Atejade: 15.02.2018
12.02.
übermut tut selten gut?
henrico ist pünktlich, die vepse kommt auf die ihr wohlbekannte bühne, schnell ist der auspuff demontiert. henrico schneidet asbestmaterial passend und passt es perfekt an. doch die vepse ist immer noch heiser. ein zweiter ring muss her - jetzt ist es besser.
parkplatzprobleme. die vepse parkt verkehrswidrig, ist aber in meinem blick
freundschaftliche verabschiedung - ohne auch nur im geringsten zu ahnen, dass ich henrico noch einmal wieder sehen werde.
der termin bei meinem zollamts-azubi klappt reibungslos, ebenso der bei der bank.
kurze siesta. der polsterer bringt die sitzbank wieder in ordnung und eine schneiderin verstärkt die nähnaht der tasche des neu erworbenen ponchos.
unerbittlich
ich bin gut in der zeit. die tankanzeige blinkt und erinnert mich daran, dass ich tanken muss.
damit folgt der strudel seiner bestimmung und hat die folgenden ergeignisse im festen griff:
es gibt auch bei der zweiten tankstelle nur noch sprit mit 84 octan. die tankwartin empfiehlt mir eine andere, die wohl noch 90 octan in ihren tanks hat.
ich befinde mich auf der linken spur, komme an einer rechts abbiegenden querstraße vorbei, sehe die tankstelle, alle warnlampen sind aus, ich ziehe von der linken auf die rechte spur und das verhängnis nimmt seinen lauf.
ein dreirädriges motocar, das nicht im entferntesten damit rechnen kann, dass der vor ihm fahrende gringo plötzlich und ohne vorwarnung auf die linke spur fährt, erwischt ihn von der seite.
die vepse und ich kippen um und bleiben liegen. sie hupt erbärmlich. fuß und knöchel beider beine liegen unter der vepse. große aufregung um mich herum. hilfreiche hände heben die vepse an und schieben sie zur seite. ich kann aufstehen und gehen. eine stelle oberhalb des knöchels meines rechten beines sieht schlimmer aus, als auf der anderen seite. das linke bein hat nur schrammen abbekommen.
schon sehr bald muss ich mich von dem gedanken verabschieden, dass ein pflaster reicht. der von mir glücklicherweise nicht geschädigte motocar-fahrer bringt mich zum krankenhaus. er ist sehr besorgt und fürsorglich und bringt sogar später noch die vepse zum krankenhaus.
ich lerne das peruanische gesundheitswesen kennen.
die beiden wunden werden versorgt, der arzt kommt sagt ach und oh und entscheidet, dass genäht werden muss. vorher sagt er mir den preis und auf meine frage, ob ich sofort bezahlen soll, nickt er mit dem kopf.
ich muss noch eine weile warten und dann gehts los. vorher har er mir noch eine anestesico local zugesagt. die sei im preis inbegriffen.
ich fühle mich an henricos werkstatt erinnert und der arzt könnte sein bruder sein. es geht recht rabiat zu - insgesamt ist von klinischer sterilität nicht viel zu sehen.
im grunde sieht es hier so aus, wie im badezimmer meines hostels. oberflächlich alles sauber.
gefäße sind mangelware.
so wie in der werkstatt auch, wo für das altöl plastikkanister halbiert werden, erleben hier plastikflaschen das gleiche schicksal. nur die flüssigkeit ist eine andere.
die liege, die ich für die op angeboten bekomme, lässt die papierunterlage vermissen. ich drehe mich zur wand, meinen kopf auf meine hand gestützt, und der arzt beginnt.
ich merke nichts. die beiden - arzt und assistent - arbeiten zügig und routiniert. am schluss will mir der medico stolz die naht zeigen - einen spiegel gibt es nicht, so bleibt sie meiner vorstellungskraft überlassen. er ist richtig stolz, denn als die chefin reinkommt weist er nochmals auf sein werk hin.
ich verlasse humpelnd den "op-saal" und sehe noch aus dem augenwinkel, dass es hier fast aussieht wie auf einer schlachterbank. auch später, als ich im flur sitze und auf meine sachen warte, sehe ich niemanden, der sich um die überreste kümmert.
auf meine frage, ob ich morgen fahren könne? si si. aber dann kommt der rattenschwanz, der das so gut wie unmöglich macht: 10 tage verbandswechsel und behandlung und10 tage dreimal täglich unterschiedliche antibiotika einnehmen.
meine weiterfahrt wird sich um 5 bis 10 tage verschieben.
die vepse springt sofort an, die beiden spiegel hängen auf halbacht und die position des lenkers stimmt nicht mehr mit der postion des vorderrades überein.
ich fahre vorsichtig ins hostel zurück und bemerke beim abstellen der vepse, dass die schürze auch etwas lädiert ist.
ihr fahrverhalten ist aber in ordnung - keine eierei, was für einen defekt der lenkung sprechen würde.
ich hoffe, dass sich der lenker, wie beim fahrrad auch, der 12 uhr position des vorderrades anpassen lässt.
es lief heute einfach zu glatt.
und wer ahnt denn, dass der fehlende 90 octan sprit der verursacher für das fiasko sein wird.
das fazit: es hätte mal wieder schlimmer kommen können - aber alles ist ok.
puerto maldonado hat mich ins sein herz geschlossen.
13.02.
die schmerzen haben sich übernacht so gut wie in nichts aufgelöst. ohne schmerzmittel!
am frühen morgen hat die kleine stelle noch gekniffen - recht kräftig und sich dann auch dauerhaft beruhigt.
trotzdem bleibe ich lange liegen, weiss aber, dass noch ein paar dinge zu erledigen sind.
was im normalfall nicht der rede wert ist, bedarf in solchen situationen einer gewissen überwindung und genauen planung.
aber alles wird mir sehr einfach gemacht. inkapharma, die apotheke, von der es sehr viele hier gibt, ist genau gegenüber und hat sogar die medikamente auf lager.
ratespiel: was ist das?
hier werden orangen wie kartoffeln geschält. es ist ein fahrender stand, der frisch gepressten orangensaft verkauft. die schalen werden dann an den wagen gehängt.
auf meine frage, ob ich fotografieren dürfe, wurde erst abwesend genickt. doch als die beiden verkäufer sahen, dass die frage von einem gringo kommt: dos soles! ich habe an (aus) gelacht und ein sol angeboten. die beiden konnten sich ein grinsen auch nicht verkneifen.
ein motokar-taxi ist sofort zur stelle und bringt mich zu meinen obstsalaten. der geldautomat spuckt ohne kommentar soles aus.
