Ebifulumiziddwa: 09.06.2020
Wanfried 26.5.
Am Morgen habe ich an der Fuldaaue gefrühstückt und bin dann schnurstracks wieder zurück zur Grenze. Halt gemacht habe ich in Wanfried, ein recht großer Ort an der Werra aber mit enttäuschender Parkmöglichkeit für Womos wenn man vorher im schönen Treffurt gestanden hat.
Insofern habe ich nur eine Runde gedreht und von Norden an die gestrige Route angeknüpft: Die Werra runter über Grossburschla (Thüringen) und über Altenburschla (Hessen) zurück über Wanfried und Richtung Norden weiter. Da der Grenzverlauf hier aber wieder extrem auf und ab verlief, habe ich mich nach einem Auf- und extremen Abstieg weiter an Fahrradwege gehalten, heute nicht zu viele Steigungen....
Zurück in Wanfried habe ich mich Richtung Bad Sooden-Allendorf aufgemacht und einige Kilometer weiter in Lindewerra einen Schönen Stellplatz an der Werra gefunden, direkt an der Grenze. Abends kam der Bürgermeister mit seinem Trecker vorbei und hat Spenden für den Platz eingesammelt. Er ist übrigens regional Beauftragter des grünen Bandes Thüringen. Bin gespannt auf morgen, ich denke, ich werde nach Süden die Grenze abfahren und sehen wie weit ich komme; zurück wieder den Radweg die Werra entlang, so zumindest der Plan.
Nachdem ich schon durch das „Frau Holle Land“ gefahren bin, bin ich jetzt im deutschen Märchenland. Ich glaube die Gebrüber Grimm kommen hier aus der Gegend. Das werde ich ma, in Erfahrung g Bringen, Hier führt auf jeden Fall ein Wanderweg direkt zur Teufelskanzel. Gefühlt steckt hier hinter jeden Stein eine Sage...
Morgens bin ich dann Richtung Bad Sooden geradelt. Als ich mich gerade sehr an den schönen Radweg die Werra lang gewöhnt hatte, ging es hinter Wahlhausen links den Kolonnenweg hinauf zum Grenzmuseum. Dann weiter nach Sickenburg und Asbach die Grenze entlang.
Dabei habe ich mich mal wieder vertan, und bin mitten im Wald gelandet, da der Weg mittendrin aufgehört hat und ich musste mich wieder durch den Wald Richtung Straße durchschlagen. Die Abfahrt nach Jestädt war dafür phänomenal. Zurück ging es dann den schönen Werraradweg zurück zum schönen Stellplatz nach Lindewerra.
Nachmittags ist Dagmar dann zu Besuch gekommen.
Am nächsten Tag ging es dann zu Fuß in die umliegenden Highlights: der Aufstieg zur Teufelskanzel, einer Steinplattform mit grandioser Aussicht auf das Werratal und anschliessender Wanderung den Bergkamm entlang zur schönsten Burgruine Deutschlands, der Burg Hanstein.
Zurück ging es dann nach einer kurzen Verirrung den sehr steilen Kolonnenweg hinunter in unser kleines Stellplatzparadies.
Abends waren wir dann in Bad Sooden sehr lecker essen. In Hessen darf man übrigens Restaurants wieder ohne Maske betreten, muss dafür aber seine Adresse hinterlassen, in Thüringen muss man dein Betreten eines Lokals einen Mundschutz umhaben. Adresse ist aber egal. Na ja....
Da es so schön ist hat Dagmar noch einen Tag drangehängt. Pfingstsonntag habe ich dann ein beikäme gemietet und wir sin den Werraradweg Richtung Norden geradelt. Ging recht schnell, bis Dagmar begeisterte ebikerin wurde.
Dummerweise mussten wir nach einer schönen Tour frühzeitig abbrechen, da ich mir einen Platten gefahren hatte.
Pfingstmontag ging es dann weiter : Dagmar ist nach dem Frühstück abgereist und ich bin auch aufgebrochen. Erster Halt war Freienhagen, von dort bin ich Straße und Radweg zurück (und bergab) gefahren bis zum Dreiländerstein Hessen, Niedersachsen, Thüringen und zurück dann Grenzweg, bzw. Wald an Grenzsteinen entlang, bergauf. Aber wieder ein neues Bundesland!
Danach ging es weiter nach Duderstadt, in der es zwei Stellplätze gibt: einen hässlichen mit Sanistation und einen hässlichen am Freibad. Das Freibad hatte allerdings zu meiner großen Freude geöffnet und so konnte ich mich zumindest abduschen und bin sogar 5 Bahnen geschwommen, Aufenthalt auf der Wiese war leider verboten, aber immerhin.....
