La daabacay: 14.08.2020
Celina: Zwölf Monate zuvor hätte ich niemals gedacht, mich ein Jahr später an 6 Monate in Neuseeland zurückerinnern zu können. Es ist echt verrückt, dass Anna und ich uns erst 2 Monate vorher dafür entschieden haben. Ich finde, es war ziemlich mutig von uns, Neuseeland in unserem Gap year erkunden zu wollen, und auf jeden Fall die richtige Entscheidung. Diese Zeit werden wir nie vergessen, sowohl die Höhe-, als auch die Tiefpunkte. Am Ende haben wir alles irgendwie gemeistert.
In meinen Augen ist das Wichtigste, dass man seine Erlebnisse und Erfahrungen in Neuseeland mit jemanden teilen kann. Alleine macht es eben nur halb so viel Spaß. Ich bin einfach nur froh und dankbar, dass ich mit Anna und später auch mit Flori dort gewesen bin. Wir haben zusammengehalten, egal bei was, und sie waren immer für mich da, auch als es mir nicht so gut ging. Ich denke, das Abenteuer verbindet uns und hat unsere Freundschaft weiter gestärkt. Alleine hätte ich es, glaube ich, maximal einen Monat ausgehalten.
6 Monate waren eine lange Zeit und haben letztendlich ausgereicht. Es ist eine Erfahrung wert in seinem eigenen Auto bzw. Campervan auf verschiedenen Campingplätzen zu leben. Wir waren mobil, konnten oft in der freien Natur schlafen und hatten immer einen schönen Sonnenauf- und untergang oder das Meer vor der Autotür. Was wir landschaftlich alles auf Neuseelands Nord- und Südinsel sehen konnten, war echt beeindruckend. Manchmal kann ich kaum realisieren, dass wir wirklich dort waren, am anderen Ende der Welt. An jedem neuen Ort, den wir besuchten, sah es immer wieder anders aus. Einen Tag fuhren wir mitten durchs Gebirge, dann waren wir am Meer, später in einer Stadt und am nächsten Tag an einem See. In einem Moment schien die Sonne und es war warm, und im nächsten war es kalt, windig und regnerisch. So etwas erlebt man garantiert nur in Neuseeland.
Eine Sache hat sich allerdings durch die komplette Zeit in Neuseeland gezogen: So ziemlich alles, was wir uns vorgenommen haben, hat nicht gleich auf Anhieb geklappt, sondern erst mit viel Geduld und ein paar Anläufen. Das war oft nicht leicht für uns, und hat an unseren Kräften und Nerven gezerrt. Sobald wir einen neuen Plan hatten, wurde dieser im nächsten Moment schon wieder zunichte gemacht und wir brauchten einen neuen. Aber die Probleme mit unserem Auto haben wir letztendlich doch immer gelöst bekommen. Wir haben es geschafft, sechs Wochen fast jeden Tag auf einer Kiwifarm durchzuziehen, wovon wir drei Wochen ziemlich mies von unserem „Chef“ behandelt wurden. Wir haben unseren Work & Travel- Aufenthalt ganz ohne Organisation organisiert bekommen. Bei der Tongariro- Wanderung dachten wir, wir würden sterben, aber auch das haben wir geschafft. Außerdem war es eine große Herausforderung, plötzlich komplett auf mich alleine gestellt zu sein und ins kalte Wasser springen zu müssen. Aber wie ich mein Leben alleine organisiere, was ich dafür brauche und wo meine Grenzen sind, habe ich in diesen 6 Monaten definitiv ausgeprägt gelernt. Überhaupt lernt man nirgendwo besser Selbstständigkeit, als wenn man eine Zeit lang in einem anderen Land lebt.
