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Nordmazedonien

Imechapishwa: 05.09.2022


Nordmazedonien ist das kleine, unbekannte Land auf unserer Reise. Schon bei der Vorbereitung haben wir gemerkt, dass es nur wenig Informationen zu interessanten Reisezielen zu finden gibt. Der einzige Reiseführer aus der Bücherei war mehr als zwölf Jahre alt und heißt noch Makedonien. Da den geschichtsbewussten Griechen dieser Name so gar nicht gefällt und die Makedonier gerne in die EU wollen, mussten diese ihren Landesnamen ändern um den großen EU-Nachbarn im Süden zufriedenzustellen. Aber kaum haben sie 2019 ihren neuen Namen bekommen, will der große EU-Bruder im Osten (Bulgarien) den Nordmazedoniern ihre Sprache streitig machen und blockiert somit die Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Klingt erstmal wenig einladend, aber zumindest soviel wussten wir aus den Nachrichten von Nordmazedonien. Es zeigte sich aber leider auch recht schnell: so viel gibt es in Nordmazedonien auch nicht zu machen.

Das erste Ziel von Albanien kommend ist Ohrid am Ohridsee. Stadt und See sind immerhin UNESCO-Weltkulturerbe und deshalb von Nordmazedonienreisenden in aller Munde. Außerdem ist der Ohridsee der zweitgrößte See der Balkanhalbinsel.

Auf dem Weg vom Prespasee zum Ohridsee muss man das Galizija-Gebirge und den Galizija-Nationalpark durchqueren. Vom Pass aus kann man beide See erkennen. Nicht so clever von den Nordmazedoniern ist es direkt hinter der Grenze Parkeintritt zu verlangen wo natürlich noch niemand Dinar in bar dabei hat.
Bei der Talfahrt vom Pass lag der ganze Ohridsee vor uns. Er zählt übrigens zu den ältesten Seen der Erde mit einem alter von 1,36 Millionen Jahren.
Ohrid wirkt von weitem wie ein italienisches Dorf am Gardasee.
Das Wasser des See ist auch im Sommer recht kalt und somit immer eine Erfrischung. Das Ufer ist leider ringsum mit einer Betonmauer befestigt. Es gibt also leider keinen direkten Strand.

In Ohrid gingen wir auf den einzigen Campingplatz mit Waschmaschine weit und breit. Terence hatte schon wieder keine sauberen Nickis mehr. Der Campingplatz liegt direkt neben den einzigen Strandhotels von Ohrid und Baden gehen heißt scheinbar auch für die meisten Nordmazedonier "Party hard". Das Strandhotel besitzt natürlich eine Strandbar, auf der bis nachts um zwei sehr laut Livemusik lief. Ich glaube selbst die Albaner am anderen Ufer haben das gehört. 

Die Stadt Ohrid liegt wunderschön oberhalb vom See. Man hat fast immer eine schöne Sicht. Angeblich soll es mehr Kirchen als Tage im Jahr in dem kleinen Ort geben.
Aber es gibt auch eine Burg.
Nordmazedonien ist ein Binnenland, besitzt jedoch trotzdem eine eigene kleine Marine. Genau genommen die kleinste Marine der Welt. Dieses Patrouillenboot steht bereit, falls die Albaner über den See kommen.
Wir hatten nach vielen Tagen wildstehen mal wieder die Gelegenheit die Wäsche zu waschen.
Und Karl konnte ganz entspannt am See spielen.

Ohrid war zu 100% auf Tourismus getrimmt und falls jemand sich je gefragt hat, wo die Polen und Tschechen ihren Sommerurlaub verbingen: hier. Wir hatten dann auch schnell Schluss von dem Trubel und wollten weiter. Dafür ging es erstmal nach Norden in den Mavrovo-Nationalpark, der uns von einigen, die wir unterwegs getroffen hatten, empfohlen wurde. Um nach Norden zu gelangen gibt es aktuell nur eine Landstraße. Allerdings ist eine Autobahn mit paralleler Linienführung im Entstehen, gebaut von Chinesen. Das heißt China fliegt die eigenen Leute ein, aber die Nordmazedonier mit immerhin 20% Arbeitslosenquote gehen erstmal leer aus. Die LKW trugen chinesische Schriftzeichen, die Bauarbeiter trugen Coronamasken und große Bautafeln dankten dem chinesischen Volk. Eine dubiose Annäherung, wenn man doch eigentlich in die EU möchte.

