Foilsithe: 22.10.2018
Nachdem wir uns mit Aguas Calientes angefreundet hatten, war nun der grosse Tag gekommen, ursprünglich eigentlich beinahe das Hauptmotiv dieser Reise: die sagenumwobene heilige Inkastadt Machu Picchu. Die Aufregung war wohl so gross, dass wir eine ganze Stunde zu früh aufgestanden sind und dies erst bemerkt hatten, als wir schon geputzt und gestrählt waren. Die zusätzliche Stunde sollte sich aber noch auszahlen.
Vorerst mussten wir noch das Busticket hinauf zum Eingang besorgen, was auch nicht ganz einfach war, da die einzige Verkaufsstelle im Ort gut versteckt in einer Seitengasse und sehr weit weg vom effektiven Einsteigepunkt liegt. Als diese Hürde genommen war, konnten wir ohne jegliche Wartezeit gleich in den vordersten Bus einsteigen und dieser fuhr zwei Minuten später bereits los.
Die Strasse hinauf führt in mehreren Serpentinen und überwindet die ca. 400 Höhenmeter in knapp 25 Minuten. An zahlreichen Stellen kann sie es gut und gerne mit der Yungas-Road aufnehmen, der Hang fällt effektiv fast senkrecht ab. Oben angekommen die nächste positive Überraschung: überhaupt keine Schlangen am Eingang. Wegen der unvorstellbaren Touristenmassen in den letzten Jahren, die auch die Anlage immer mehr in Mitleidenschaft gezogen hatten, sahen sich die peruanischen Behörden gezwungen, Massnahmen zu ergreifen. Die tägliche Besucherzahl ist nun limitiert. Je nach Quelle habe ich einmal 2'500 oder 3'500 Besucher gelesen. Vorher waren es offenbar bis zu 8'000! Die Tickets können online erworben werden, man muss dafür (dies auch für die Zugsfahrt) immer den Pass (keine Kopie) vorweisen. Auch hatten wir gehört, dass man die Anlage nur noch mit einem Führer besichtigen kann. Ich hatte mich allerdings schon gefragt, wie das funktionieren sollte, da ja auch sehr viele Leute individuell unterwegs sind und daher sicherlich 1’000 Führer notwendig wären. Die vielen diesbezüglichen Angebote vor dem Eingang haben wir somit geflissentlich ignoriert und nach Betreten der Anlage nie mehr etwas in dieser Richtung gehört...
Das Wetter war nach dem Regen des Vortages absolut prächtig, so dass wir gleich zur ersten Aussichtsterrasse loszogen. Auf dem Weg hörten wir einen Führer seiner Gruppe sagen, dass die Besuchermenge heute «nichts» sei (es waren aber schon so einige unterwegs) und es hier in der Hochsaison wie an einer Prozession aussehe. Da haben wir ja mal richtig Glück gehabt.
Auf der ersten Terrasse angekommen, präsentiert sich einem dann schon der erste klassische Blick auf die Tempelstadt und der ist schon absolut überwältigend. Wie man in diesem unwegsamen Gelände damals ein solches Bauwerk errichten konnte, ist schlicht unglaublich. Sehr erfreulich fand ich, dass der grösste Teil der Rasenflächen abgesperrt ist, so dass man nicht nur Menschenmassen auf den Bildern hat. Der Rasen würde dies wohl auch kaum verkraften. Natürlich tummelten sich auf den Terrassen auch bereits die üblichen Hundertschaften von Narzissten, die in dieser kulturellen Stätte wieder einen passablen Hintergrund für ihre einmaligen Konterfeis gefunden hatten. Der frühen Stunde war es zu verdanken, dass man auch noch problemlos fotografieren konnte, ohne die Posenköniginnen und -könige von den Stufen schubsen zu müssen.
Wir schlugen noch einen Seitenweg zur Inka-Brücke ein, der ca. einen Kilometer weit um den Berghang herumführt. Teils direkt am Abgrund ist er aber sehr gut mit Mäuerchen gesichert und bietet spektakuläre Ausblicke ins heilige Tal. Wahrscheinlich hat der Umstand, dass er mit etwas körperlicher Betätigung verbunden ist und nur wenige geeignete Plätze für Selfies bietet, dafür gesorgt, dass man dort praktisch alleine war.