Erstes Zwischenziel war das West-Ost Tor, ein Denkmal zweier Eichen auf ehemaligem Ost- und Westgrund. Danach kam die Sielmann Hütte von der aus man den phänomenalen Ausblick auf den Südharz noch besser genießen konnte. Nach beeindruckenden 25 km Kolonnenweg mit viel auf und wenig ab, bin ich über die Straße zurück nach Duderstadt. Dort gab es noch neue Bremsklötze, denn die alten waren runter. Nach einem weiteren Besuch im Freibad und diesmal 9 geschwommenen Bahnen, ging es dann Richtung Walkenried.
Dort steht ein altes Zisterzienser Kloster was als Welkulturerbe geführt wird. Gefühlt war das ganze Dorfzentrum Teil des Klosters. Rast habe ich dann in Zorge gemacht ein Stellplatz etwa 10 Kilometer weiter die Grenze lang. Morgen geht es Richtung Brocken. Ich bin nicht sicher, ob ich das Fahrrad überhaupt einsetze: über 1100 Meter Höhe werden kein Zuckerschlecken und langsam muss ich etwas Strecke machen....
Harz:
Mit dem Womo bin ich dann Richtung Harz aufgebrochen. Eigentliches Ziel war der Brocken mit über 1100 m Höhe. In der Nähe von Braunlage bin ich dann etwas durch die Harzhöhen geradelt, aber der Brocken lag in weiter Ferne, mit einer Talsenke dazwischen, was ich mir dann gespart habe. Trotzdem eine schöne Strecke mit einer spektakulären Aussicht. Aber über dem Gipfel braute sich ganz schön was zusammen. Die Millionen Gewittertierchen auf den Klamotten waren auch ein recht eindeutiges Zeichen. Pünktlich zurück am Auto fing es kurz danach an zu hageln, wie ich es noch nie erlebt habe: eben noch gute 25 Grad, hatte ich nun eine Eisschicht auf der Scheibe, die sofort so stark beschlagen war, dass ich gar nichts mehr sehen konnte.
Also bin ich weitergefahren nach Wernigerode und mir die sehr sehenswerte Stadt angeschaut und einkaufen gewesen.
Gerastet habe ich dann in Ilsenburg, ca. 10 km weiter.
Von dort ging es am nächsten Tag früh Richtung Eckerstausee, der durch die Grenze geteilt war.
Der Weg ging 7 km stetig bergauf durch zerstörten Nadelwald. Den gab es übrigens auf der Strecke überall zu sehen: es wurde reichlich Nadelholz angebaut der hauptsächlich für den Bergbau gebraucht wurde. Kiefern sind allerdings nicht an die Region angepasst und so haben Klimaänderungen und der Borkenkäfer dafür gesorgt, dass große Teile des Nadelwaldes nur noch aus Gerippen ersteht oder bereits gerodet ist. Der natürliche Wald ist aber auf dem Vormarsch: unter dem Totholz wachsen bereits Buchen, die hier eigentlich vorherrschend sind. Dauert allerdings etwas länger, bis sie als richtige Bäume zu erkennen sind.
Nach Erreichen des Stausees ging es zur schönsten Strecke der bisherigen Route. Der Grenzweg zwischen Niedersachsen und Sachsen Anhalt war ein 9 km bergab führender Waldweg an der Äcker entlang, dann weiter an einigen Grenzorten entlang. Nach 30 km musste ich dann abbrechen, weil der Regen stärker wurde.....
Zurück am Womo wo ich dann völlig durchnässt angekommen bin, hörte der Regen natürlich auf. So bin ich dann nach Osterode am Fallstein gefahren um die Etappe doch noch zu vollenden aber prompt setzte der Regen wieder ein.
Na gut, dann eben nach Schöningen, was als Ausgangsstation für die nächste Etappe günstig erscheint.
Dann aber die Ernüchterung: nach fast drei Wochen ausschließlich traumhaft schöner Land- und Ortschaften hätte der Aufschlag auf dem Boden nicht härter sein können; alles kaputt und verlassen, ein Kaff hässlicher als das andere und dann Schöningen: Das war der kürzeste Stadtrundgang meines Lebens. Gruselig! Horrorfilme kann man hier drehen. Abgehängter Osten dachte ich die ganze Zeit; kein Wunder wenn hier alle frustriert sind und nur rumpöbeln, aber weit gefehlt: die hohe VW Dichte hätte mich schon stutzig machen sollen: nix Osten, das ist tiefstes Niedersachsen!
