Imechapishwa: 27.04.2019
Ich war gerade auf dem Weg von Rolle nach Genf als ich kurz vor der Stadt plötzlich eine Stimme hinter mir hörte und mich jemand auf Englisch fragte, ob ich eine länger unterwegs sei. Matt, ein Australier, der in Zürich lebt, ist ebenfalls ein Radreisender. Er hat schon Touren quer durch die USA und Großbritannien gemacht und diesmal ging es für das Osterwochenende für eine kleinere Tour quer durch die Schweiz. Etwa eine halbe Stunde blockierten wir quatschend beim Fahren den Verkehr bis wir uns entschlossen einfach was trinken zu gehen und unser Gespräch in einer Bar am Genfer See fortzusetzen. Es war schön endlich mal auf einen Gleichgesinnten zu treffen und nicht wie gewöhnlich wie eine Verrückte behandelt zu werden, die jeden Tag die selbe Geschichte erzählen muss (die Fragen sind in der Regel ja immer die selben). Da die Schweiz ja nicht allzu groß ist, bin ich sicher, es war nicht das letzte Treffen. Matt machte sich dann auf den Weg zu seinem Freund und für mich ging es weiter auf einen Campingplatz etwas außerhalb von Genf.
Nach drei Tagen Campen am Stück habe ich nun auch endlich Routine im Zelt aufbauen, Taschen packen etc. - alles geht langsam wie von selbst, ohne das Stunden vergehen und man ständig etwas sucht.
Heute ging es dann weiter nach Frankreich nach Moisy/Frangy. Mit 43 km war es wieder eine kurze Strecke, aber dafür stetig bergauf. Ich bin sicher einige von euch würden über die paar Höhenmeter schmunzeln, aber ich muss schon sagen, dass das Fahren mit etwa 20kg Gepäck eine Herausforderung ist, die man leicht unterschätzt. Und gerade am Anfang merkt man einfach jede Steigung - als wenn einen jemand festhält und man nicht vom Fleck kommt. Deswegen graulte es mir ein wenig vor der Tour heute, da ich die letzten Nächte im Zelt auch nicht besonders gut geschlafen habe und meine Oberschenkel ziemlich brannten. Umso erfreuter durfte ich feststellen, dass es heute plötzlich viel besser lief und ich langsam das Gefühl habe mit meinem Fahrrad zu verschmelzen. Das mag kitschig klingen, aber es lässt sich schwer beschreiben - auf jeden Fall fühlt es sich gut an. Die Grenze habe ich dann passiert ohne es wirklich zu merken. Mein Navi schickte mich plötzlich eine Schotterpiste zwischen den Weinbergen hinauf und irgendwann stellte ich fest, dass ich bereits in Frankreich bin. Auf der Schotterpiste durfte ich auch feststellen, dass mein Vorderrad etwas zu sehr eierte und ich beschloss, mir das mal genauer anzuschauen. Gut, dass ich das gemacht habe, denn die Schrauben waren so lose, dass sich das Rad vermutlich irgendwann komplett selbständig gemacht und mich in den nächsten Graben oder so befördert hätte. Nachdem ich die Schrauben also festgezogen hatte, ging es weiter und ich wurde direkt von den Franzosen mit Hupen und Winken begrüßt. Ich hatte zwar gelesen, dass Frankreich bei Radreisenden nicht sonderlich populär ist, aber so empfangen zu werden, war schon irgendwie lustig. Da Ostersonntag kein Geschäft geöffnet hatte, habe ich mir spontan ein wenig Obst auf einem Markt gekauft. Da fing der Spaß erst richtig an, denn nun war ich gezwungen Französisch zu sprechen (in der französischen Schweiz geht es meist noch irgendwie ohne). Und prompt sprach mich eine ältere Dame an, die natürlich alles bis ins kleinste Detail über meine Reise wissen wollte. Ein besseres Sprachtraining kann man wohl nicht haben und ich war erstaunt, wie gut es doch funktionierte und sie offensichtlich verstand, was ich ihr mit gebrochenem Französisch und Händen und Füßen versucht habe zu erzählen. Die restliche Route des Tages führte mich größtenteils über einsame Straßen und durch Dörfer, in denen die Zeit gefühlt stehen geblieben ist. Die Landschaft ließ mich teilweise komplett vergessen, dass es immer noch bergauf ging. Leider ist es schwierig die Szenerie auf Bildern einzufangen - selbst Panoramabilder werden dem Ganzen nicht gerecht. Ziemlich verschwitzt, aber glücklich kam ich dann bei meinem Airbnb in Moisy an und auch hier sind meine Französisch-Kenntnisse natürlich gefordert. Hier werde ich mal meine ganzen Akkus (Handy, iPad, Powerbanks) aufladen und hoffentlich eine erholsame Nacht verbringen, bevor es morgen früh knapp 70 km weiter geht nach Saint-Genix-sur-Guiers - zur Abwechslung mal wieder Zelten. 😉