Објавено: 14.08.2020
Das erste Mal hörte ich von Corona nur wegen Witzen bei Instagram. „Corona bricht aus. Ich verlasse diese Welt“ teilte jemand, und Lisa wollte ihren Bruder bestechen, damit er in der Schule aus Quatsch so tut, als hätte er den Virus. Ein paar Wochen später war es auch Lisa, die sich über Hamsterkäufe lustig machte. „Die Leute sind verrückt“ schrieb sie zu leeren Nudel- und Milchregalen. Auch wir fanden das noch ziemlich komisch. Am anderen Ende der Welt waren wir damit beschäftigt, durchs Nirgendwo zu reisen. So richtig ernst genommen haben wir es eigentlich erst, nachdem Celina mit ihren Eltern telefonierte, und die von den ersten abgesperrten Gebieten in Italien erzählten. Wir googelten zum ersten Mal Corona, und lasen uns den ganzen Wikipedia Artikel dazu durch. Irgendwie mussten wir uns eingestehen, dass das in China eine ganz schön krasse Sache war. Meine Familie witzelte über die Menschen, die Panik schoben, und bereits hamsterten. Nur zwei, drei Fälle in Bayern, da ist man ja im Hinterwald namens Mecklenburg- Vorpommern sicher, dachten sich alle. Beim nächsten Gespräch war Corona dann plötzlich bis in den Norden hochgekrochen, und Deutschland hatte sich in kürzester Zeit zu einem Risikostaat entwickelt. „Ach wir sitzen hier“ meinte meine Familie noch ganz unbeteiligt und entspannt. Am nächsten Tag wurden die Schulen geschlossen, und aus Celinas Familie musste vom einen auf den anderen Tag so gut wie niemand mehr arbeiten. Ab da hatten wir jeden Morgen unzählige Horror- Nachrichten von Corona Neuigkeiten auf dem Handy (vor allem von Mama ;)). Viele machten nun Home Office, meine Schwester musste sich jede Woche zwei Urlaubstage nehmen und Reisen wurden gestrichen. Schließlich hatte fast alles geschlossen, und in Neuseeland, wo man bisher kaum etwas davon mitbekommen hatte, musste ab da jeder Einreisende für 14 Tage in Quarantäne. Auf Facebook gab es viele Nachrichten von Backpackern über gemeinsame Quarantäne in Air bnb's und enttäuschte Reisende. „Hätte ja niemand gedacht, dass sich das so entwickelt“, meinten unsere Familien nun, und irgendwie wirkten alle ein wenig von den Ereignissen überrumpelt. Am nächsten Morgen wurde dann natürlich auch eine zweiwöchige Quarantäne für alle Einreisenden in Australien verhängt. Es ist eher ungünstig, drei Wochen später von Neuseeland nach Sydney, 5 Tage später von dort nach Perth und wieder vier Tage später von dort über Quatar nach Berlin fliegen zu wollen, wenn man eigentlich vierzehn Tage in Quarantäne sitzen sollte. Außerdem war unser Timing für das Visitor Visum für Australien denkbar schlecht: Wir hatten es einen Tag zuvor beantragt. Von einem Tag auf den anderen mussten wir uns eingestehen, dass wir Australien vergessen konnten, und damit auch unseren Heimflug. Erstmals betraf Corona auch uns.
Plan Nr. 1:
Anfangs machten wir uns noch am meisten Sorgen um das Geld, das nun für die Flüge und Unterkünfte drauf gegangen war, und wir wahrscheinlich nie wiedersehen würden. Nach etlichen Telefonaten mit unseren Familien, entschieden wir uns abzuwarten, wie sich das ganze entwickeln würde. Alle rieten uns davon ab, etwas Unvernünftiges zu tun, zum Beispiel überstürzt nach Hause zu fliegen.
Plan Nr. 2
Am nächsten Tag fragten wir alle Bekannten, die zurzeit in Neuseeland oder Australien waren, wie sie nun vorgehen würden. Wir gerieten ein bisschen in Panik, denn alle wollten versuchen, einen schnellstmöglichen Flug zu bekommen.
Also war der nächste Plan, unsere unsinnige Arbeit zu kündigen, Ashburton zu verlassen und in den nächsten zwei Wochen nach Hause zu fliegen. Das hieß, erst Mal vorrangig die Autos zu verkaufen.