Da fällt mir sofort der alte Olli Kalkofe ein, der ursprünglich aus Peine kommt. Der hat mal behauptet, Peine sei so häßlich, das hätte seinerzeit nicht mal die DDR haben wollen. Muss hier um die Ecke sein.
Ok, mal sehen, morgen eine Runde drehen und dann schnell weg von hier....
Am nächsten morgen ging es dann südlich Richtung Söllingen. Nach kurzem Suchen war ich wieder auf dem Kolonnenweg. Über Hötensleben und dem dortigen Grenzmuseum ging es weiter den Grenzweg entlang.
Unterwegs lagen zahlreiche Seen der ehemaligen Braunkohlegruben., teilweise verlief die Grenze mitten durch den Tagebau. Bei Grasleben bin ich umgekehrt und zurück nach Schöningen geradelt, da Regen im Anmarsch war. mittlerweile ist das radeln auf Kolonnen Weg kein Problem mehr. Nach dem Abendessen in Schöningen bin ich mit dem Womo aufgebrochen mit Ziel Brome. Eine Weiterfahrt mit dem Rad die Grenze entlang war wegen des Regens nicht möglich.
Brome ist ein sehr netter Ort in Grenznähe. Am Ortsrand befindet sich ein Schloss Museum mit einem vorgelagerten Parkplatz, der menschenleer war bis auf ein weiteres Womo, das hier die Nacht verbracht hat.
Morgens ging nach dem Frühstück weiter die Grenze entlang. Grenzweg bzw Kolonnenweg existiert hier kaum noch. Man kann zwar in Grenznähe wandern bzw. radeln, aber die frühere Grenze ist zu sehr großen Teilen der Natur zurückgegeben bzw der Landwirtschaft. Das ist wohl die Pragmatische niedersächsische Art der Vergangenheitsbewältigung. Dafür kommt man schon voran und bekommt viel von der Landschaft und den winzigen Dörfern mit.
Nach knapp 60 km hat mich aber dann er Regen eingeholt und bevor ich an der rettenden Bushaltestelle mit Unterstand war, war ich triefnass. Leider ist auch die Temperatur übel gesunken, so dass ich schrecklich gefroren habe. Aber der Regenradar hatte Recht: nach einer halben Stunde war der Spuk schon wieder vorbei. Trotzdem genug für heute und zurück an den Schlossparkplatz.
Morgens bin ich mit dem Womo nach Schnackenburg aufgebrochen. Von dort ging es mit dem Fahrrad den Elb Deich entlang zur Schwedenschanze. Von dort bin ich südlich Richtung Lübbow geradelt, wo ich wieder auf den Grenzweg treffen wollte, was mir aber gründlich misslang: nach langem Suchen traf ich dann hinter einem abgezäunten Bereich endlich auf den Kolonnenweg, der aber nach nicht mal einem Kilometer einfach per Zaun abgesperrt war und Kühe weideten. Danach gab es eine Odyssee in Torfmoor, Rindvieh, Zäunen, Kuhfladen, Fliegen/Mücken/Bremsen, Acker.....
Seit ich durch Niedersachsen radle ist die Zahl der Rehe gewaltig gestiegen; ungefähr stündlich hüpft wieder eins durch die Felder. Kurz vor der Gedenkstätte Stresow ist allerdings etwas Unglaubliches passiert: im ersten Moment dachte ich an ein Pony, dann im Ernst an ein Einhorn, aber vor mir trabte ein weißes Reh über den Weg.
Das grüne Band ist wirklich sehr schlecht beschildert, mit Ausnahme eines Stücks der alten Grenze hinter Arendsee, wo man einige Kilometer auf Kolonnenweg Richtung Elbe fahren kann.
Zurück in Schnackenburg bin ich dann mit dem Womo nach Hitzacker gefahren. Den schönen Abschnitt um Döhmitz habe ich ausgelassen, den bin ich letztes Jahr schon geradelt.
Morgens ging es in Hitzacker auf die Fähre und die Elbe rauf. Ist zwar nicht der direkte Grenzweg; die Grenze führt ca 500 m weiter nördlich entlang; aber das ist der offizielle grüne Band Weg, immer auf dem Deich lang.
Nach einiger Zeit habe ich natürlich doch wieder versucht, die Grenze entlang zu fahren und bin so richtig in die Elbauen rein. Dort war eine recht bizarre Siedlung von Höfen: alte Bauernhöfe, Hipster-Großstadt Aussteiger, Hippies, Anti AKW Aktivisten und Esoteriklehrer hatten sich dort niedergelassen.
