat mich Hung, während er mich zu seiner Familie nach Nam Dinh einlud, das Thema Politik bei den Gesprächen ruhen zu lassen. Ich bin mir sicher, dass wenn mehr Menschen so wie Hung und Lam denken, dass das System ohne tiefgreifende Reformen keine langfristige Zukunft besitzt und es zu einem Umbruch kommt.

Heute bekomm ich dann noch einmal Besuch. Mit meinem Bruder Henning werde ich die letzten zweieinhalb Wochen meines Vietnamaufenthaltes verbringen und das Land noch weiter bereisen.

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