Wir hatten uns im Vorfeld aber noch für etwas mehr physische Aktivität entschieden und zusätzlich zum Eintritt noch eine Wanderung gebucht. Von der Stadt Machu Picchu aus gibt es zwei Möglichkeiten, den Huayna Picchu (das ist der Berg direkt hinter der Anlage, den man eigentlich auf allen Bildern sieht) und den Machu Picchu Montaña, von welchem aus man dann das klassische Panorama aus grosser Höhe hat. Wegen des Ansturms sind auch diese Treks auf 250 Personen pro Tag limitiert. Huayna ist der Begehrtere, weil mehr Action. Im oberen Teil verläuft er auf den Treppen der Tempelanlage fast senkrecht bergauf. Tickets sind in der Regel schon 6 Monate im Vorfeld ausverkauft. Bleibt Montaña. Der Track ist doppelt so lang, ein Weg hat 2'585 Stufen und überwindet eine Höhendifferenz von mehr als 600 Metern. Dauer: 1½ Stunden. Wir haben ihn kurz vor 9.30 Uhr in Angriff genommen und es war schön zu sehen, wie sich der Weizen von der Spreu getrennt hat. Das war plötzlich ein anderer Menschenschlag und wir hatten auf dem Weg nach oben ein paar witzige und sympathische Begegnungen. Der Aufstieg war äusserst anstrengend und so richtig steil, wobei die z.T. 40cm hohen Stufen auch nicht unbedingt halfen. Die 2-3 exponierten Stellen hatte ich dank dem immer noch anhaltenden Siegergefühl von der Yungas-Road sauber und ohne mir ins Hemd zu machen passiert, und die Höhe war nach dem bolivianischen Höhentraining schon fast ein Klacks (Machu Picchu liegt auf «lediglich 2'400 m.ü.M.). Die Belohnung war eine einmalige Aus- und Rundsicht auf dem Gipfel. Die Tempelanlage liegt praktisch direkt 600m unter einem. Da immer mehr Wolken aufzogen, haben wir den Gipfelaufenthalt sehr kurz gehalten und gleich den Rückweg angetreten, den wir in knapp einer Stunde schafften. Knie- und Fussgelenke spürbar mitgenommen. Kaum unten angekommen, begann es auch schon heftig zu donnern. Wir haben ein Riesenschwein gehabt. Das Gewitter, welches in den tiefen umliegenden Schluchten tobte, zog langsam vorbei und wir haben nur kurz etwas Regen erwischt.
Wir spazierten also noch auf dem Rundweg durch die Anlage, was nicht immer ganz einfach war, wir waren ja jetzt wieder inmitten der Posierenden..., haben noch ein paar Alpaccas geknuddelt und befanden dann, es gesehen zu haben. Wegen des Regens hatten sich dies wohl auch ein paar andere gesagt und die Schlange für die Shuttlebusse war lang, was dank der guten Organisation in diesem Bereich aber nicht mehr als eine Viertelstunde kostete.
Zurück in Aguas Calientes konnte ich für ein paar Soles in einem Spa noch eine ausgedehnte Dusche nehmen und danach folgte endlich das, was ich während der endlosen Kraxelei ständig vor Augen hatte: ein eiskaltes peruanisches Weizenbier. Nachdem wir uns auch noch zwei Pisco Sour eingeworfen hatten – Bettina entwickelt sich diesbezüglich langsam zur Suchttrinkerin – war es auch schon Zeit, den überaus beliebten Touristenzug zu besteigen. Dieser bringt einem – natürlich einmal mehr rückwärts – für exorbitante 65 USD nur nach Ollantaytambo am Eingang des heiligen Tals, wo selbstverständlich nicht einmal ein Busanschluss nach Cusco gewährleistet ist. Wir haben dann zusammen mit einem jungen Pärchen aus Lima ein Taxi geteilt. Besonders gefallen dabei hat mir die Playliste des noch sehr jungen Fahrers. Dass es eine spanische Version von Major Tom gibt, war mir bislang noch nicht bekannt.
Fazit: Machu Picchu ist wunderschön, beeindruckend, überwältigend. Alles drum herum eine Katastrophe. Komplett überkommerzialisiert und reiner Abriss. Immerhin wird ein Teil des vielen Geldes, welches zwangsläufig generiert werden muss in den Unterhalt der Anlage selbst investiert. Die restliche Infrastruktur inkl. Zufahrtsstrasse entspricht keineswegs dem Preisniveau. Auf dem ganzen Gelände haben wir kein einziges WC gesehen, auch Abfallkübel sind Mangelware! Für die Toiletten beim Haupteingang wollten sie noch zusätzliches Geld und das bei einem Eintrittspreis von USD 70 pro Person. Aufgrund der Tiefsaison waren die Massen noch im erträglichen Rahmen. Falls es uns wieder einmal nach Peru verschlagen sollte, werden wir Machu Picchu getrost links liegen lassen.