um mich abzulenken, lade ich das vepsenvideo von puerto lopez hoch.
https://www.youtube.com/watch?v=g7buePNVE3Q
dem schweinehund, der genau weiss, dass mir der verbandswechsel bevorsteht und mich zu einer siesta überreden will, wird dieses mal kein gehör geschenkt.
ich fahre gleich weiter zur clinica dios und komme sehr schnell dran.
in solchen momenten wie verbandswechsel etc spielt mein kreislauf verrückt. ich sorge vor und lege mich auf die liege.
meine krankenschwester hält nach vollbrachter behandlung den alten verband hoch und meint, dieser müsse erst einmal gewaschen werden. sie habe keinen ersatz. sie improvisiert und entlässt mich.
nicht einmal eine halbe nacht würde diese konstruktion halten.
so besorge ich verbandsmaterial und bin eine halbe stunde später wieder in der klinik. ich bin überrascht, wie schnell und reibungslos hier alles geht.
keine wartezeiten. nach nur 10 minuten bekomme ich den neuen verband angelegt.
ich entscheide, dass ich mich bei henrico vorbeifahren lasse.
er wirkt nicht ganz überrascht, als er mich wiedersieht.
so etwas spricht sich in einer 50 tsd großen einwohnerstadt schon schnell rum, wenn ein gringo auf einem italienischen roller mit einem motokar-taxi einen unfall hat.
mein plan geht auf: er fährt mit mir zu meinem hostel royal inn und nimmt die vepse mit in die werkstatt.
zum abschied sagt er noch, dass er sie dann wieder vorbeibringen wolle.
mir ist das sehr recht. ich hätte nicht die kraft, ihm in der werkstatt über die schulter zu schauen. ich beruhige mich damit, dass hier "nur" handwerk und geschicklichkeit gefordert ist. die diagnose ist klar. das thema ersatzteile verdränge ich.
ich mache eine spätnachmittagssiesta und raffe mich nur mit mühe auf, noch etwas essen zu gehen.
als ich auf meinem rückweg das royal inn schon im blick habe, frage ich mich, warum das gittertor geöffnet ist. es blockiert fast die vollständige breite des bürgersteigs.
und ich bewundere im stillen die toleranz der mutter, die sich mit ihrem kinderwagen und ohne murren daran vorbei bewegt.
erst auf den zweiten blick erkenne ich henrico und auf den dritten blick die vepse, die gerade durch das tor in die halle des hostels geschoben wird.
sie ist repariert!
henrico ist sichtlich stolz und ich glaube auch froh, dass er sich rehabilitieren konnte.
alles fügt sich.
14.02.
erst vor zwei tagen ist der crash passiert. und schon heute kann ich wieder eine treppenstufe überspringen. so wie immer!
auf die motokartaxis verzichte ich völlig und bewältige alle gänge zu fuß - ohne zu humpeln.
ich glaube es liegt an meiner verhältnismäßig guten ernährung.
ein ansporn, weiter zu machen.
ich bin gespannt, ob es auf meiner route durch brasilien genug obstsalat-stationen geben wird.
der verbandswechsel verläuft dank der einfühlsamen krankenschwester ohne besondere vorkommnisse.
fast...
während ich verarztet werde bekommen wir besuch.
ein kleiner, etwas verklebter dreikäsehoch erscheint im "behandlungszimmer" und schaut sich alles sehr interessiert an.
er "ist vom fach" und stellt zahlreiche fragen.
mich schaut er misstrauisch bis mitleidig an.
sein spanisch kann ich beim besten willen nicht verstehen.
er nähert sich dem "operationsherd", und ich denke: nur gut, dass ich meine täglichen antibiotikagaben habe.
die krankenschwester lässt ihn gewähren und beantwortet seine fragen.
als er aber stethoskope und die elektrokabel für das eeg nicht nur neugierig betrachtet, sondern mit seinen klebefinger betascht, ist die toleranz meiner krankenschwester ausgereizt.
er scheint direkt von der straße gekommen zu sein. eltern sind nicht in sicht.
er weiss, dass er hier nicht sein darf, nutzt aber die gunst der stunde - siesta -, weil die chefs nicht da sind.
vielleicht erlebe ich gerade den beginn einer großen erfolgsstory?
wenn er die chance bekäme, könnte er bestimmt ein guter arzt werden.
morgen solle ich bitte wieder verbandsmaterial mitbringen.
ich denke, ich werde mehrere packungen besorgen, damit sich nachfolgende patienten den weg zu inkapharma sparen können.
das wetter ist richtig schön geworden. ein angenehmer wind, 25°, die sonne scheint.
nur motos und motokartaxis sind unterwegs. keine dröhnenden boxen und kein smartiegeplärre. siesta!
ich kenne mich hier aus. henricos werkstatt ist in der nähe und ich weiss einen platz, wo die tische draussen stehen, wo es sehr gute empandas mit pollo und perus volksgetränk chicha morada gibt.
es ist alkoholfrei, wird gekühlt serviert und hat eine violett bis rote farbe. es schmeckt herb süslich und wird manches mal auch mit nelkengeschmack serviert. sehr erfrischend und wohltuend. es wird aus lila mais hergestellt, der in den anden wächst.
ich mache mich über wikipedia schlau und lese, dass anerkannte studien nachgewiesen haben, dass es mit erfolg gegen krebs getestet worden sei.
auch habe es eine blutdrucksenkende wirkung, die aber nicht wissenschaftlich nachgewiesen sei.
https://de.wikipedia.org/wiki/Chicha_morada
auf meinem rückweg zum hostel gehe ich noch an der tankstelle meines verhängnisses vorbei.
am tag meines chrashs schien es so, als ob der 90iger sprit in puerto maldonado kaum oder überhaupt nicht zu bekommen sei.
die vepse mit 84iger zu füttern, käme dem vorsatz gleich, die nächste panne herauszufordern.
puerto maldonado hat viele ideen, mich hier festzuhalten.
aber dass es ausgerechnet an der schlechten qualität des benzins liegt, dass ich nicht weiterkomme? darauf wäre ich nicht gekommen.
soll sich vielleicht eine art paranoia aufbauen? will es eine höhere bestimmung, dass ich hierbleiben und eine besondere prüfung zu bestehen habe? liegt es letztendlich am sprit, dass ich hier verharren muss?
verschollen in puerto maldonado? wie faustino vor 160 jahren?
ich habe gestern noch henrico gefragt. er nickte wissend. es gäbe hier wenig autos, die den besseren sprit benötigten. und den zwei- bis viertakter motos reichte der 84iger. ich könne ihn auch fahren.