Der Mavrovo-Nationalpark schützt ein Gebirgsmassiv und dessen natürliche Wasserläufe, also zumindest laut Selbstverständnis. Zentraler Bestandteil des Parks ist jedoch ein großer Stausee mit Wassersporteinrichtungen und weitere kleine Stauseen sind im Gebiet des Nationalparks geplant. Hier auf dem Balkan lernt man schnell, dass die Definition von Nationalpark stark von unserer mitteleuropäischen Definition abweichen kann. Aber verlässt man den Stausee und fährt in die Berge des Mavrovo ist man schnell in einer einsamen Bergwelt angekommen.

Im Mavrovo nutzten wir die Gelegenheit mal wieder ein wenig zu wandern. Vom Nationalparkbüro bekamen wir auch eine schöne Route vom kleinen Ort Galichnik aus empfohlen.
Wir waren die einzigen Touristen weit und breit.
Und hatten so die Berge für uns allein.
Und die Aussicht war mal wieder überragend.
Wir folgten einem Feldweg und wurden kurze Zeit später von Schafen umringt.
Hier verbrachten wir die Nacht.

Niemand anderes weit und breit. Der Sternenhimmel war der Hammer, aber kalt wars auch.

Vom Mavrovo-Nationalpark ging es zur Pilgerstätte der Nordmazedonier. Dem Ort, an dem sie ihre Identität als Nordmazedonier gründen: Kruševo. Hier erhoben sich 1903 die Bewohner gegen die osmanische Besatzung und riefen die Rebuplik Kruševo aus. Diese hatte immerhin 12 Tage Bestand bis die Osmanen den Aufstand niederschlugen. Das könnte auch an den selbstgebauten Holzkanonen der Aufständischen gelegen haben. Jedenfalls steht in Kruševo jetzt das Nationalheiligtum der Nordmazedonier, das Makedonium. Ein in Beton gegossenes, übergroßes Coronavirus.

Das Makedonium.
Jetzt könnte man meinen das Makedonium wird von einheimischen und ausländischen Touristen überrannt. Fehlanzeige, wir waren weit und breit die einzigen und das, obwohl direkt nebenan die Gedenkhalle für den Sänger und Nationalhelden Toše Proeski, der 2007 viel zu jung starb, eingerichtet wurde. Insofern langweilen sich die Souvenirhändler ordentlich und wir kauften aus Mitleid einen Kühlschrankmagneten. Hier wurde uns auch schnell klar, was das große Problem des nordmazedonischen Tourismus ist, es gibt ihn nicht. BTW, der Wasserspender ist so eine nutzlose Holzkanone.
Kruševo selbst liegt in den grünen Hängen West-Nordmazedoniens und ist auch ein Mekka für Gleitschirmflieger.
Kruševo ist besonders stolz Kruševo zu sein.
Vieles in Nordmazedonien ist ähnlich zu Albanien. So gibt es auch hier kleine privat betriebene Baumärkte und Läden, die einfach alles auf 20qm haben, was man irgendwie gebrauchen kann. Große Supermärkte gibt es eher selten.

Weiter ging es gen Südosten durch endlose Wälder und wenig Besiedlung nach Bitola, nahe an der griechischen Grenze. Entlang des Weges gab es nicht viel zu sehen. Man merkt aber deutlich den Einfluss der orthodoxen Kirche. Alle paar Kilometer war ein Kloster ausgeschildert.

Bitola ist mit 70.000 Einwohnern die drittgrößte Stadt Nordmazedoniens und für ihre osmanische Altstadt und die antike griechische Stadt Heraklea bekannt.