Das Backpackerleben ist nicht immer ganz einfach oder angenehm. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich zum Beispiel auf eine dauerhaft verfügbare Steckdose, eine Dusche, Wlan, viele Klamotten und mein großes Zimmer mit einem warmen, kuscheligen Bett freue. Oft froren wir im Auto oder ärgerten uns, weil alles so eng war. Wir konnten deshalb nie richtig schlafen, ekelten uns in der Dusche oder der Toilette und dann war der Weg dorthin oft noch so weit. Da hat man es zuhause einfach bequemer. Obwohl wir versuchten uns abwechslungsreich zu ernähren, waren uns die wiederholten Mahlzeiten irgendwann einfach über. Die größte Sorge, die uns außerdem so gut wie immer verfolgte, war die um das Geld. Das schränkte uns zwar ziemlich oft ein, lehrte uns aber auch, gesund damit umzugehen.
Das Ende ist leider gar nicht wie erhofft gewesen. Es fing mit der verzweifelten Jobsuche auf der ganzen Südinsel an, und dann der Tatsache, dass wir bei unserem Job nicht eingeteilt wurden. Zu dem Zeitpunkt fing dann ja auch die größte Krise seit dem Zweiten Weltkrieg an, die Corona- Pandemie. Dafür konnten wir genau so wenig, wie alle anderen und niemand hätte so etwas erahnen können. Dennoch sorgte Corona dafür, dass wir Australien vergessen konnten, und eher abreisen mussten bzw. wollten. In Neuseeland wurde schon bald die Ausgangssperre verhängt und wir saßen wortwörtlich fest, kamen nicht mehr nach Hause, geschweige denn sonst wohin. Wir verloren eine Menge Geld für Flüge, die am Ende gestrichen wurden, und auch bei den Autos, die wir so schnell wie möglich verkaufen mussten. Dann hieß es nur noch warten, bis wir mit einem Sonderflugzeug der deutschen Regierung nach Hause geflogen wurden. Das war nicht nur ein großes Abenteuer, sondern auch die mit Abstand größte Herausforderung jemals. Davon werde ich in Jahren wahrscheinlich immer noch sprechen.
Je länger wir weg waren, desto mehr wurde mir bewusst, was ich alles an zuhause vermisse und was mir vor allem anderen am Herzen liegt. Besonders auf das Wiedersehen mit meiner Familie freute ich mich jeden Tag mehr. Das war für mich auch das Schönste an meiner Rückkehr.
Gerade jetzt, wo wir in dieser Krise stecken und niemand weiß, was sich in naher Zukunft verändern wird, bin ich froh, dass ich diese Zeit in Neuseeland jetzt erleben durfte. Wäre ich nach der Schule nicht ins Ausland gegangen, hätte ich es später ganz bestimmt bereut, denn ich liebe das Reisen nun mal. Warum hätte ich dann auf eine Chance wie diese verzichten sollen? Auf jeden Fall war es eine andere Art des Reisens. Es war nicht wie ein entspannter Urlaub, denn wir haben dort ja richtig gelebt. Außerdem haben wir uns dieses Leben in unserem eigenen Zuhause, im Auto, schon sowohl in Deutschland, als auch vor Ort selbst erarbeitet. Darauf können wir stolz sein.
Anna: Nach einem halben Jahr in Neuseeland kann ich nicht astrein englisch sprechen, und hab auch keine 10 neuen Freundschaften geschlossen. Ich brauche eben Ewigkeiten für sowas, warum sollte das im Ausland anders sein?
Dafür kann und weiß ich jetzt eine Menge anderer Dinge, von denen ich niemals gedacht hätte, dass ich sie hier lernen würde: Celina und ich können jetzt einigermaßen kochen, wenn auch nur einfache Gerichte. Sie hat mir beigebracht richtig zu würzen, dafür weiß sie nun genau so viel übers Wäsche waschen, wie ich.
Wir sind Starthilfeprofis bei Autos geworden, können den Ölstand messen und Reifen aufpumpen (was eigentlich nicht schwer ist, aber vorher musste ich es eben nie machen).
Auf den öden Kiwifarmen und den ewigen Autofahrten, hatte ich so viel Zeit zum Nachdenken, dass ich jetzt endlich weiß, was mein Ziel ist.
Nirgendwo lernt man so schnell für sich selbst zu sorgen, als wenn man außer Reichweite all derer ist, die einem dabei helfen könnten.