Aber auch hier: die Grenze gibts nicht mehr; nur Wege, die immer mal wieder die alte Grenze überquerten. Ansonsten Acker oder Wiese. Glücklicherweise gab es eine Brücke so dass ich weiterkam Richtung Boitzenburg. Unterwegs habe ich noch ein gerade geborenes Lämmchen mitbekommen und immer wieder Störche.
Hinter Boitzenburg ging es weiter nach Lauenburg, dabei ging es ganz schön bergauf. Oben angekommen gab es erstmal einen Grenzposten: Checkpoint Harry, umgebaut zum Imbiss. Weiter auf Kolonnenweg, denn hier ist der Grenzverlauf wieder genau an der Elbe.
In Lauenburg gab es eine Brücke, so dass ich auf der anderen Seite den Rückweg antreten konnte. Das war die bislang längste Etappe von 110 km. Mein Hintern merkt das auch sehr deutlich.....
Noch einmal in Hitzacker übernachtet ging es am nächsten Tag weiter mit dem Womo. Ein Tag ohne radeln; Womo fitmachen, einkaufen und ab nach Zarrentin am Schalsee. Dort gibt es einen Stellplatz direkt am Strandbad. Fahrrad nochmal auf Vordermann gebracht mit einem unplattbar Reifen und neuen Griffen für das letzte Stück. Aber das kommt erst morgen....
Morgens bin ich dann mit dem Womo aufgebrochen und wie geplant zum Schalsee gefahren. Ein Tag am See: Fahrrad auf Vordermann gebracht und den ganzen Tag gefaulenzt. Na gut, kleine Runde am See gedreht....
Morgens bin ich mit dem Womo den Schalsee lang und habe in Kneese Halt gemacht für eine Tour die Mecklenburger Seen lang. So ging es am Dutzower See los bis Schlagsdorf am Mechower See. Schöne Strecken aber da die Grenze teilweise durch die Seen ging, war von Grenzweg nichts mehr zu sehen und so ging es zurück zum Womo und auf eine weiteren Etappe mit dem Womo. Nächste Station war Herrnburg bei Lübeck. Dort habe ich bemerkt, dass Lübeck direkt an der Grenze liegt. Das war mir gar nicht bewusst. Auch dort bin ich dann auf den Grenzweg und ab Richtung Travemünde, bzw. Pötenitz auf der Ostseite der Trave.
Wunderschöne Tour, ganz schön hügelig und der Dassower See bietet schon einmal einen Vorgeschmack auf die Ostsee. Nach 30 Kilometern war es dann soweit: mitten in einem Neubaugebiet in Pötenitz stand ein Schild „Strand“ . Na ja, die Ostsee war die Grenze also war Strand schonmal nicht falsch. Der Radweg war lausig und führte durch Acker zu einer Baumreihe. Sobald ich durch die Baumreihe ging, lag plötzlich die Ostsee vor mir: Ziel erreicht. Ich bin da! Na ja fast: die DDR hatte in ihrer Paranoia das Sperrgebiet 20 Kilometer bis Boltenhagen ausgedehnt, damit auch ja niemand in den Westen schwimmen kann. So haben Sie ganz nebenbei den Strand und das Ufer in ein Naturschutzgebiet verwandelt.
Heute kann man von Priwall, was komplett für Touristen erschlossen wurde, mit der Fähre rüber nach Travemünde und von dort ging es zurück zum Womo.
Abends bin ich dann aufgebrochen zu einem Stellplatz an der Steilküste: eine Swingolf Anlage hat ihren Parkplatz zu einem Stellplatz umfunktioniert, und so stand ich windgeschützt zwischen Hecken oben auf der spektakulären Steilküste. Die habe ich in der Dämmerung noch etwas inspiziert, aber das letzte Stück grünes Band habe ich für den letzten Tag aufgehoben: 20 km Steilküste und wilder Strand. Ein beeindruckendes Highlight!!
Und das war’s: Tour vorbei, Ziel erreicht:
1795 Womo km (2201 inkl An- und Abreise)
1221 km Rad
27 Tage
9 Bundesländer
Fazit: eine völlig bekloppte Idee; ich hatte mir ja denken können, dass es mit dem Rad sehr beschwerlich wird, sonst hätte es mehr Literatur gegeben. Aber trotzdem will ich nicht einen Tag missen: die schreckliche Geschichte wird einem immer wieder vor Augen geführt; Zeitzeugen erzählen Geschichten und ganz nebenbei kommt man fast die ganze Zeit durch Orte und Gegenden die einfach nur schön sind, die ich sonst nie gesehen hätte