er sei aber verbleit und würde der umwelt schaden.
ich komme zur tankstelle und schon 20 meter vorher ist die luft von benzindüften geschwängert....
die tankwartin ist hart im nehmen.
ihr ist hoffentlich nicht bewusst, was sie da den ganzen tag einatmet.
ihre antwort ist aber überzeugend positiv. es gäbe 90iger benzin.
auf meine frage, ob der vorrat denn auch noch bis morgen reiche, und ob ich morgen erst zum tanken kommen könne, nickt sie nachdrücklich.
also, steht dem verlassen dieser stadt in einigen tagen nichts mehr im wege.
verbandswechsel und die antibiotikagaben. 3 mal täglich 3 tabletten und nach 10 tagen das ziehen der fäden.
soeben komme ich vom abendessen zurück. der innenraum des restaurants strotzt vor valentinherzen an der decke und auf den tischen.
eine kleine discokugel und rotes warmes licht sorgt für romantische rendevouz-athmospähre
der weberknecht ist guten mutes und setzt seine wanderung gen norden fort.
15.02.
eigentlich sollte heute die vepsa mit allen verfügbaren reservekanistern betankt werden, aber ich verschiebe das lieber auf die nächsten tage.
meine krankenschwester freut sich zwar über den heilungsverlauf der narbe selbst, fragt mich aber dann doch mit kritischem blick auf die kleinere stelle, ob ich denn das bein schonen würde.
ich erzähle stolz, dass ich schon seit gestern auf die motokartaxis verzichten könne und das gehen gut funktioniere.
sie empfiehlt mir aber, möglichst oft, das bein hochzulegen.
die schürfwunde, die nicht zu groß ist und eigentlich schon mit einem pflaster geschützt werden könnte, hinkt ihrem großen bruder hinterher. ihre lage ist auch ungünstiger.
rolf hat mir heute das video unserer abreise vom titicaca-see geschickt. das hochladen auf youtube klappt reibungslos.
rolf und sandra sind an dem abschiedsmorgen hinter mir her gefahren und haben mich dabei gefilmt. der weg ist recht holprig.
von hinten gesehen schöpft das gepäck die solltoleranzen in vollem umfange aus, aber es ist stabil.
an einer steilen stelle, der ich nicht mit schwung begegnen kann, schieben mich die beiden an.
auch diese aktion wird von der kamera, die auf dem armaturenbrett des defenders verankert ist, aufgezeichnet.
jetzt höre ich immer jeffs stimme: it looks unstable!!
https://www.youtube.com/watch?v=EruwUEx5XBI&feature=youtu.be
der restliche tag dient der erholung.
es geht aber voran.
16.02.
ich beherzige die empfehlung meiner krankenschwester und schone das bein.
schwer fällt mir das nicht, weil die medikamente wohl eine beruhigende wirkung auf mich haben.
ich frühstücke fast zur mittagszeit, nehme danach eine ausgiebige siesta und überwinde mich dann, den verbandswechsel vornehmen zu lassen.
auf dem rückweg werde ich vom carnaval peruana erwischt. nichts davon war in den vergangenen tagen davon zu spüren.
wie der korken aus einer geschüttelten sektflasche geht es hier mit geballter kraft los.
aus sicherer entfernung von meiner dachterrasse beobachte ich das treiben
ein großer, nicht enden wollender carnevalumzug bewegt sich durch die stadt. schulen, universität und vereine präsentieren sich tanzend und johlend und folgen ihrem schön geschmückten gefährt, auf dem eine auserwählte grüßt und winkt. während bei uns bonbons in das applaudierende volk geworfen werden, geht es hier richtig zur sache. das wichtigste in diesen stunden ist, sich mit rasierschaumdosen und wasserpistolen auszustatten. die auf den bürgersteigen wartenden zuschauer werden großzügig mit beidem bedacht. das wasser ist mit verschiedenen farbstoffen gefärbt und besonders die kids machen von beidem intenisven gebrauch. mich, den gringo, erwischt es auch. trotzdem bemerke ich eine gewisse zurückhaltung. dafür bekommen andere in meiner nähe mehr davon ab.
die wassereimer fast noch gefüllt.
er fährt mit besonders schwerem geschütz auf. nass sind am ende alle
im gegensatz zum mainzer rosenmontagszug, den ich wegen der zahlreichen schnapsleichen in mittelprächtiger erinnerung habe, spielt hier der alkohol - zumindest sichtbar - keine rolle.
bis zum sonntag wird mich wohl das närrische treiben noch begleiten.
carnaval beim wort genommen hieße für peru, dass abermillionen von hühnern ihr leben geschenkt würde.
kein fleisch während der fastenzeit...
also kein copy & paste - tag, sondern wieder einer mit einem besonderen ereignis.
17.02.
ein tag, der ausschließlich der ruhestellung des beines dient.
eine neue schmerzquelle tut sich auf, die sich nur beim aufstehen und bei den ersten kleinen schritten bemerkbar macht.
dann ist er verschwunden.
aber schon der stillstand führt zu einem feuerwerk.
meine krankenschwester ist aber zufrieden und misst dem keine weitere bedeutung bei. die anderen schwellungen gehen langsam zurück.
von carneval keine spur.
18.02.
doloroso. schmerzhaft.
unter dieser überschrift steht auch der heutige tag.
glücklicherweise bleibe ich davon verschont, wenn ich das bein ruhig halte. also auch in der nacht.
die schwellungen ziehen sich sichtbar zurück - bis auf die eine.
dank karin, ihres zeichens pta, habe ich noch ein medikament mit dem richtigen wirkstoff bekommen.
die krankenschwester hat mir eine creme mit cortison zur behandlung mitgegeben, das für meine zwecke eher unbrauchbar ist.
karin nennt mir den richtigen wirkstoff. wir verabreden, dass ich ihr ein foto von der verpackung schicke. tatsächlich kann mir inkapharma zwei cremes mit dem wirkstoff fucidine anbieten. beide fotografiere ich und schicke sie noch von der ladentheke zu karin.
postwendend kommt das GO.
ein beruhigendes gefühl, nicht allein auf die therapievorschläge der ärzte oder der krankenschwestern angewiesen zu sein.
so wird der heilungsprozess weiter beschleunigt.
ich befinde mich auf dem richtigen weg.