Ich weiß nun, wie toll ein eigenes Zimmer, ein Bad und eine Küche sind, die man sich nicht mit Fremden teilen muss.
Wir haben ein fremdes, weit entferntes Land von oben bis unten bereist. Außerdem muss ich zugeben, dass ich schon ein bisschen Heimweh hatte. Nicht nur wegen meiner Familie und meinen Freunden, sondern wegen der merkwürdigsten Dinge. Manchmal habe ich es einfach vermisst, in Mamas Auto die Umgehungsstraße entlangzufahren, oder durch die Ringstraße zu spazieren. Und ich weiß jetzt, dass ich meine Heimat mag. Sowohl mein Dorfghetto, als auch Pampow an sich, Schwerin und sogar das hinterwäldlerische Mecklenburg- Vorpommern habe ich manchmal vermisst. Und ehrlich, wenn man Mal die Rückholaktion betrachtet, und wie es den Franzosen, Lateinamerikanern, und allen anderen Backpackern in dieser Situation erging, kann man doch einfach nur froh sein, aus Deutschland zu kommen.
Auch wenn ich jetzt keine hundertachtzig-Grad-Drehung gemacht habe, und plötzlich kein kontaktfreudiger, offener Mensch bin, hat Neuseeland denke ich trotzdem ziemlich viel gebracht. Wir mussten eben oft über unsere Schatten springen, mehr als genug fremde Menschen anquatschen, und eine Menge smalltalken. Außerdem: Wenn wir auf Englisch eine Versicherung übers Telefon abschließen konnten, Banktermine wahrgenommen, ein Auto gekauft und verkauft, und eine Steuernummer beantragt haben, wie schlimm kann sowas dann schon in Deutschland sein?
Wir sind in einem klapprigen alten Toyota Estima 10.000 Kilometer durch ganz Neuseeland gefahren. Sechs Monate, 25 Wochen, 183 Tage und 4392 Stunden haben Celina und ich eigentlich non-stop zusammengelebt. Ich habe sie bestimmt tausendmal genervt, sie musste meine Launen ertragen, hat meine unlogischsten Pläne mitgemacht, mich das eine oder andere Mal vor Autounfällen bewahrt und meine verrücktesten Ideen unterstützt. Sie ist nicht nur eine solide, und furchtlose Autofahrerin, sondern auch die beste Reisebegleiterin, die man sich vorstellen kann. Wir sind halt ein eingespieltes Team, und wenn wir mitten auf dem Motorway in Wellington plötzlich nur noch 30 fahren konnten, weil unser Auto zwischenzeitlich keinen Bock mehr hatte, haben wir eben beide so getan, als hätten wir keine Angst, um uns nicht gegenseitig in Panik zu versetzen.
Wir hätten es bestimmt auch zu zweit bis zum Ende machen können. Mit Freunden ist es aber einfach besser, und ohne Flori wären die letzten drei Monate vielleicht nicht so lustig geworden, vor allem, weil er uns ein bisschen die Sorgen nehmen konnte, gerade am Ende, als unsere ewig lange geschmiedeten Pläne Geschichte wurden. Und wenn man immer noch befreundet ist, obwohl man zwei Wochen 24/7 bei Ausgangssperre zusammen in einem einzigen Zimmer saß, muss das schon was heißen.
Wir haben so viel erlebt, ich konnte mehr als ganze 100 Seiten bei Word damit füllen. So oft konnten wir kaum glauben, was wir gerade erlebt hatten, konnten gar nicht realisieren, an was für einem schönen Ort wir gerade waren, oder haben uns vor Lachen wegen unserer eigenen Trotteligkeit kaum noch einbekommen. Wir haben so viele Alptraumsituationen durchlebt, mehr als einmal unser Leben an uns vorbeiziehen sehen, so viele peinliche Momente, viel Chaos und Panik... nicht zuletzt haben wir die Erfahrung gemacht, wochenlang in einem Motelzimmer am anderen Ende der Welt festzusitzen.
Und trotzdem würde ich nichts davon je wieder hergeben.
-> ENDE