បោះពុម្ពផ្សាយ: 23.01.2019
Tag 110
Irgendwann relativ am Anfang unserer Reise, saß ich mal in einem ausgetrockneten Fluss auf der Nordinsel Neuseelands und schrieb in einem Eintrag darüber, wie sich die Wahrnehmung und die Sicht auf Deutschland und Europa im Laufe der Reise entwickelt und verändert. Damals meinte ich, dass man wahrscheinlich immer seltener gedanklich dorthin abdriftet und man von Woche zu Woche auch weniger mitbekommt, was dort eigentlich gerade so passiert. Das ist auch so und es stimmt, dass es immer schwieriger wird, überhaupt am Geschehen am anderen Ende der Welt, wenn auch nur passiv, teilzunehmen. Gleichzeitig wird es einfacher es auszublenden. Sich nicht mit dem nächsten Wifi zu verbinden, nachzuschauen was woanders so los ist, sondern einfach hier zu leben und das andere egal zu finden. Trotzdem wollte ich noch einen Schritt mehr machen und habe mich entschieden die nächste Zeit komplett auf mein Handy zu verzichten.
Offline sein bedeutet sich auf das Hier und Jetzt einzulassen. Ich habe mein Handy in meinem Rucksack verstaut und werde es ab heute nicht mehr benutzen. Wie lange, weiß ich noch nicht. Das entscheidet mein Durchhaltevermögen. Warum ich das mache? Ich sehe das vor allem als Herausforderung. Ich möchte sehen, ob es möglich ist ohne Erreichbarkeitsgarantie auszukommen, möchte verstehen, wie sich Reisen vor 30 Jahren angefühlt hat. Denn damals war das immerhin ganz normal. Ich schaue jetzt einfach mal. Ich werde sehen, wie einfach oder schwer das heutzutage ist und wie viel besser oder wie viel schlechter. Bis jetzt fühlt es sich zumindest ganz gut an.
Wir sind in Esquel, einer Stadt südlich von Bariloche an der Grenze zu Patagonien. Dieser Aufenthalt dient genau wie Perito Moreno, wo wir in zwei Tage sein werden, als Zwischenstopp auf dem Weg in die südlichste Region. Argentinien ist nämlich wirklich ziemlich groß und das sind dann doch mal eben 1200 Kilometer. Die nächsten Tage werden wir also nicht allzu viel machen, außer zu erleben, wie es in kleinen argentinischen Städten irgendwo in Patagonien, fernab von jeglichen Touristen so zugeht. Die letzten drei Tage waren wir in El Bolson, einem Ort zwischen Bariloche und Esquel. Dort wohnten wir bei Claudia, einer Einheimischen. Sie ist eine Freundin von Martin, meinem ehemaligen Trompetenlehrer, den wir in Buenos Aires getroffen haben, und der hatte sie gefragt, ob wir ein paar Tage bei ihr unterkommen könnten. Nur wenige Stunden später schrieb sie ihm, dass sie uns schon erwarte.
Und so kamen wir am Montag in El Bolson, nahe den Anden mit dem Bus an. Sie holte uns am Busbahnhof ab und fuhr uns zu ihr nach Hause. Claudia ist geschätzt Mitte 60 und wohnt in einem bescheidenen Häuschen außerhalb von Bolson. Dort lebt sie allein mit ihrem Hund und ihrer Katze. Der Hund ist allerdings schon so alt und krank, dass er entweder nur herumliegt oder trostlos in der Wohnung herumhumpelt. War nicht so schön anzusehen. Die Katze ist laut Claudia dafür da, die Ratten auf ihrem Grundstück zu fangen, die den aktuell in diesem Gebiet verbreiteten „Hanta Virus“ übertragen. Ob es so sinnvoll ist, wenn die Katze dann jedoch zwischen Sofa und Bett herumspringt weiß ich nicht, ich bin schließlich kein Arzt. Linus und ich haben im oberen Stockwerk auf Matratzen geschlafen und haben mit allen möglichen Dingen die dort herum lagen versucht eine Mauer um die Treppe herum zu bauen, damit sich die Katze nicht nachts in unser Bett verirren kann. Da das allerdings nur bedingt funktioniert hat, haben wir Claudia am Ende mitten in der Nacht erzählt Linus habe eine Katzenhaarallergie, was uns im Nachhinein ein bisschen peinlich war. Man stelle sich vor allem die Kommunikation in diesem Moment vor, im Hinblick darauf, dass Claudia kein englisch spricht und wir mit unserem gebrochenem Spanisch auch nicht gerade viel zu einem funktionierendem Gespräch beitragen konnten. Aber wir haben uns während diesem Aufenthalt sowieso eher mit Händen, Füßen und dem lächelndem „Bitte war das keine Frage“ verständigt. Trotzdem ging es ja irgendwie und war auch eigentlich ganz lustig. Morgens hat uns Claudia immer einen Kakao gemacht, mittags gab es gebratenen Fisch mit Pommes. Am Dienstag waren wir mit ihr und Lupe, ihrer Enkelin, die gerade zu Besuch ist, weil sie Sommerferien hat, an einem riesigen Wasserfall mitten in der Natur. Linus und ich dachten wir würden nur fünf Minuten vom Parkplatz brauchen, aber daraus wurde ein dreiviertelstündiger Marsch, der nur bergauf ging und uns somit einiges abverlangte. Als wir den Wasserfall dann allerdings erreichten, hatten wir den Anstieg schnell vergessen. Mitten im nichts krachte das Wasser hinter einem Felsvorsprung und umgeben von grünem Dickicht in die Tiefe. In dem kleinen Fluss der aus dem Wasserfall resultierte, planschten ein paar Argentinier nur mit den Füßen, da das Wasser eiskalt war. Wir hatten jedoch extra unsere Badehose mit, die Sonne schien und wir brauchten nach der kleinen Wanderung eine Abkühlung, also warfen wir uns unter erstaunten Blicken der Argentinier in die Kälte. Und wie schon in dem See in Bariloche tat es verdammt gut. Der Rückweg bergab, ging dann auf einmal ganz schnell und wir fuhren wieder zurück in die Siedlung, in der Claudia wohnt.
Abends gingen Linus und ich in die Stadt, um uns die landestypischen Empanadas zu holen, die wir in einem Park im Zentrum aßen. Leider laufen in Argentinien überall Straßenhunde herum, was wirklich nicht schön ist, weil wir beide Hunde lieben, aber diese jedes mal ignorieren und umgehen müssen, da sie oft nicht gerade gesund sind. Trotzdem schauen sie einem traurig hinterher, wenn man mit etwas zu Essen in der Hand an ihnen vorbei geht. Zum Glück gibt es die netten Argentinier, die sich gut um die Straßenhunde kümmern, ihnen ab und zu was zu essen geben und sie gelegentlich sogar gutmütig streicheln. Es ist alles etwas anders hier in Südamerika, aber so langsam gewöhnen wir uns an die neue Kultur.
Wir sind bald schon ganz im Süden Argentiniens. Das ist Wahnsinn, wenn man bedenkt, wie wir auf diese Zeit geschaut haben, als wir noch irgendwo im November zum Beispiel in Neuseeland waren. Wenn wir erst mal im Süden Argentiniens sind... Dann ist die Reise schon so weit vorgeschritten, dachten wir da. Aber das ist sie ja auch. Jetzt verlassen wir allmählich die Pampa und das wilde und aufregende Patagonien wartet auf uns. Ich melde mich dann aus dem Süden!