Ausführliche Planvereitlung durch eine Nervensäge:
Währenddessen wurde es in Europa immer akuter, in einigen Ländern gab es bereits Ausgangssperren und immer mehr Länder machten ihre Grenzen dicht. Flüge gab es allerdings noch. Die meisten mit Qatar Airways, bei denen wir den Rückflug ja eh gebucht hatten. Daher waren wir recht zuversichtlich. Wir teilten unseren Plan mit der holländischen Rentnerin namens Magret, die die ganze letzte Woche neben uns gewohnt hatte. Sie wollte nun ebenfalls vorzeitig nach Hause, und schenkte uns ihre restlichen Vorräte.
Motiviert erstellten wir zusammen die Autoanzeige in der Küche, als eine Gruppe von vier deutschen Backpackern im Ashburton Holiday Park ankam. Einer von ihnen (der offenste Mensch, den ich jemals erlebt hab), begann sich nett mit uns zu unterhalten. Sie hatten übrigens auch bei unserer Zeitarbeitsfirma angefangen (obwohl für uns keine Arbeit da war?) und deren Flüge nach Fidschi wurden allesamt gestrichen. Mit der Zeit fiel uns allerdings auf, dass er all unsere Pläne in Frage stellte, beziehungsweise uns ansah, als würden wir die abenteuerlichsten und naivsten Dinge überhaupt vorhaben: „Und das geht, dass ihr einfach so kündigt?“, „Versucht ihr das Auto bei Facebook zu verkaufen? Macht das lieber bei TradeMe, das geht schneller“ (Ich weiß nicht woher er das weiß, schließlich hatte er sein Auto noch), „Sorry, aber was ist denn jetzt euer Plan?“ fragte er schließlich ungläubig. Das Auto verkaufen und den nächsten Rückflug nehmen, meinten wir. Er erklärte uns, dass es die nächsten 30 Tage absolut keine Flüge geben würde, wir hier jetzt alle festsitzen würden, und wir doch lieber das Auto noch behalten sollten, damit wir einen Rückzugsort hätten. „Lest ihr keine Nachrichten?“ meinte er noch, und erzählte uns, er würde hoffen, dass er es bis Mai nach Hause schafft. Wir erklärten ihm zwar immer wieder, dass es noch vor einer Stunde eine Menge Flüge gab, aber er blieb bei seiner Meinung. Außerdem versicherte er uns, dass er uns keine Angst einjagen wollte, und meinte immer wieder sowas wie „Sorry, ich wollte jetzt nicht der Überbringer der schlechten Nachrichten sein.“
Den muss man erst Mal verstehen. Er hatte zwar eine ziemlich lustige Art, aber ich glaube, einen aufdringlicheren Menschen habe ich selten erlebt.
Als er sich nicht mehr aktiv mit uns unterhielt, wussten wir gar nicht mehr was wir bereden sollten, solange er im Raum war. Schließlich hatte er ja gerade erfolgreich all unsere Pläne zunichte gemacht. Deshalb versuchten wir erst Mal aus der Küche zu fliehen, wo Magret alles mit eiserner Miene mitangehört hatte. Wer weiß was die von all dem dachte. Jedenfalls ist sie am nächsten Tag trotzdem nach Christchurch geradelt (Wir sind auf halber Strecke an ihr vorbeigefahren), um sich in Auckland einen Rückflug zu nehmen. Der Typ begann zwar immer wieder neue Gespräche mit uns, aber schließlich schafften wir es alle ins Auto, wo wir erst Mal eine Krisensitzung einleiteten, um zu überprüfen, wie viel Wahrheit in all dem steckte.
Plan Nr. 4
Es gab immer noch Flüge nach Hause und unsere Familien empfahlen nach langem hin und her, nach Christchurch zu fahren, das Auto zu verkaufen und am Flughafen direkt einen Flug zu buchen. Außerdem hörten wir von jedem mindestens drei Mal: „Geht zur Botschaft.“, „Was ist mit der Botschaft?“, „Fahrt zum Konsulat.“... Genervt haben uns vor allem die, die meinten „In Neuseeland hat man es ja gerade besser. In Deutschland kann man doch eh nichts machen.“ Stimmt. Trotzdem ist es so schwer vorstellbar, dass man in so einer Ausnahmesituation lieber zu Hause bei der Familie sein möchte, als in Ashburton auf einem Campingplatz im Auto zu sitzen? Niemand konnte außerdem garantieren, dass es in Neuseeland nicht auch bald Einschränkungen geben würde, Jobs gestrichen werden, Geschäfte und Hostels zumachen... Daheim in Quarantäne sitzen, kostet übrigens auch nix. Also packten wir alles ein und brachen am nächsten Tag früh vom Campingplatz auf, um unseren tollen Job zu kündigen. Da der Typ uns erfolgreich Angst eingejagt hatte, fürchteten wir, dass es Ärger geben würde. Letztendlich war es aber so, wie wir von Anfang an gedacht hatten. (Auf dem Weg zur Jobagentur schaffte Flori es übrigens auch noch über ein Baustellenstoppschild zu fahren, träumte an der nächsten grünen Ampel bis wir ihn anhupten, und Celina und ich wurden beim Singen im Auto erwischt. (Wenn schon peinlich, dann gleich richtig)). Bei der Zeitarbeitsfirma erklärte Flori, dass wir wegen des Virus' nach Hause müssten, gab unsere Handschuhe ab, und die Mitarbeiter waren sehr nett und hatten Verständnis. Ich glaube so wichtig waren wir sowieso nicht für die: Ashley verabschiedete Flori freundlich mit „Bye Favian!“, woraufhin Gaye ihr „Florian!“ zuraunte.
