Objavljeno: 13.08.2022
Nach etwas mehr als vier Wochen und viel mehr als 4000km erreichen wir das spanische Baskenland. Vielleicht bekannt durch die gleichnamige Mütze, Esprandillos und die ETA, eine separatistische Untergrundorganisation, die sich 2018 selbst aufgelöst hat. Ähnlich wie die Katalanen erheben auch die als eigenwillig und traditionsbewußt geltenden Basken Autonomieforderungen, die häufig in ihrer eigenen Sprache für alle anderen unverständlich in vielen Ortschaften auf Transparenten oder an Wänden kundgetan werden.
Zwischen Donostia-San Sebastian und Bilbao liegen die Flysch de Zumaia, die ich bereits am heimischen Ofen als Ziel erwähle. Flysch sind während gebirgsbildenden Prozessen gefaltete Sedimente - so erfahre ich im Internet. Und allein die Bilder dieser Gesteine sind so atemberaubend, dass ich sie als eine Wegmarke dieser Reise einbuche.
Die Fahrt dorthin führt durch bergige, saftig-grüne Landschaften, durch Pinien-, Eukalyptus- und Zypressenwälder, denen dicke Efeu-Lianen dschungelhaftes Aussehen verleihen.
Auch die Strategie, hier an der nordspanischen Biskaya den hochsommerlich heißen Temperaturen auszuweichen geht vollends auf. Moderate 20°C bis 25°C lassen die Reise zu einem tollen Erlebnis werden, auch wenn ich persönlich mir manchmal ein paar Sonnenstrahlen mehr wünsche, die die dicken atlantischen Wolkenfelder nicht immer durchdringen können.
Wir erreichen am Nachmittag den Parkplatz. Es ist Samstag und natürlich ist es voll. Camper aller Art, aber auch Familien finden sich zum Wochenend-Picknick ein. Der erste Spaziergang führt uns zum Aussichtspunkt nur wenige hundert Meter entfernt.
Es ist schlau, erst einmal von oben auf die weit unter uns liegenden Gesteinsschichten zu schauen. Denn es ist gerade Flut und das Schauspiel wird von Wassermassen überspült. Für das ganz große Kino brauchen wir Ebbe und die wird erst gegen 21:00 Uhr ihren Tiefststand erreichen.
Also beschließen wir, auf dem Platz zu bleiben, die Gezeiten abzuwarten und später zur Küste hinunterzuklettern. Vielleicht ergibt sich ja noch ein spektakuläres Sonnenuntergangsfoto.
Wir freuen uns beide auf die Gelegenheit zur Siesta, ein kaltes Getränk, ein Käsecracker, ein bisschen lesen, vielleicht noch ein paar Abenteuer-Zeilen tippern, ein Power-Napping, Löcher in die Luft schauen, ein wenig Urlaub machen.
Das Areal ist einer von vielen Picknickplätzen in diesem Land. Holztische und Bänke sind unter Bäumen im Schatten großzügig verteilt, Steingrills sind angelegt, ein bis zwei Wasserhähne geben kühles Nass. Der Picknick-Ausflug gehört zum spanischen Familienleben, so wundert es nicht, dass auf dem Parkplatz ein stetes Kommen und Gehen herrscht. Riesige Tüten, prall gefüllte Kühltaschen, Decken, Grillkohle, buntes Spielzeug, Oma und Opa, alles wird ausgeladen und zum erwählten Tisch transportiert.
Außerdem ist es hier erlaubt, eine Nacht innerhalb von 14 Tagen mit dem Camper zu verweilen. Wie das kontrolliert wird, keine Ahnung. Aber von der Möglichkeit wird rege Gebrauch gemacht. Kleine und große Wohnmobile, Vans, Dachzelte, Busse und viele Minicamper wie der Kangoo reisen an, reisen ab, suchen den besten Stellplatz, suchen überhaupt einen Stellplatz, richten sich ein für die Nacht. Normale PKWs werden mittels Matratze zum Familien-Wohnmobil umgerüstet, teilweise für vier bis fünf Personen.
Türen klappen, auf und zu, zu und wieder auf, Autoradios dudeln, Kinder schreien, Hunde bellen, Türen klappen, Camper kommen, Klimaanlagen dröhnen, Türen klappen, Camper fahren, Stimmengewirr in vielen Sprachen, Türen klappen, ein Motor läuft.
