Објавено: 11.08.2020
Im Gegensatz zur ersten Arbeit, bei der wir jeden Tag zur gleichen Kiwifarm in der Maketu Road fahren konnten, waren wir bei Taron alle zwei bis drei Tage auf einer anderen Farm. Das war nicht weiter schlimm. Wir mussten zwar oft sehr weit fahren, aber dafür auch manchmal nur 2 Minuten. Das Beste war, wenn wir während der Arbeitszeit die Farm wechseln mussten. Einmal konnten wir wegen des Verkehrschaos erst als eines der letzten Autos losfahren, so dass wir eine Kolonne anführten, die aus dem Werwolf und noch zwei Autos von der Farm bestand. Die ganzen 20 Minuten über konnten wir die Motorengeräusche des Werwolfs hinter uns hören, als würden wir das Ohr unter seine Motorhaube halten.
Wir folgten bald zehn Minuten einer ewigen, menschenleeren Straße, als wir hinter einer Kurve die unscheinbare Auffahrt der Kiwifarm verpassten, und der Werwolf hinter uns den richtigen Berg hochjagte. Während wir überdreht lachten, mussten wir wenden und den beiden folgen, die wir vorher noch angeführt hatten.
Der einzige große Nachteil an der zweiten Arbeit war, dass wir Taron mit der Zeit immer weniger leiden konnten. (Und das nicht nur, weil er immer Sweet statt okay sagte und sich dadurch extrem cool fühlte). Er war einfach ein Selbstdarsteller. Das mag vielleicht subjektiv sein, weil er uns nicht mochte, ich bin mir aber trotzdem sicher, dass es so ist :D. Er ignorierte uns soweit er konnte, so dass wir eigentlich jeden Tag spekulieren mussten, was wohl als nächstes passieren würde. Wenn wir die Autos umparken sollten, hielt er an jedem Auto, um Anweisungen zu geben, nur bei uns fuhr er vorbei. Wenn wir früher Schluss hatten, bekamen wir das meist nur mit, indem wir die anderen Mitarbeiter fragten, oder durch Zufall mitbekamen, wie er es ihnen mitteilte. Und überhaupt wurden wir immer im Dunklen gelassen. So gab es einmal den seltsamen Moment an einem ganz normalen Mittwoch um 16.40, als wir wie gewöhnlich zwischen zwei Mädchen und dem Phillipino arbeiteten, Taron vorgefahren kam und durch das heruntergelassene Fenster „HOMETIME GUYS“ rief. Total verwirrt beobachteten wir, wie die Mädchen und der Philippino alles stehen und liegen ließen und ins Auto sprangen. (Francis bewegte sich so schnell, wie noch nie). Taron fuhr schon los, bevor er sich wieder an uns erinnerte, ein paar Meter rückwärtsfuhr und schrie „Änna, you can carry on“. Ach ja, er sprach uns beide immer mit Änna an. Fragen stellen hatte auch keinen Zweck. Einmal schickte er mich in eine Reihe, in dem er mich ansah, grunzte und mit der Hand auf die entsprechende Stelle deutete. Als ich ihm dieses einzige Mal eine Frage stellte, ignorierte er mich, wandte sich an Leanna und schickte sie auf meine Position. Er beachtete uns erst wieder, als alle anderen eingeteilt waren. Es gab eine Menge solcher Situationen, und obwohl wir eigentlich drüberstehen sollten, waren wir die ganze Zeit am Überlegen, was wir falsch machten. Dazu kam, dass er der Meinung war, wir könnten weder ein Wort englisch verstehen, noch sprechen. Das ist so ungerecht, dass ich mich sogar nach so langer Zeit noch darüber ärgern könnte. Unser englisch war ja nun nicht gerade top, aber wir konnten wirklich immer alles verstehen, was er uns erklärte. Das lag vor allem daran, dass er selbst als Ausländer erst vier Jahre in Neuseeland lebte, sehr einfaches englisch sprach und zudem sehr langsam redete. Das war absolut kein Vergleich zu Powen und mit dem sind wir auch fertig geworden.
Hier eine Situation, die mich bis heute ärgert: Ungefähr 6 Leute, darunter seine Schwester und wir, beendeten die Reihe des Werwolfs. Das hieß alle schlichen durcheinander und überflogen immer wieder die gleichen Stellen, weil eigentlich alles gemacht war, aber alle so taten als würden sie arbeiten. Taron ging durch das Ende der Reihe, in dem nur der Werwolf gearbeitet hatte und rief mich zu ihm. Dann erklärte er mir fünf Minuten lang vor allen anderen Mitarbeitern, was dort nicht richtig gearbeitet worden war und wie ich es in Zukunft verhindern sollte. Als ich nur genervt nickte, meinte Taron „Or do I have to learn french for you?“, worauf ich verständnislos „French?“ fragte, er mir den Rücken zukehrte und mich in albernem Ton fragte, welche Sprache wir denn sprechen würden. Ich erklärte ihm, dass man in Germany, german sprechen würde. Also fragte er in der Runde nach, ob irgendjemand deutsch sprechen könnte, um mir die Aufgabe zu erklären. Der Werwolf beobachtete alles mit einem Gesichtsausdruck als wäre er im falschen Film.