Plan Nr. 5, der eigentlich keiner war:
Am Flughafen stellten wir erst Mal fest, dass er noch kleiner war als wir erwartet hatten. Immerhin waren gar keine Flüge gecancelt und wir konnten im Internet immer noch welche nach Deutschland finden. (Allerdings gab es beunruhigenderweise keinen einzigen Flug mit Qatar Airways mehr). Wir versuchten bei der Botschaft durchzukommen, die total überfordert war, und darum bat, nicht wegen Fragen nach Flugverbindungen anzurufen. Trotzdem entschieden wir uns dafür, es nicht unversucht zu lassen. Bei der offiziellen Nummer über Google ging irgendein Doktor mit bayrischem Dialekt ran, der meinte die Nummer wäre nicht mehr aktuell und er hätte mal bei der Botschaft gearbeitet. (Ich habe mich gefragt ob er nicht ständig Anrufe bekommen müsste, wenn seine Nummer doch bei Google unter der Botschaft in Wellington steht?). Er wollte trotzdem mit uns quatschen, konnte uns aber auch nicht mehr weiterhelfen, als unsere Familien. Die Erkenntnis aus dem Gespräch war also, dass zurzeit niemand sagen kann, wie sich alles entwickeln wird. Nach seiner Einschätzung, könnte es allerdings sein, dass man im April und Mai gar nicht mehr aus dem Land rauskommen würde.
Daraufhin bekamen wir erst recht Panik, machten uns wieder auf den Weg zum Flughafen und schauten uns nochmal nach Flügen um. So verbrachten wir eine schreckliche Stunde, in der Celina und ich nach Flügen suchten, und Flori bei jedem die derzeitigen Einreisebestimmungen in den Zwischenstoppländern überprüfen musste. Es kam uns vor, als wäre Krieg ausgebrochen, und wir müssten uns entscheiden, über welches Kriegsgebiet die Heimreise am sichersten wäre. Allgemein wäre die beste Wahl irgendwie nur das kleinere Übel gewesen.
Es gab einfach kaum noch Flughäfen auf denen man zwischenlanden konnte, mit Ausnahme von Hongkong, Dubai, der USA und Australien. Bei all diese Flügen gab es aber immer nochmal einen zweiten Zwischenstopp in Zürich, Stockholm, oder Dublin, und eigentlich sollte ja in Europa gar nichts mehr fliegen. Am Ende hatten wir ein paar Flüge, die noch die Besten zu sein schienen, aber trotzdem furchtbar riskant waren. Es hätte nur eine dieser Fluggesellschaften ihren Dienst einstellen müssen, und wir wären irgendwo stecken geblieben.
Total verzweifelt beschlossen wir, erst Mal wieder nach Ashburton zurück zu fahren, da wir dort noch für vier weitere Nächte bezahlt hatten.
Plan Nr. 6
Abends beschäftigten wir uns dann erstmals richtig mit der Rückholaktion. Wir registrierten uns auf der Krisenversorgungsliste des Auswärtigen Amts, und Flori trug uns alle auf der Condor Liste ein, falls das einen Zweck hatte. Uns war schon klar, dass wir im Falle einer Rückholaktion unter den letzten wären, die zurückkommen würden. Neuseeland war schließlich kein Risikoland, und es ging uns im Vergleich zu vielen anderen ja noch gut. Jeder versicherte uns, dass niemand zurückgelassen werden würde, und wir uns ruhig auf die Rückholaktion verlassen könnten. Wir beschlossen die Autos schneller zu verkaufen und uns in Christchurch abreisebereit zu machen, um flexibel zu sein.