Bitola, dort wo Touristen eher weniger hinkommen.
Aber der G hat sich wohl gefühlt. Links, leicht verdeckt ist eine Wettstube. Wettstuben findet man auf dem gesamten Balkan in Massen. Besonders viele in Montenegro und Nordmazedonien. Sie gehören hier zum Stadtbild und sind immer von zahlreichen Männern besucht, die Frauen müssen ja das Geld zum Zocken verdienen.
Bei Andrea besorgten wir uns noch Abendbrot und bekamen zwei gigantische Hamburger für wenig Geld.
Heraklea überraschte uns von seiner Größe und der Dichte der Gebäude. Von der EU gefördert gab es sogar einen Audioguide auf deutsch als App zum runterladen im gratis WiFi. Im Thema Digitalisierung merkt man in solchen Momenten wie rückständig Deutschland dabei noch ist.
Auch ein altes Theater blieb erhalten. Beim Schlendern übers Gelände trafen wir auf den Chefarchäologen, der gerade Restaurierungsarbeiten überwacht. Er erklärte uns so einiges zur Stadt und der Forschung, die sie hier betreiben. Wir fragten ihn, warum solche Stätten nicht einmal komplett aufgebaut werden. Die Frage ist wohl auch heiß diskutiert in der Community. Aber er vertritt auch die Meinung, nur das, was man heute noch findet, ist wirklich echt, alles nachgebaute kann niemals zu 100% das alte Bild der Stadt wiederherstellen.
Besonders bekannt ist Heraklea für seine alten Mosaike.
Bitola war überraschend. Überraschend normal. Nachdem in Kroatien, Montenegro und Albanien alle im Reiseführer empfohlene Orte von Touristen überlaufen oder zumindest gut besucht waren, waren wir die einzigen Fremden weit und breit. So konnten wir entspannt durch die schön sanierte Alstadt und den Basar schlendern. Der Döner kostet hier auch noch stabile 2€.
Nordmazedonien ist zwar zum einen mazedonisch-orthodox, aber auch der Islam ist hier sehr präsent, da es eine nicht gerade kleine albanische Minderheit gibt.
Der Basar von Bitola war ein Straßengewirr durch alte osmanische Häuser.
Aber er wird seinem Namen gerecht. Es gibt einfach alles zu kaufen.
Kaufland kann zwar eine Frischegarantie haben, die Frische und Preise eines nordmazedonischen Marktes wird Kaufland nie erreichen.
Eine wirkliche Besonderheit Nordmazedoniens sind diese Sägeautos. In Bitola und später Prilep sah man sie in nahezu jeder Straße. Flott rasen die Teile entgegen jeden Fußgängerschutzes durch die Stadt. Man sieht sie im Einsatz auf Baustellen, aber meist stehen sie vor Privathäusern und sägen Holz für den Wintervorrat. Allgemein schien sich das ganze Land gerade seinen Winterspeicher anzulegen. Überall wurde gesägt und gestapelt und am Straßenrand Holz verkauft. In Prilep standen bestimmt 30 dieser Sägeautos am Straßenrand und haben noch auf ihren Einsatz gewartet. In Zeiten von Sharing Community eigentlich keine schlechte Sache, aber die dunklen schwarzen Ruß- und Abgaswolken, die sie in die Luft blauen, erfreuen weder Lunge noch Klima.

Direkt hinter Bitola ragt das Baba-Massiv steil auf 2600 Meter auf. Terence fand beim Stöbern auf IZI.travel eine gratis self-guided Offroadtour durch dieses Massiv, dass durch den Pelister-Nationalpark geschützt ist. Über ordentlich Geröll und Gestein kämpften wir uns abends auf den Berg und konnten in aller Ruhe neben einem Gletschersee auf 2200m und mit herrlichem Blick auf Bitola und gefühlt ganz Nordmazedonien übernachten.

Zu erst ging es lange langweilig durch Wald. Aber als wir den Wald verließen wurde die Landschaft superschön mit Fernsichten zum Prespasee und nach Griechenland.
Die Vegetation wurde immer karger, die Sicht immer weiter.
Überall blühten noch die Wiesen und es roch nach Thymian.
Oben an der alten Hütten, welche zur Zeit verlassen ist, haben wir unser Basislager aufgeschlagen
Ordentlich kalt wurde es oben auf dem Berg.

Schaut man sich die Karte von Nordmazedonien an, sieht man, dass das Land viele leere Flecken hat. Viele Landstraßen versanden irgendwo im Gebirge oder gehen nach und nach in Feldwege mit unklarem Ende über. Dadurch gibt es viele Regionen mit abgeschiedenen Gebieten, die nur schwer zu erreichen sind. Eine Region, die in genau so einer großen Sackgasse liegt, ist Mariovo, östlich von Bitola an der Grenze zu Griechenland. Die breite und gut ausgebaute Landstraße ging nach und nach in eine schmale, kurvenreiche Nebenstraße über. Der Verkehr ließ nach und die Ortschaften wurden weniger. Bis die Ortschaften größtenteils Geisterdörfern glichen. Diese ehemals landwirtschaftlich geprägte Region, hier wurde unter anderem viel Opium angebaut, ist heute nahezu entvölkert und größtenteils von Alten bewohnt. Das liegt nicht nur an der schlechten Verkehrsanbindung als viel mehr an den Schlachten des Ersten Weltkrieges. Wir stießen hier ein wenig verwundert auf deutsche Soldatenfriedhöfe und lernten schnell, hier verlief die Salonikifront, in der sich die gesamte Entente und die Mittelmächte, hauptsächlich vertreten durch Bulgarien, gegenüberstanden. Jeweils 600.000 Soldaten standen sich auf beiden Seiten gegenüber und legten die gesamte Region in Schutt und Asche. Der Durchbruch der Entente gilt als eine der Entscheidungsschlachten des Ersten Weltkrieges. Von den Schlachten hat sich die Region nie erholt, leider, denn die Landschaft kann mit den Kimberleys in Australien mit ihren roten Felsen und zahlreichen Canyons problemlos mithalten.