19.02.
heute gab es das finale mit pauken und trompeten.
die neue, rötliche schwellung ist der verursacher für das feuerwerk, sobald ich den fuß belaste.
während es gestern noch zwei bis drei schritte anlauf benötigte bis ich wieder frei laufen konnte, waren es heute morgen bestimmt 5.
ich bin versucht, schmerzmittel aus meiner reiseapotheke zu nehmen, aber ich weiss, dass ich damit nicht die ursache bekämpfe.
es sind also zwei baustellen.
bei der ersten wird schon das werkzeug zusammengepackt, bei der zweiten ist der architekt mit seinem entwurf noch nicht ganz zufrieden.
es kostet richtig überwindung, mich auf den weg zu machen. das laufen selbst klappt dann gut. sobald ich stehenbleiben muss, beginnt das feuerwerk.
meine krankenschwester spricht von celulites en el pie - celulites am bein.
ich google dazu und treffe nur auf onlineartikel von frauenzeitschriften.
diese indikation hat wohl bei uns in deutschland einen anderen namen. ich habe schon die befürchtung, dass meine enfermera auf dem völligen holzweg ist. sie schüttelt nur lachend mit dem kopf, als ich ihr erkläre, dass nur das weibliche geschlecht davon betroffen sei.
sie zeigt mir auf ihrem smartie die bilder. ich befinde mich eindeutig im anfangsstadium.
bei uns wird diese indikation Phlegmone genannt.
die temperaturen geben heute wieder alles.
der liege fehlt das laken - appetitlich ist das alles wirklich nicht.
mich umgeben gipskartonwände - ungekachelt. dubiose flecken an den wänden auf augenhöhe, auf dem gekachelten fußboden und dem mobiliar...
meine krankenschwester verspricht mir, dass der arzt in 20 minuten zurück sei und sich dann die stelle ansehen würde.
über den heilungsverlauf der schürfwunde ist sie nahezu überrascht. cerrado - geschlossen! na ja noch nicht ganz, aber es geht jetzt recht zügig.
sie lässt mich allein, und ich mache ein nickerchen.
der medico, ein recht junger, etwas angeschnöselter unsympath mit verschmuddeltem arztkittel, wirft ein blick auf die erste baustelle, aber ich ändere sofort seinen kurs.
wieder höre ich den begriff celulitis en la pie.
während er meiner enfermera anweisungen gibt, bohrt er entspannt in der nase und verschwindet wieder - zum glück ohne händeschütteln.
vier antibiotikaspritzen sind für meine "sitzfläche" vorgesehen.
heute zwei und morgen zwei.
während das eine feuerwerk schon alles gibt, kommt noch ein zweites dazu. und gleich noch ein drittes.
ich leide und fluche auf deutsch vor mich hin.
es muss doch endlich mal ein ende haben mit dieser "selbsterfahrung".
ich belege bestimmt noch 20 minuten die liege, benötige wieder einige schritte anlauf, bis ich einigermaßen trittsicher den rezeptionsbereich erreiche. der bezahlvorgang lässt ein erneutes feuerwerk starten.
dann, nach der mir bekannten anlaufphase, kann ich endlich laufen.
die schmerzen sind weg oder abgelenkt.
in meinem straßencafe gibt es noch ein stück apple-pie und den chicha morada.
ein erfrischender wind weht.
langsam kehre ich unter die lebenden zurück.
soll ich noch zum essen gehen? ich entscheide ja und bemerke schon beim aufstehen eine veränderung.
und als ich das restaurant verlasse, ist das feuerwerk nur noch in der ferne zu sehen.
endlich tritt eine veränderung ein.
20.02.
heute morgen zu meiner beruhigung: auch eine sichtbare veränderung ist feststellbar. und auch eine fühlbare. die wärmequelle an der zweiten baustelle hat sich den übrigen außentemperaturen des linken beines so gut wie angepasst.
morgen werden die fäden gezogen und der medico - ich hoffe, der, der so stolz auf seine narbe war - wird morgen einen blick auf den gesamtzustand der ersten baustelle werfen.
es gibt hier noch rötungen, die aber auch langsam weniger werden.
ansonsten ist es ein copy&paste-tag, der sehr zu meiner erholung beigetragen hat.
21.02.
die antibiotikadröhnungen gegen baustelle II sind regelrechte bomben.
wer mich beboachtet, der würde die clinic de dios niemandem empfehlen.
da geht ein gringo "federnden schrittes" in das foyer und kommt nach einer halben stunde bis stunde wieder humpelnd herausgewankt.
zum glück gibt es nur wenige meter weiter mein straßencafe mit cicha morada und, wenn vorhanden, apple-pie.
lange sitze ich dort, lasse das leben um mich herum abspulen und warte darauf, dass die hammerschmerzen weniger werden. nach einer halben stunde ist das überstanden.
der wirkstoff macht einen guten job. ich bin zwar an dem folgenden tag zu nichts mehr zu gebrauchen. schlafen, frühstücken, schlafen, clinic, beine hoch, abendessen.
heute sind 10 tage seit dem crash vergangen.
mit einer guten lupe ausgestattet (zur entzifferung der zahlen auf den düsen gekauft) begrüße ich meine enfermera.
sie schaut fragend auf dieses instrument.
ich erkläre ihr, dass es in einer klinik in alemana nicht ganz so genau genommen wurde mit dem fädenziehen und sich bei einem anderen patienten eine entzündung wegen rückstände ergeben habe.
sie habe sicherlich verständnis, wenn ich ihr dieses instrument an die hand gäbe. ich wolle ungern meine tour nur zwei wochen später erneut unterbrechen...
noch vor dem fädenziehen erfahre ich, dass es heute noch die dritte und letzte antibiotikasalve geben soll.
insgesamt also sechs, die da abgeschossen wurden.
ich bitte sie, zuerst die fäden ziehen, denn sonst könne ich für eine ruhige sitzhaltung nicht garantieren. sie hat humor. sie weiss mittlerweile, dass der gringo kein hartgesottener krankenhausgänger ist.
als sie fertig ist zücke ich mein smartie, schalte die taschenlampe ein und reiche ihr die lupe. fast so wie bei henrico in der werkstatt.
sie schaut sich ihr werk noch einmal genau an, setzt die pinzette sicherheitshalber noch einmal ein, ist dann aber beruhigt, dass der fremdkörper restlos verschwunden ist.
dank der smartietechnik habe ich ein foto von der ampulle nach hause geschickt und eine postive bestätigung ärztlicherseits erhalten.
freitag werde ich mich noch einmal sehen lassen.
mit schokolade oder einer flasche wein.