Am nächsten Tag packten wir also schon Mal ein paar Dinge in den Koffer, und misteten unser Auto aus. Nachmittags fuhren wir spontan erneut nach Christchurch, weil jeder von uns dort einen Termin mit Leuten über Facebook hatte, und wir nichts unversucht lassen wollten. Allerdings tauchte bei Flori niemand auf, und die Frau mit der wir uns trafen war sehr sehr misstrauisch. Für 1500$ suchte sie das perfekte Auto, las sich stundenlang die Unterlagen der Pre- Purchase Untersuchung durch und überprüfte alles vom Scheibenwischerwasser bis zu jeder Lüftung. Danach bestand sie auf eine Probefahrt, bei der sie selbst sehr rasant fuhr. Celina war Beifahrer und ich lag hinten im Bett. Aus der Probefahrt wurde eine 30minütige Fahrt einmal durch Christchurch, weil sie das Auto unbedingt auf Bergen ausprobieren wollte, von denen es so gut wie gar keine im Stadtzentrum von Christchurch gibt. Am Ende gab sie uns 5$ also 3€ Spritgeld und meinte, sie würde sich noch mehr Autos ansehen. Uns war da aber eigentlich schon klar, dass sie es niemals nehmen würde, und irgendwie hätten wir uns auch schlecht gefühlt, unser gutes Auto an einen so unsympathischen Nachfolger zu verkaufen. Danach fuhren wir noch bei einem Händler vorbei, der Flori ignorierte, einen 30 Sekunden Check mit unserem Auto und eine kurze Probefahrt mit Celina machte. Allerdings rief er „Holy Shit!“ als er sah, wie alt das Auto war. Ansonsten hatte er zwar nichts zu kritisieren, unterbreitete ihr jedoch das Angebot, uns das Auto für ganze 300$ abzunehmen, woraufhin Celina nur lachen konnte. Jedes Mal, wenn sie fragte, warum so wenig, meinte er nur „It's old“ oder lenkte vom Thema ab. Eine tolle Erfahrung.
Plan Nr. 7
Zurück im Holiday Park hörten wir dann, dass die neuseeländische Regierung vor einer Stunde die Grenzen dicht gemacht hatte. Wir überprüften die Internetseite der Botschaft, auf der nun stand, man solle sich nicht auf die Rückholaktion verlassen, da erst in den Krisenländern damit begonnen wird. Bei Facebook schrieben ebenfalls viele, dass sie nun einen Rückflug gebucht hatten, da ihnen doch nicht wohl dabei wäre, in Neuseeland zu bleiben. Schon wieder hatten wir im Grunde keinen Plan. Sollten wir einen riskanten, und ziemlich teuren Flug nach Hause buchen, der wahrscheinlich nicht stattfinden würde? Oder lieber auf die Rückholaktion warten, die vielleicht gar nicht, und wenn dann erst frühestens in zwei Wochen stattfinden würde? Außerdem hing davon ab, ob wir das Auto lieber noch behalten, oder so schnell wie möglich verkaufen sollten. Unsere Familien rieten uns alle etwas Unterschiedliches, aber am Ende entschieden wir uns doch dafür, auf die Rückholaktion zu vertrauen.
Plan Nr. 8
Parallel schrieben wir mit unserer ehemaligen Klassenkameradin, und Floris Kumpel in Australien, die in der gleichen Lage war wie wir waren, und beide inzwischen einen Flug für Ende März gebucht hatten. Wir hatten Angst, am Ende nur noch zu den wenigen zu zählen, die in Neuseeland festsitzen, weil alle anderen so schlau waren, einen Flug auf eigene Faust zu riskieren... Celinas Vater meldete sich zurück, nachdem er zwei Stunden versucht hatte, mit Emirates zu telefonieren. Die Flüge wären alle fast ausgebucht, und es wäre sehr wahrscheinlich, dass sie alle stattfinden würden, meinte der Mitarbeiter dort. Also suchten wir nach einem Flug direkt über Emirates mit Zwischenstopp in Dubai, der am 29. März stattfinden sollte. Um 1.30 Uhr, nach drei Anläufen, 3 Stunden, und ein paar Problemen, hatte Celinas Vater erfolgreich einen Flug für uns gebucht. Also hieß es jetzt: nach Christchurch gehen, Autos verkaufen und hoffen, dass der Flug uns nach Hause bringen würde.-> Fortsetzung folgt