Seit Kroatien haben uns die westlichen Supermärkte verlassen und damit gibts keine Nougatkissen für Terence' Frühstück mehr bis wir im Supermarkt in Prilep das Jugopendant entdeckten. Es gibt auch Euro Krem als Nutella und Euro Blok als Schokoladentafel. Alle Euro-Produkte zeichnen sich durch wenig Kakaogehalt aus.
Größtenteils verlassen liegen die Dörfer in der Gegend.
Zahlreiche kleine Schluchten durchziehen das hügelige Land.
Die Landstraße endet in Gradešnica. Einem Ort, in dem es eigentlich nichts gibt, außer dieser Pferde-Plastik aus Weltkriegsschrott.
Hier war es dann natürlich auch kein Problem einen schönen Platz für die Nacht zu finden.
Ziemlich leer hier.
Kimberley ähnliche Canyons
Nur, dass die Brücken hier ein wenig älter sind als in Australien.
Wir wollten ja gerne irgendwie Geld in der Region lassen, aber das einzige Gasthaus (im Hintergrund) hatte geschlossen. Hier die für den Balkan typische Art Heu zu lagern.

Nachdem der Westen des Landes sehr bergig und grün ist, zeigte sich das Zentrum flach und trocken. Auf dem Weg nach Prilep, unserem nächsten Ziel, ging es durch eine recht langweilige Gegend, ähnlich wie Brandenburg. Arbeit für die Bevölkerung scheint es nicht wirklich zu geben, so sitzen schon vormittags viele Männer vom Dorfladen und trinken Kaffee und Bier.

Leider nicht ganz so gut zu sehen, aber den Park war voll von Müll. Wir fragten uns, warum die vielen Einheimischen, die sich in der Gegend langweilten, ihr Dorf so vermüllen.

Auch wenn die Fahrt nach Prilep wenig fürs Auge zu bieten hatte, die Landschaft um Prilep selbst war der Hammer. Überall liegen große Boulder wie hingewürfelt in der Gegend herum und sanftes Grün wächst über dem roten Boden. In der Mitte über allem trohnt eine alte Burg.

In der Umgebung von Prilep wird viel Tabak angebaut. Bei der Fahrt durch die Stadt bekommt man den Eindruck, dass jede Familie ihr eigenes kleines Tabakfeld besitzt und den geernteten Tabak in eigenen Gestellen am Straßenrand trocknet.
Beim Besteigen der Burg kamen wir ganz schön aus der Puste.
Aber die Aussicht von der Burg war überragend.
Überall liegen große Boulder herum.
Angeblich können die Einheimischen gar nicht verstehen, was an ihrem Berg so schön sein soll.
Wir möchten ihn zumindest auf Anhieb.

Prilep selbst hat nicht so viel zu bieten. Es trifft Plattenbauschick auf moderne Betonbauten und die Randbezirke sind zum Teil Sinti-und-Roma-Siedlungen.