22.02.
spürbare und sichtbare erleichterung.
heute ist ein klinikfreier tag, den ich außer frühstück und abendessen auf dem bett verbringe. krafttankend, um mich für das erreichen der atlantikküste fit zu machen.
heute abend treffe ich meinen zollamts-azubi wieder. ich sitze draussen und bemerke ihn erst nicht. dann aber kommt er raus, erkennt mich und will ein gespräch beginnen.
hat er ein feierabendbierchen zu viel getrunken? eigentlich ungewöhnlich. betrunkene menschen habe ich hier noch nicht erlebt. aber dann schickt er - weit genug von mir entfernt - eine massive, im gegenlicht der laterne sehr gut sichtbare fontaine aus mund und nase, wischt sich erleichtert durch das gesicht und ist im begriff an meinen tisch zu treten. das klappt aber nicht ganz, weil ihn immer wieder neue nies-schübe zum stoppen zwingen. bakterien und keime - egal welcher art und qualität - kann ich jetzt gar nicht um mich haben und sage nur laut: distancia, distancia, senor!
er begreift, lacht, schaut mich dabei aber fragend an und ich sage nur: accidente.
er will mehr wissen, aber ich wiegle ab, den nächsten niesanfall befürchtend.
später, als ich zum bezahlen reingehe, vertröste ich ihn auf meinen nächsten termin in seiner behörde.
noch eine begebenheit am rande:
als ich heute morgen nach dem frühstück um ein zweites handtuch bitte, wird mir dieser wunsch mit einem einfachen no seitens des hotelchefs verweigert!
ich grinse ihn spöttisch an.
23.02.
es gibt eine nachbehandlung, die noch einmal 7 tage in anspruch nehmen wird. zwar ist der heilungsverlauf von baustelle I planmäßig, doch die baustelle II zickt.
diesen versuch mache ich noch. dann gibt es als plan B lima und ein verschieben meines ablegetermins in montevideo.
zu plan C - nach deutschland zu fliegen und mich im tropenkrankenhaus behandeln zu lassen - wird es nicht kommen.
und wenn, dann ist das auch kein beinbruch.
24.02.
die richtigen entscheidungen trifft der mensch meistens morgens nach dem aufwachen.
dank verschiedener emails und sprachnachrichten von meiner leserschaft, steht deren sofortiger umsetzung nichts mehr im wege.
den umweg über lima lasse ich aus.
ich werde morgen die flüge nach bremen buchen und mir dort einen spezialisten suchen, der dem medikamenten-mix die richtige orientierung gibt.
die selektive wahrnehmung schickt mir auf meinem weg zum frühsrückscafe noch ein bild, das sehr gut zur nachbehandlung des antibiotika-tsunamis passt:
darmreinigung und darmentgiftung - meine zweite tat zuhause -
limpia el colon, desintoxica el colon -
und wieder ein gringo - gesicht in der werbung...
meinen hostelsenor werde ich fragen, ob die vepse samt ausrüstung hier in der halle stehen bleiben und auch ein teil des gepäcks in einer kammer aufgewahrt werden darf.
wenn er zickt, werde ich henrico fragen.
renzo, der nicht renzo heisst, zeigt großes interesse an meinem fortkommen und wünscht mir, nach dem ich ihn auf den aktuellen stand gebracht habe, noch nette abschiedsgrüße:
perfecto! estimado y saludos a tu familia y buen viaje y muchos bendiciones.
perfekt! mein lieber und viele grüße an deine familie und gute reise und viel segen.
und zum schluss:
jajajja chevere tomas
... cooler thomas
meine tour werde ich im deutschen spätherbst - dann ist es hier frühling - fortsetzen.
bleibt nur noch die zu klärende frage, zu welchem zeitpunkt ich den frachter von montevideo nach hamburg buchen werde.
ich möchte nur ungern in jahreszeitlich bedingte stürme hineingeraten.
gestern abend noch habe ich das "medikamententagebuch" abgeschlossen und die rezepte fotografiert.
die auslandskrankenversicherung konnte ich über umwege auch erreichen. ein tip für die notrufabteilung: keine info@adresse veröffentlichen, sondern die not-emails gleich zur richtigen adresse schicken lassen. so hat karin für mich den kontakt hergestellt.
die versicherung wird erst aktiv, wenn ich gerade noch transportfähig bin.
darauf werde ich nicht warten.
dank der medikamente fühle ich mich frisch und fast schmerzfrei, aber ich weiss mittlerweile, dass der schein trügt.
auf einen weiteren versuch werde ich es jetzt nicht mehr ankommen lassen.
so komme ich in den deutschen frühling und passe genau die kältefront ab, die gerade über mitteleuropa ihr unwesen treibt.
der ansaugstutzen und der dichtungsring für den auspuff stehen an oberster stelle meiner ersatzteil-liste.
25.02.
seit langem habe ich mal wieder eine nacht durchgemacht.
es liegt wohl daran, dass ich auf die buchungsbestätigung des reiseanbieters warte. die buchungsanfragebestätigung ist postwendend im posteingang, aber die zusage, ob ich nun diese guten flugverbindungen bekomme, lässt auf sich warten.
die auslandskrankenversicherung beschäftigt mich mit dem ausfüllen von vielen formularen.
was machen patienten, die, wie ich, alleine reisen, aber aufgrund ihrer unpässlichkeit nur noch wenig können?
schon mir macht das alles mühe. allein das fotografieren der ausgefüllten formulare gleicht einem balanceakt.
liegt es an den medikamenten, dass die feinmotorik nicht mehr stimmt und die bilder immer wieder verwackeln?
das wäre doch eine geschäftsidee für den globetrotter: er bietet sich dem auslandsversicherer als dienstleister an und reist zu dem versicherungsnehmer, um ihm diese scheußliche arbeit abzunehmen, seine familie zu beruhigen und für die recht umfängliche korrespondenz zu sorgen.
dass die formulare nicht online ausgefüllt werden können? und das im digitalen zeitalter? ist da vielleicht in der entscheidungsetage ein führungswechsel auf die nächste generation verpasst worden?
zur belohnung und weil immer noch keine antwort vom reiseanbieter da ist schaue ich mir einen sehr guten zweiteiler mit heino ferch an. ich bin hellwach.
und dann passiert das missgeschick. ich habe den tag über meine ordnerstruktur auf dem rechner übersichtlicher gestaltet und dabei umfangreiche daten gelöscht. ich suche und suche und muss erkennen, dass da nichts mehr zu retten ist. auch wichtige unterlagen sind dabei. hier ist es mittlerweile 04:30 uhr. in deutschland ist es 10:30 uhr, und die menschen kommen vom kirchgang zurück...