Ich lese diesen Satz schon zum hundertsten Mal. Ich habe immer noch nicht kapiert, was der Dichter mir sagen will.
Der Motor läuft.
Augen schließen und ein Schläfchen machen. Geht auch nicht, es ist die ganze Zeit Action, ich muss schauen, was hier los ist.
Der Motor läuft.
Zappa studiert das Internet und hat sich ein Handtuch über den Kopf gezogen, um das Display besser erkennen zu können. Handtuch über den Kopf? Könnte helfen.
Der Motor zerrt an meinen Nerven. Das ganze Gewusel hier zerrt an meinen Nerven, an Entspannung ist nicht zu denken. Wer Festival-Atmosphäre mag, der fühlt sich hier sicher sauwohl, mir ist das alles viel zu viel.
Und der Motor läuft!
Nach Zappas Theorie soll die Klimaanlage das Innere herunterkühlen. Wir erleben auch das öfter in diesem Land: man kommt von der Wanderung, schmeißt das Auto an und dann wird erst mal in aller Ruhe die Kleidung gewechselt, Wasser geholt, Fotos gemacht, Mama angerufen, das Bocadillo gesucht, ach keine Ahnung. Nur nicht losgefahren, das Auto muss ja erst mal kühlen.
Aber dieser Motor kühlt schon mindestens seit einer Stunde und Señor hat die Fenster herunter- und sich einen Joint gekurbelt!
Ich kann nicht mehr, mein Limit ist erreicht. Hier will ich nicht bleiben. Und wenn der Typ nicht bald den Motor ausstellt, drehe ich durch, flippe aus, laufe Amok!!!
Wir fliehen in die nahen Hügel, ein abgelegener Wanderparkplatz lädt zur ruhigen Nacht ein. Eine alleinreisende Frau mit Hund leistet uns hier oben Gesellschaft und pastorale Pferde.
In dieser Nacht begleitet uns das Glockengeläut.
Ja, es sind Pferde, die vorwiegend in den Sommermonaten auf hochgelegene Almen gebracht werden, dort weitgehend frei leben und ungehindert ihrer Wege gehen. Sie tragen dicke Kuhglocken und manchmal fragen wir uns, ob das Gebimmel für Pferde- oder auch Kuhohren nicht anstrengend ist. Wenn jemand etwas darüber weiß, bitte gern melden!
Die Glocken dienen dazu, die Tiere auf den weitläufigen Flächen wieder zu finden, man könnte aber auch ihren Spuren in Form von Pferdeäpfeln folgen.
Unser nächtlicher Parkplatz ist jedenfalls gut gekennzeichnet. Wer Erdbeeren pflanzt, weiß den Mist zu schätzen. Uns stört er nicht, ihm ist gut auszuweichen, da sehr gut sichtbar.
Zappa stellt seine Gummilatschen nachts meist auf der Kochkiste ab. Dort erreicht er sie gut, wenn er mal raus muss.
Ich habe leidvolle Erfahrungen gemacht und nehme meine göttlichen Crocs immer mit in den Kangoo. Schließlich kann ich mich noch gut an den Schrecken erinnern, als ein schlauer Fuchs in den Pyrenäen eines meiner geliebten und sehr benötigten Schuhwerke geklaut und zernagt hat.
https://vakantio.de/chateaugeschichten/el-zorro
Heute morgen wird Zappa von einem kräftigen Schnauben vor der einen Spalt offenen Heck-Klappe geweckt. Er ist neugierig und zieht den Vorhang beseite. Und schaut in die prustenden Nüstern und großen braunen Augen von Señora Caballo. Sie ist auch neugierig, aber vor allem interessiert sie sich für Zappas Latschen. Einer der beiden liegt schon mitten auf dem Platz vor den Hufen des lustigen schwarzen Fohlens. Es probiert wohl gerade, ob sich das Teil für Huf-Ball eignet. Señora lässt vom zweiten Latsch ab, den sie schon zwischen den zarten Lippen hatte und zieht ihrer Wege. So interessant ist das Spielzeug doch nicht.
Ab jetzt finden auch Zappas Crocs einen Platz im Bett.