Downtown Prilep.
Es war gerade Melonenzeit. Überall standen Bauern mit ihren Traktoren und verkauften direkt vom Anhänger Melonen für 10 Cent das Kilo.
Wir fanden einen wunderschönen Stellplatz mitten in den nordmazedonischen Devils Marbles.
Mit bester Sicht auf den Burgberg und Prilep.
Nur die Anfahrt trübte das gute Bild der Landschaft. Jeder Weg, der ein wenig außerhalb ist, wird hier als Müllkippe genutzt. Dazwischen streunen Straßenhunde und grasen die Schafe der Hirten. Auch dieses Land hat ein latentes Müllproblem.
Unterhalb der Burg gibt es mehrere Klöster. Überhaupt, wenn Nordmazedonien etwas in ausreichender Menge hat, dann sind es Klöster.
Aber meistens liegen sie zumindest schön in der Landschaft.
Und immer und überall in Prilep: Tabak

Weiter ging es zum östlichsten Punkt unserer Reise, der auch der wärmste Ort Nordmazedoniens sein soll: Demir Kapija. Juliane wurde bei dieser Aussage ganz bange, aber so warm war es dann doch nicht. Bei Demir Kapija durchbricht der Fluss Vardar einen Gebirgszug. Folgerichtig heißt Demir Kapija übersetzt Eisernes Tor und erinnert auch ein wenig an den großen Bruder an der Donau in Serbien. Die umgebenden Berge eignen sich super zum Klettern und ziehen viele Klettertouristen an. Deshalb gibt es hier auch einen der wenigen Campingplätze in Nordmazedonien, in einem Wohngebiet des Dorfes gelegen. In der Nähe des Ortes gibt sogenannte Warm Pools, wobei der Name sehr irreführend ist. Statt in warmen Quellen kann man hier ein wenig in kleinen, mit Steinstaudämmen gebauten Pools eines Bergbaches planschen. Aber bei 35 °C war das ganz angenehm um den Nachmittag im Wasser sitzend zu verbringen, etwas abzukühlen und die Einheimischen zu beobachten. Denn hier versammelte sich der gesamte Ort und je später es wurde umso voller wurde es. Aber die Leute kommen nicht nur zum Baden. Nicht selten wird der halbe Hausstand mitgebracht. Am Ufer wird gegrillt, Stühle und Tisch werden ins Wasser gestellt und dann wird erstmal schön BBQ mit den Freunden gemacht. Andere richteten sich gleich für länger ein und bauten Zelte am Ufer auf oder schleppten palettenweise Bier zu ihrem Pool. Wir fanden das super und fragten uns wie schnell wohl die Polizei kommen würde, wenn wir das bei uns an der Weißeritz veranstalten würden. Aber hier gilt noch leben und leben lassen. Hört der Nachbar heute ohrenbetäubend laut Musik, bin ich eben morgen dran.
Beim Eisernen Tor erwartete uns wieder ein Kuriosum. Normalerweise verwendet Nordmazedonien die kyrillische Schrift, aber hier, mitten im Nirgendwo Nordmazedoniens, wurden wir in lateinischen Buchstaben an Kaiser Wilhelm II erinnert, der den Bau dieses Tunnels während des Ersten Weltkrieges befahl, leicht recht vom Tunneleingang zu erkennen. Die Fahrt hierher markiert auch den östlichsten Punkt unserer Reise.
So werden die Pools gestaut. Besonders tief ist es nicht, aber perfekt für Karl.
Und es reicht für einen entspannten Abend.

Abends, wenn die Dämmerung einsetzt, strömen alle nach draußen. Da auch gerade Ferien sind, sind die Straßen voll mit Kindern jeden Alters. Das Kindergeschrei zieht natürlich Karl magisch an. Er lief wie ein Zombie vom Stellplatz immer wieder zur Straße. Aber das Schöne war, die einheimischen Kinder spielten mit ihm, tätschelten ihn und waren stolz, die paar Worte englisch und deutsch, die sie kannten, mit uns zu teilen. Irgendwann entdeckten sie, dass unsere Taschenlampe auch ein rotes Notfallblinkelicht hat. Jeder wollte es haben, es sich an sein Fahrad halten und Polizei spielen.

Das Eiserne Tor ist gar nicht so einfach richtig abzubilden. Hier ein Versuch von der Straße vorm Campingplatz.
Längs zum Eisernen Tor zieht sich noch eine schmale steile Schlucht durchs Gebirge. Hier ist ein absolutes Kletterparadies in jeder Schwierigkeitsstufe. Auch einen großen Klettersteig gibt es. Die Betonröhre im Hintergrund ist der Autobahntunnel.
Im Eisernen Tor

Damit war Demir Kapija dann auch abgehakt und wir begaben uns endgültig wieder auf die Reise nach Norden. Auf dem halben Weg nach Skopje liegt direkt an der Autobahn die antike makedonische Stadt Stobi, also ein perfekter Halt für. Wir schlenderten durch das sehr beeindruckende und große Ausgrabungsgelände. Selbst hier gab es von der EU gesponsert gratis Audioguides zum Download.