ich erreiche glücklicherweise meinen computerexperten, der mithilfe einer software direkt auf meinem rechner arbeiten kann. ob nun alle daten wiederhergestellt sind?
eine aufgabe für den morgigen tag. mehr geht sowieso nicht. das bein will einfach nur seine ruhe.
und dann - während wir am rechner arbeiten kommt der ersehnte glockenton: die flugbestätigung ist da. statt 36 stunden mit übernachtung in paris, habe ich die verbindung über amsterdam bekommen mit einem schnellen anschluss nach bremen. 16 stunden.
draussen ist es schon hell. es ist sonntag.
das boxengedröhne hält sich noch in grenzen. dafür gibt es die ganze nacht über motorradfahrer, die mit abgesägtem auspuff und viel zwischengas die av. dos de mayo entlang düsen und ihren spaß haben. die policia hat keine nachtschicht vorgesehen.
warum auch? es ist ja ein gewöhnliches wochenende.
irgendwann finde ich in den schlaf.
doch sonntag gibt es nicht. hier im hotel wird der schlaghammer angesetzt. zwar nur kurz, aber er zeigt seine wirkung.
die drei gelbstirnamazonen - immer noch in dem engen käftig untergebracht - begrüßen den tag und rufen den senor.
sie überbieten sich gegenseitig mit recht variablen und nicht immer stimmigen tonfolgen, die ein austauschen von sprachnachrichten einfach unmöglich machen.
es gibt post vom malteserhilfsdienst. wird es jetzt ernst?
ich verschicke unfallbilder und merke, dass da jemand ernst macht.
ich kündige an, dass ich schon den flug gebucht habe. business? oder eco? ob ich auch mein bein hochlegen könne?
sehr wichtig ist auch, dass ich den nachweis erbringe, dass ich tatsächlich außer landes bin und nicht in brandenburg sitze - hinter dem warmen ofen - und mir stories einfallen lasse.
meinen boardingpass oder die rechnung von meinem flug nach santiago habe ich nicht mehr.
man teilt mir mit, dass auch eine formlose "bezeugung" mit unterschrift und personalausweis- oder passnummerausreiche.
zum glück gibt es smarties und netbooks.
sonst würde ich hier endgültig in einer sackgasse stecken.
es ist ein richtiger bürotag. ich komme donnerstagnachmittag in bremen an. karin holt mich ab. mein auto muss freitagmorgen wieder angemeldet werden, damit ich meine arztermine abwickeln kann. doch auch hierzu bedarf es vieler mails und vorausdenkens. die versicherungsbestätigung, der bankeinzug für die steuer, die meldebestätigung meiner gemeinde. das auto selbst muss erst mal wieder in gang gesetzt werden. und das muss alles noch donnerstagabend klappen. auf dem dorf ist vieles möglich.
viel koordination und networking.
und ich habe menschen in ritterhude, die sich zeit für mich nehmen, die mitdenken und zuverlässig sind.
ein weiteres mal - wie schon einige male auf meinem trip - stellen sie das unter beweis.
sogar einen arzttermin habe ich für freitag. internist seines zeichens, der mir aber schon in aussicht stellt, dass ein besuch des tropeninsituts in hamburg erforderlich sei. er wolle sich aber erst einmal das bein ansehen und mit homöopathie - so meine hoffnung - den in sich mir befindlichen chemiecockail auflösen.
auf meinem weg zum frühstück treffe ich meinen hostelowner - der mit den handtüchern...
ich erwische ihn auf dem richtigen fuß. er erlaubt mir, die vepse in der geschützten und verschlossenen hotelhalle stehen zu lassen. auch als ich sage, dass ich erst im november weiterfahren wolle. ich biete ihm 50 soles pro monat an.
er ist einverstanden und will das geld erst im november haben... die ausrüstung verschwindet dann in einem abschließbaren schrank.
ich werde am mittwochvormittag mit einem dreirad-taxi zu unserem mit nur einer start- und landebahn ausgestatteten amazonasflughafen fahren.
und mich dann ganz langsam auf die richtig hohen geschwindigkeiten zwischen den kontinenten einstimmen...
und in deutschland?
dort gibt es puderzucker auf den wiesen und auf den hausdächern, einen scharfen ostwind mit gefühlten minus 20 grad und junge minister.
angela merkel bereitet ihr nachfolge vor.
keine dröhnenden boxen.
alles wirkt beschaulich und gut organisiert.
26.02.
puerto maldonado zeigt sich von der besten seite.
heute morgen werde ich von einem feinen regengeräusch geweckt. beim betreten der dachterrasse empfängt mich eine angenehme kühle. 27°.
die vorbereitungen sind in den letzten zügen.
ein behördengang liegt aber noch vor mir. ich freue mich schon auf meinen zollamts-azubi.
er ist aber leider nicht da. schule?
stattdessen wird mir wiedererkennend von meinem allerersten gesprächspartner zugenickt. er ist gerade im gespräch.
ich stelle mich auf warten ein und finde einen sitzplatz.
diese haben mittlerweile eine ganz besondere bedeutung für mich.
es hat schon etwas, bevorzugt behandelt zu werden. wenn aber die benachteiligten direkt mitbekommen, dass wegen eines gringos das gespräch unterbrochen wird, ist das ein eher beschämendes gefühl. vielleicht, so tröste ich mich, müssen die drei - mutter, großmutter und kleinkind - miteinander etwas besprechen und sind für den ungestörten austausch dankbar.
ich erkläre dem senor die neue situation. er wirft mitfühlend einen blick unter den tisch, um mein bein zu sehen, aber das wiegele ich ab.
er kommt zur sache. ich solle einen brief schreiben, in dem ich erkläre, warum die vepse noch nicht ausgereist sei, solle ihren standort mitteilen, eine kopie des fahrzeugscheins beifügen und morgen reinreichen. auf meine frage, ob jetzt täglich gebühren anfielen, schüttelt er überzeugt mit dem kopf.
da käme bis november einiges zusammen...
etwas herzklopfen gibt es dann doch noch. die website von star peru - meiner fluggesellschaft, die mich nach lima bringt - spuckt immer wieder error aus. was wäre wenn...?
ich würde es wohl nicht mehr mit dem bus von hier nach lima schaffen - 1.600 km!!
meine spedition aragon fällt mir noch ein, aber die benötigen schon drei tage.
das erste reisebüro, das ich gleich nach dem frühstück betrete ist beschäftigt und hat keinen zweiten stuhl.
aber dann finde ich ein anderes und die buchung klappt.
die sachbearbeiterin hat das wohl auch noch nicht erlebt, dass ein gringo "ida und vuelto" bucht. hin und zurück - mit einem recht beträchtlichen zeitabstand dazwischen.
eine letzte mail schicke ich noch an das tropeninstitut nach hamburg und erfrage einen termin gleich für anfang nächster woche.
mein krankenversicherer teilt mir nur lapidar mit, dass ich selbst für einen meiner situation angemessenen transfer zum flugzeug und für einen entsprechenden sitzplatz sorgen müsse.
ansonsten höre ich heute nichts mehr.
auch der malteserhilfdienst hüllt sich in schweigen.
einen comfortsitz für die lang- und kurzstrecke habe ich gebucht.