Übrigens halte ich ihn für einen Selbstdarsteller, weil man ihm einfach ansah, wie sehr er es genoss, Anweisungen zu erteilen und Reden zu halten. Während Powen die meiste Zeit immer selbst mitgearbeitet hatte, vertrieb er sich seine Arbeitszeit damit, dauerhaft mit irgendjemandem zu flirten. Meistens aber mit den 17-jährigen Mädchen, die Spaß daran hatten, mit ihm zu sprechen, als wäre er 18 und nicht ein verheirateter Mann Mitte zwanzig. Er erzählte ihnen in mehreren Teilen seine Lebensgeschichte, die vor allem von der in Indien anscheinend üblichen, arrangierten Ehe beeinflusst wurde. Er untermauerte sie mit dramatischen Sätzen wie „Love doesn't matter anymore“. Da diese Mädchen meistens neben mir arbeiteten, und er ja dachte ich würde nichts verstehen, weiß ich jetzt über seine komplette Lebensgeschichte Bescheid. Er hätte mir nach seinen Darstellungen manchmal fast leidtun können, hätte er nicht auch so viel dabei rumprotzen müssen. („Hmm ja, man kann schon sagen, in Indien waren wir reich“).
An einem Tag in der dritten Woche kam Taron um uns zu fragen, ob wir ein Starthilfekabel hätten, welches wir durch unsere zahlreichen Jumpstarts ja tatsächlich hatten. Er war richtig überrascht, entweder weil wir eins hatten, oder weil er einsehen musste, dass wir ihn verstanden hatten. Spätestens am nächsten Tag war ihm dann aber klar, warum wir eins besaßen: Wir brauchten nach der Arbeit einen Jumpstart. Das war nicht nur ziemlich peinlich, sondern auch eine ganz schön knappe Kiste. Wir waren die letzten auf der abgelegenen Kiwifarm und ich konnte die Inderfamilie gerade so stoppen, bevor sie uns zurückgelassen hätten.
Das Ende in Te Puke
Die ganze letzte Woche mussten wir auf der gleichen riesigen Kiwifarm arbeiten. Die Lage dieser Farm lässt sich ungefähr so beschreiben: Im Vorort von Te Puke, ganz am Ende einer abgelegenen Straße, am Rand einer noch viel längeren und einsameren Straße. Wir mussten täglich eine halbe Stunde hin und zurück fahren, und jeden Morgen wurde eine Kuhherde vor uns über die Straße geleitet. Unser Abgang war dann auch nicht ganz so nett. Obwohl wir nach genau drei Wochen unmissverständlich mit Taron den Dienstag als unseren letzten Arbeitstag abgemacht hatten, gab es eine Menge Probleme. Normalerweise schrieb er jedem Mitarbeiter, jeden Abend den Arbeitsbeginn und die Adresse der Farm. Oder wenn frei war, schrieb er eben das. In der letzten Arbeitswoche wurde er in dieser Hinsicht aber immer lockerer. Manchmal kam die Nachricht erst 23.30, und irgendwann sogar morgens. An unserem letzten Sonntag kam aber keine Nachricht. Wir gingen davon aus, wie immer sonntags frei zu haben... Bis dann um 8 noch die Nachricht kam, wir möchten bitte um 8.30 bei der Arbeit sein. Als wir dann tatsächlich um 8,45 dort waren, waren wir die einzigen auf der Farm. Um 9 wollten wir ziemlich wütend wieder losfahren. Jetzt kommt das demütigste überhaupt: Kurz vor Ende der Farm kamen uns die Inder ohne Taron entgegen. Das hieß, wir mussten den ganzen Weg an der Kiwifarm entlang rückwärtsfahren, als würden sie uns anschieben. Das alleine war schon peinlich genug, doch dann wurden wir auch noch komplett ignoriert, und behandelt, als wären wir überflüssig, und hätten ruhig zuhause bleiben können. Das war so ziemlich der unangenehmste Tag überhaupt. Einen Tag später war dann richtig schönes Wetter, aber Taron schrieb morgens, wir hätten frei. Den Tag nutzten wir dann um aus dem Te Puke Holiday Park auszuchecken. Das war gar nicht Mal so einfach, weil wir mal wieder einen Jumpstart brauchten, und alle auf Arbeit waren. Nach einer Stunde kamen endlich zwei Franzosen, die uns helfen konnten.
Die Nacht verbrachten wir auf dem kostenlosen Campingplatz, bei dem uns beim Abwaschen beinahe der Autoschlüssel in den Gulli gefallen wäre. Am Dienstag, unserem letzten Arbeitstag, kam dann wieder keine Nachricht. Um 8 schrieb Taron seinen geschätzten Mitarbeitern: „Euer Vertrag bei mir ist zu Ende, danke.“
Also machten wir uns Dienstagmorgen spontan auf nach Rotorua, wo unsere Reise durch Neuseeland starten sollte. Jetzt haben wir erst Mal die Nase voll von Indern.
-> Fortsetzung folgt