Das große Amphitheater von Stobi
Das Taufbecken von Stobi. Die damalige Handwerkskunst ist wirklich verblüffend.
Zahlreiche Paläste und Herrenhäuse sind zum Teil noch erhalten.
So viel Kultur macht natürlich hungrig. Im nächsten Ort fanden wir ein wenig unscheinbares, aber gut besuchtes Restaurant und bestellten einfach die Empfehlung des Wirtes, eine typisch makedonische Platte. Ja, es war überragend lecker, sehr viel und seit langem gab es mal wieder eine Art Service, wie wir ihn gewohnt sind. In Albanien und Nordmazedonien kommen nicht selten die Kellner an den Tisch und schauen einen stumm an. Entweder soll man wissen, was man will oder die Karte bestellen, sofern es eine gibt. Meist kommt dann das Essen recht schnell und der Service ist vorbei. In der Regel sieht man den Kellner nie wieder und hat weder die Chance noch etwas zu bestellen noch zumindest die Rechnung zu verlangen.
Gradsko, der Ort in dem wir essen waren, war eigentlich das perfekte Abbild eines typisch mazedonischen Ortes. Es gibt Kneipen, Cafés, ein Wettbüro und irgendwo steht ein altes Partisanendenkmal unbeachtet in der Gegend rum.
Jeder Ort, der was auf sich hält, hat auch noch einen kleinen Minifreizeitpark auf dem Dorfplatz rumstehen, der erst abends zum Leben erwacht.
Abseits der Orte war die Fahrt durchs Land auf der Autobahn recht trist.

Skopje war dann doch eine große Überraschung. Nordmazedonien gilt laut Transparence International als eines der korruptesten Länder Europas. Nur Moldawien, die Ukraine und Russland sind korrupter. Insofern geht in dem Land einiges schief. So verwandelte das Projekt "Skopje 2014" die Stadt innerhalb weniger Jahre in die Kitschhauptstadt Europas wie Kritiker Skopje heute nennen. Ein Projekt, dass der Stadt ein barockes Antlitz geben sollte, aber laut der Oppostion im Land vorallem zur Geldwäsche der autokratischen Regierung diente. Als Resultat stehen jetzt überall in der Stadt monströse Alexander-der-Große-Statuen, die die Beziehung zu Griechenland nicht unbedingt verbesserten. Doch nicht nur Alexander und seine gesamte Sippe müssen herhalten, auch diverse andere Nationalhelden, Schriftsteller und neuzeitliche Politiker begrüßen die Gäste der Stadt in 100-Meter-Intervalen. Aber irgendwie ist die Stadt auch cool, dank der vielen Umbauten gibt es viel für das Auge zu sehen. Wenn man bedenkt, dass die Stadt bei einem verherrenden Erdbeben 1963 in Schutt und Asche gelegt wurde, ist die Umgestaltung vielleicht nicht die schlechteste Idee, auch wenn wir nicht wissen, wie Skopje nach dem Erdbeben wieder aufgebaut wurde.

Bei der Einfahrt nach Skopje begrüßen uns breite, von Plattenbauten gesäumte Boulevards.
Der Nationalheld der Nordmazedonier (und Griechen), Alexander der Große.
Die Innenstadt wurde zur großen Fußgängerzone gestaltet mit vielen Brücken über die Vardar, viele davon haben aber nur optischen Charakter und keine wirkliche Relevanz für Fußgänger.
Ein großes Segelboot darf in der Hauptstadt des Binnenlandes natürlich auch nicht fehlen.
Ein Triumphbogen samt britischer Doppelstockbusse (von China produziert) gehören in jede Stadt von Welt.
Wenn Alexander der Große eine Statue bekommt, darf sein Vater Philipp II natürlich auch nicht fehlen.
Und ein kleines Brandenburger Tor inklusive Siegessäule findet man in Skopje auch.
Also insgesamt ein kleines makedonisch-internationales Disneyland
Eine der unnützen Brücken, die nichts miteinander verbinden.