27.02.
mein zollamts-azubi hat heute freie hand.
nach längerem warten kommt er aus den hinteren räumen.
sein blauweiss gestreiftes businesshemd hängt aus der hose, die hose wird knapp mit dem gürtel auf position gehalten, der hosenstall ist halb geöffnet. aufgrund seiner fülligen figur sehe ich ihm den nicht gerade perfekten sitz seiner anzughose nach - den rest eher nicht.
seine vorgesetzten sind entweder alle auf einer fortbildung oder die urlaubsplanung hat nicht hingehauen.
eigentlich ist es mir jetzt nicht nach zollamts-azubi, sondern eher nach einem mit vollmachten ausgestattetem kollegen, der mein thema zügig abarbeitet.
die überhaupt wichtigste frage, die ihn aber beschäftigt, WO denn der unfall überhaupt stattgefunden habe...
ich kann ihn nicht mehr richtig ernst nehmen und mir rutscht ein no es importante heraus, werde mir aber seines einflusses auf den fortgang der dinge bewusst und erkläre ihm dann wortreich den unfallhergang.
erst dann widmet er sich den unterlagen.
sein zeigefinger fühlt sich immer wieder zu seinem linken nasenloch hingezogen, verharrt doch eine weile prüfend, um dann wieder meinen brief in angriff zu nehmen.
er hat keine lust, liest noch nicht einmal meinen formlosen antrag und entscheidet dann, dass er mich einfach zur registratur schickt.
ich "verstehe" nichts und sage ihm, dass ich ohne seine hilfe nicht weiter wüsste.
habe ich ihn an seinem stolz gepackt?
wir gehen zusammen zur registratur. dort wird mein brief amtlich erfasst und ist nun für die hehörde aktenkundig. ein älterer, respektabler kollege sitzt am schreibtisch. es entspannt sich zwischen den beiden ein kleines wortgeplänkel, das von einem hin- und herschieben meines dokumentes begleitet wird. mittlerweile sieht es recht mitgenommen aus, knicke, eselsohren, unappetitliche verfärbungen.
der zollamts-azubi zieht von dannen - erleichtert, dass er diesen vorgang los ist. ich bin es auch. die bürokratie nimmt ihren lauf. ich reiche später noch eine kopie meines reisepasses nach - händeschütteln, buen viaje, und ich darf das zollamtsgebäude verlassen.
meinen zollamts-azubi werde ich erst im november wieder sehen...
die brütende sonne verschwindet hinter den wolken. erleichterung! und als ich wieder im hostel bin, schüttet es aus eimern, die temperaturen werden angenehmer.
zwei dinge stehen neben dem packen noch auf dem programm: clinica de dios und eine schnelle verabschiedung von henrico.
ich habe es heute mit der chefärztin zu tun. sie weiss, dass sich ihre kollegen in deutschland das bein anschauen werden. das führt dazu, dass meinem bein noch besondere beachtung geschenkt wird. auch über die kontinente hinweg darf das peruanische image nicht leiden.
sie legt mir ernsthaft nahe, mich für die sichere und schmerzfreie rückreise mit zwei weiteren antibiotikaspritzen zu versorgen zu lassen. ich wehre mich mit händen und füßen. aber sie zieht alle register, spricht von plötzlich und unkontrolliert ausbrechenden entzündungen und verspricht mir aber auch, dass ich einen schmerzfreien flug vor mir hätte. irgendwann gebe ich auf. das bein schmerzt. am liebsten würde ich es hochlegen und ein nickerchen machen. sie stellt mir noch eine endbehandlung der noch nicht ganz verheilten wunde in aussicht und verspricht mir, mir morgen früh das attest in die hand zu drücken.
vielleicht garantiert es mir eine vorzugsbehandlung im flieger?
ansonsten ist sie sehr neugierig. auch sie will über meinen familienstand genausestens informiert werden, schüttelt nur ihren kopf, als ich ihr von meiner reise berichte, versteht nicht, wie man das mit seiner familie in einklang bringen kann und ist so gut wie sprachlos, als ich erzähle, dass ich alleine unterwegs sei. dann gibt sie mir noch einen einblick in ihre arbeits- und lebensphilosphie. der patient müsse seine mentale kraft für den heilungsprozess einsetzen. gott würde ihn dabei unterstützen.
die peruaner sind ein gläubiges volk. auch heute ist mir ein motorradtaxi fahrer aufgefallen, der sich beim vorbeifahren an der kirche bekreuzigt hat.
es sind auch die freikirchen, deren protagonisten auf plätzen und straßenkreuzungen predigen. sie sind mit übersteuerten boxen ausgestattet und spätestens bei dem wort diablo überschlagen sich ihre stimmen.
henrico ist etwas überrascht, als er mich sieht. und als er weiss, dass ich erst im november weiterfahren werde, gibt er mir noch tips, was ich mit dem vergaser zu machen habe. ich kündige ihm an, dass ich mich nach meiner ankunft bei ihm melden würde.
drei monate war ich hier stammgast
den großen salat mit einem gut gewürzten hühnchen-filet nehme ich heute abend das letzte mal bei meinen gastgebern ein. es ist eine noch recht junge familie, die vor nicht allzu langer zeit, das restaurant fussiones eröffnet hat.
sie sind sehr eifrig und mit liebe dabei, bemalen kunstvoll und mit viel geduld ihre holztafeln, die draussen auf der straße stehen. ich gebe ihnen den tip, sie so zu stellen, dass sie von der stärker befahrenen straße auch gesehen werden können.
sie haben mich nahezu drei monate lang gut versorgt.
eine begebenheit am rande, die die geschäftstüchtigkeit und kreativität der motokar-taxistas beschreibt:
als ich mein obstrestaurant verlasse nehme ich ein taxi zum hostel. der himmel öffnet zaghaft seine schleusen.
der taxista, will wissen wie weit er gehen kann. turista? de donde? ich kenne die preise und kann mich ohne konsequenzen outen. aber er nimmt den regen zuhilfe und sagt höflich und etwas schüchtern zugleich, dass die fahrt jetzt einen sol mehr koste. regenzuschlag.
ich lache ihn an und erkläre ihm, dass er der erste wäre, der diesen tarif einführen wolle. er gibt sich gleich geschlagen.
aber er bleibt dran und kombiniert richtig, dass ich ja auch irgendwann mal zum flughafen muss. da trifft er ins schwarze.
morgen um viertel nach 10:00 uhr wird er mich abholen.
da macht er dann einen besseren umsatz - auch ohne regenzuschlag.
28.02. bis 01.03.
ich bin früh wach. der flieger wird um halb 12 starten. einige punkte müssen noch vorher abgearbeitet werden.
zuerst muss ich in die klinik, um mir meine zweite antibiotikaspritze abzuholen. das attest ist noch nicht fertig. macht nichts, hole ich auf dem weg zum flughafen ab.
motokartaxis sind so früh noch nicht unterwegs, so dass ich kurzerhand auf ein zweiradtaxi steige. eine herausforderung des schicksals? kein helm...
meine beiden obst-senoritas servieren mir ein letztes mal die obstsalate, die pollo-empanada und den cappuchino.
sie wissen, dass ich am 11. november mit erhobenem daumen und zeigefinger meine ihnen schon zur gewohnheit gewordene bestellung aufgeben werde.
auf meinem weg zum hotel royal inn kaufe ich in einem andenkenladen noch einige armbändchen. eine peruanische handarbeit.
es ist früh. die straßen wirken noch verhältnismäßig ruhig. das boxengedröhne bleibt mir erspart. es verspricht wieder, ein heisser tag zu werden. ich freue mich, dass ich in 24 stunden den deutschen winter mit dem kalten nord/ost erleben werde.
meine sachen sind schnell gepackt. nun geht es darum, dass die vepse einen guten platz bekommt. der hostelsenor ist schon seit tagen auf reisen, so dass ich mit seinen rezeptionsdamen den standort entscheide. die übrige ausrüstung samt helm ist im schrank verstaut
alle wichtigen personen wissen, wem die vepse gehört.
bei meinem abschied bitte ich alle, sie im auge zu behalten.: la moto es mi existencia.
das bestellte motokar-taxi ist nicht da. aber wenige minuten steht ein autotaxi vor der tür. schade, denke ich, noch ein letztes mal mit einem motokartaxi im zeitlupentempo durch die stadt gefahren zu werden, wäre ein angemessener abschied. so aber komme ich mit dem taxifahrer ins gespräch und habe schnell raus, dass er der kollege von andres ist. andres war derjenige, der mich zwecks visaverlängerung zur brasilianischen grenze gebracht hat.
ich bekomme einen schreck, als wir den flughafen erreichen. er liegt recht verwaist in der sonne. nur wenige taxen sind zu sehen, ein einsames flugzeug von latam steht auf dem flugfeld.
habe ich mich in der zeit vertan? auch in der "abflughalle" ist kaum publikumsverkehr. dann hättte ich wirklich viel geld verbrannt, wenn ich eine stunde zu spät wäre.
mein blick fällt auf die anzeigetafel. meine flugmummer von starperu finde ich auf den zweiten blick und stelle dann mit erleichertung fest, dass meine annahme stimmt. der flieger wird erst eine stunde später abheben. ich bin eine stunde zu früh.
das check in mit dem gepäck ist schnell erledigt. so vertrete ich mir noch vor dem flughafengebäude die beine. mittlerweile gibt die sonne wieder alles. ich schaue mir einen alten doppeldecker an, der zu papas ehren einen neuen anstrich erhalten hat.
dieses mal gibt es keine verspätung in cusco.
mein flieger landet pünklich und nach nur eine viiertelstunde können wir einsteigen. in der kabine steht die luft. dreiviertel der maschine ist schon besetzt. vielleicht sind es lima-passagiere, die in cusco zugestiegen sind und den umweg über puerto maldondado inkaufnehmen müssen. ich habe einen gangplatz.
in lima klappt alles reibungslos. mein comfortplatz hält was er verspricht. das klm-menue entspricht nicht den erwartungen, dafür ist die klimaanalge in der kabine erträglich eingestellt.
die sicherheitsformalitäten in amsterdam überraschen mit ein wenig. auch nach dem verlassen des flugzeuges werden wir durchgecheckt wie beim hinflug. wo ist da der sinn? während des fluges kann sich keiner mit waffen oder verbotenen flüssigkeiten versorgen... wir werden durchgescannt, das notebook muss wieder ausgepackt werden, gürtel und schuhe werden überprüft.
dafür können mit die mitglieder der eu eine automatisierte passlontrolle passieren.
knapp schaffe ich es bis zu meinem gate. der cityhopper nach bremen steht schon bereit.
bei der flugbuchung vor ein paar tagen habe ich mich noch schnell von der klm aufs glatteis führen lassen: für den flug von lima nach bremen gäbe es ein upgrade für die businessclass für nur 45 euro!
das kann nicht sein! aber auch nach mehrmaligen hingucken komme ich nicht auf den trick und bin am schluss sicher, dass aus welchen gründen auch immer, das flugzeug auch vorne ausgelastet sein müsse.
mir wird zu menem erfolgreichen kauf gratuliert und da steht schwarz auf weiss: upgrade für den cityhopper amsterdam bremen.
hier gibt es keine business class. der einzige unterschied: ich bekomme eine papiertüte überreicht mit einem sandwich und einer flasche wasser, die anderen gäste bekommen ein brötchen direkt vom servierwagen.
dass eine angesehene fluggesellschaft wie die klm sich auf solche bauernfängereien einlassen muss? ein weiterer minuspunkt.
wir landen pünktlich in bremen. hier ist klares wetter. der eiskalte ostwind fegt über das flugfeld.
die sonne verabschiedet sich langsam dorthin, wo ich gerade herkomme.
karin holt mich ab. der rucksack ist noch in amsterdam geblieben und wird mir in den nächsten tagen zugestellt.
wir fahren zuhause vorbei. ich treffe auf meinen mieter, der die batterie erneuert hat. der kangoo springt sofort an. wenig später kommt sven und bringt die unterlagen für die anmeldung.
auch die meldebesätigung können wir noch bei ute abholen.
das bein verhält sich nach wie vor ruhig und hat nun bis zum 07.11. zeit, sich zu regenerieren.
dann fliege ich zurück und setze die tour nach montevideo fort.