Bei einer Free Tour durch Skopje lernten wir aber auch den orientalisch-türkisch geprägten Teil der Stadt kennen. Nach der Tour lud uns unser Guide Vasko noch auf einen typisch türkischen Tee in einer der zahlreichen Kneipen im Basarviertel ein und erzählte von seinem interessanten Leben. Er hat Tscheschich und Türkisch studiert und war lange Zeit als Reiseautor unterwegs. Deshalb wurde er sogar als "The Best Promoter of Macedonia" ausgezeichnet. Aber, weil er da bald keine Lust mehr drauf hatte, scheinbar weil er nicht mehr so arbeiten durfte wie er es sich vorgestellt hatte, wurde er Touristenführer. Auch er berichtete uns, wie der Verdruss über die EU wegen der ewig langen und fortschrittslosen Beitrittsverhandlungen zunimmt. So sehr, dass die EU einiges an Vertrauen verloren hat und sich die Menschen hier immer weniger ernst genommen fühlen und langsam vom Wunsch des EU-Beitritt abkehren. 

Wir hatten ein wenig Glück, es regnete und der alte Basar war wie leer gefegt.
Im alten Basar gibt es noch die klare Trennung der einzelnen Zünfte. Tagsüber herrscht hier auf der Goldstraße reges Treiben. Goldgeschenke sind hier eine Art Altersvorsorge und schon Kleinkinder bekommen Goldgeschenke zu den verschiedensten Anlässen.
Auch eine alte Karawanserei bleib erhalten.
Bei Sonnenschein sorgen Sonnensegel für Schatten.
Und Eis gibt es natürlich auch.
Von oben sieht Skopje auch ganz nett aus.
Der berühmteste Skopi ist wahrscheinlich Mutter Teresa, die hier geboren wurde. Ihr Geburtshaus hat das Erdbeben 1963 leider nicht überlebt.
Der zentrale Platz Makedoniens ist mit spiegelglattem Mamor gepflastert. Tagsüber ist es unangenehm grell, aber abends werden romantisch die Lichter der Stadt reflektiert. Es riecht nach gegrillten Mais und Popcorn und irgendwo wird Musik gespielt, also zumindest wenn es nicht regnet. Eigentlich richtig schön.
In Nordmazedonien trafen wir dann auch wieder auf vertraute Marken.
Ein Bild, dass in Nordmazedonien leider auch dazu gehört, Armut. Sehr oft sieht man Müll- und Flaschensammler.

Jeder in Skopje war der Meinung, dass wir unbedingt den Matka Canyon besuchen müssten, also taten wir das auch, so wie tausende Mazedonier. Am Fuße des Staudamms herrschte Partystimmung und es galt wieder die Regel, machen und machen lassen. Überall wurde gegrillt, laut Musik gespielt und gebadet. Kinder tanzten auf Autodächern und ein Vater schockte seine Tochter aus Spaß mit einem Elektroschocker. Das ist alles kein Problem hier und keiner beschwerte sich bei seinem Nachbarn.

Vom ersten Eindruck fühlten wir uns an den Komanstausee zurückversetzt, nur, dass hier unzählige Bootsvermieter auf Touristen warteten.
Die Bootstour über den See führt in 30 min zu einer kleinen Höhle. Da es hier keinen Strom gibt sorgt ein Dieselgenerator für die Beleuchtung der Höhle. Dieser ist so taktisch clever positioniert, dass die Abgase in den Höhleneingang ziehen und direkt im Erdinneren oder den Besuchern gespeichert werden.
Aber dafür war die Höhle ganz nett.
Man kann auch entlang des Canyon wandern. Karl entdeckte hier auch seine Freude am wandern.
Unterhalb vom Staudamm am Fluss findet die eigentliche Party statt. Hier enden die Autokorsos von albanische Hochzeiten oder Beschneidungen.
Direkt am Fluss wird auch schnell mal das Auto zur Wäsche im Wasser geparkt.
Jeder Zentimeter ist zugeparkt. Überall wird gebadet, gegrillt, getrunken und Musik gehört. Hier treffen sich die Familien zum Ausflug. Aber pünktlich zur Dämmerung brachen alle wieder auf.

Wir wurden auch schnell aufgenommen. Als eine Partygesellschaft mitbekam, dass wir aus Deutschland kommen, wurde auch erstmal deutscher Rap gespielt, übertrieben laut natürlich.
Aber, so schön das Happening ist, die Spuren sind am nächsten Morgen deutlich zu sehen. Müll wird einfach liegen gelassen, das nächste Hochwasser kümmert sich drum. Zwar hat sich jemand die Mühe gemacht den Müll in einem Beutel zu sammeln. Aber streunende Hunde sorgten für eine effiziente Verteilung des Mülls.


Das wars dann leider auch schon von Nordmazedonien.



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