Publikuar: 28.01.2019
28.01.:
mit der route über nova prata habe ich die richtige entscheidung getroffen.
ich kann immer besser nachvollziehen, warum es die europäer gerade in den süden brasiliens gezogen hat.
der boden im schatten. dicke und süsse trauben warten auf ihre baldige ernte
das europäische tal war nach meiner fahrt durch den atlantischen regenwald schon eine überraschung. aber die serra gaucha, die ich heute durchfahren habe gefällt mir sogar noch besser. hier hat es die deutschen schon zu beginn des 19. jahrhunderts und später auch die italiener hingezogen. die italiener waren es, die auch den weinanbau mitgebracht haben.
um porto alegre aus dem weg zu gehen, blieb mir nur, mich wieder weiter westlich zu halten. ob ich überhaupt dort noch hin will, weiss ich noch nicht. mal sehen was google zu dieser stadt sagt.
auch hier dominieren douglasien (brasilanische kiefer)
ohne es zu wollen biege ich falsch ab. das navi passt sich an und führt mich über schotter- und holperwege über sattgrüne und fruchtbare berge und täler.
die serra strotzt vor fruchtbarkeit. schon vacaria wird die stadt der äpfel genannt. ein großer rotbackiger apfel begrüßt den gast. auch auf meinem weg nach nova prata sehe ich apfelplantagen, die von weitem aussehen wie weinstöcke. die bäume werden niedrig gehalten, damit die ernte einfacher ist.
aber - und das hat mich schon überrascht: es gibt auch hänge, die mit rebstöcken bepflanzt sind. sie tragen schon dicke trauben. im gegensatz zu unseren weinbergen werden die stöcke sehr hoch abgeschnitten, so dass das blattwerk die weintrauben und den boden im schatten halten. die ernte scheint sehr gut zu werden oder zu sein. die trauben schmecken sehr süss und es gibt an der straße federweissen zu kaufen. er nennt sich hier vinho doce. ich habe ihn kurz vor meiner ankunft probiert. ich war in erwartung eines weissen federweissen, mir wurde roter federweisser gegeben, der spritzig und recht süss schmeckt.
meine pousada ist das genaue gegenteil, von meiner vorherigen unterkunft. ich habe ein zimmer mit einer großen terrassentür mit blick auf saftig grünen rasen mit büschen und baumbestand. es gibt gartenmöbel, so dass ich sogar draussen sitzen kann. es gibt ein restaurant, das pasta, risotto und andere leckeren speisen im anbietet , aber nur von mittwoch bis sonntag geöffnet hat.
ich habe 3 nächte gebucht - es können auch mehr werden. pro nacht 50 reais ( knapp 12 euro mit frühstück).
29. und 30.01.:
ein haar gibt es in jeder suppe. hier in gestalt von 6 monteuren, die am spätnachmittag des vorgestrigen tages angekommen sind. für sich gesehen können sich daraus interessante begegnungen ergeben. es kann aber auch zu gewissen disharmonien führen, die in der erziehung begründet liegen.
letzteres tritt ein:
gestern und auch heute am frühen morgen werde ich unsanft von naturgeräuschen geweckt, die im grunde nur gutes im schilde führen. etwas anderes ist es, wenn diese naturgeräusche von menschen verursacht werden, die die folgen übermäßigen nikotingenusses nicht abzuschätzen wussten und nun ihren auswurf loswerden müssen. geräusche, die mich an meine frühe jugend erinnern. mein blinddarm musste raus und mein bettnachbar war peter stuyvesant verfallen...
um 07:00 uhr kehrt wieder ruhe ein. das bad ist in einem verheerenden zustand. ich lasse meine flipflops auch in der dusche an...
dafür ist das frühstück sehr großzügig und das ambiente sehr kultiviert.
linste schon neugierig in mein zimmer
der hostelsenor hat sein häuschen gut in schuss. so wie es aussieht kümmert er sich allein um haus und hof, aber es gibt ein zimmermädchen. er schwärmt von europa. er war schon einige male da und möchte wieder hin. deutschland habe er noch nicht besucht, das stünde auf seiner nächsten reiseroute.
ich genieße meine neue umgebung. obwohl die sonne ohne gnade vom himmel brennt, finde ich im garten ein schattiges plätzchen und widme mich ausgiebigst ken follett und den spannenden kämpfen der resistance gegen die deutschen. 6 englische spioninnen, die sich als getarnte putzfrauen zutritt ins gestapohauptquartier verschaffen, um die telefonanlage - die hauptlebensader der deutschen - in die luft zu sprengen... spannung bis zum schluss. das ende ist etwas seicht, aber es hat sich gelohnt.
danach ist paperwork fällig und eine kleine siesta. ein weiteres haar ist ein zwingerhund, der ab und zu unter heulkrämpfen leidet. nichts weiter als ein machtkampf zwischen ihm und meinem hostelsenor. diese heulkrämpfe wirken schon fast hysterisch. kurze atemeinsätze führen zu kreischenden und von in höchsten tönen begleiteten bellsalven, die das beste nervenkostüm derart strapazieren, dass sich mordgedanken nach vorne drängen. aber dann kommt das herrchen und die welt ist wieder in ordnung.
tirol?
andere und qualitativ anspruchsvollere baustile
nova prata, die stadt des neuen silbers ist auch eine wohltat. nach rio do sul und vacaria umgibt mich hier wieder eine gepflegte atmosphäre. nicht zu vergleichen mit pomerode. hier gibt es zwar eine adolfo-schneider straße und auch der name schmitt ist mir schon begegnet, aber mit bayrischer gemütlichkeit gibt es hier keine ähnlichkeit.
tiptop in schuss
das ist nur das tageslicht...
die ca. 40 tsd einwohner stadt hat nur wenig platz und breitet sich an steilen hängen aus. der stadtkern ist bestens in schuss. wollte man den grad der kriminalität daran bemessen, ob auch des nachts die schaufensterauslagen betrachtet werden können, so kann es hier keine räuber hotzenplotze geben. die bürgersteige werden in der ganzen stadt - nicht nur im wohnzimmer oder in der nähe des wohnzimmers - von bäumen gesäumt, die aussehen wie rotdorn.
ich fühle mich an die grüne straße erinnert, stelle aber schnell fest, dass die rinde hier die tarnfarben der bundeswehr trägt. ob das von der prefeitura gewünscht oder eigeninitiative der hausbewohner ausserhalb des stadtkerns ist, erschließt sich mir nicht: vor jedem haus haben die bewohner 4 gehwegplatten herausgenommen und staudengewächse eingepflanzt.
hortensien wachsen wild an den straßenrändern
vorgestern und auch gestern abend war das abendessen von burger und pizza bestimmt.
heute - mittwoch - wird das restaurant geöffnet haben. hoffentlich habe ich ihn richtig verstanden.
heute morgen treibt es mich zu den thermalbädern. es ist wieder eine schöne fahrt dort hin. enge und aspaltierte straßen führen mich durch die serra gaucho. ob es die seen in den tälern sind, die braunen und schwarzbunten kühe auf der weide, holzhäuser wie in schweden oder verwitterte gehöfte, ob es die mit kleingerät zu bewirtschafteten hügeligen felder sind und die etwas höheren berge im hintergrund, ob es der blaue himmel mit seinen schäfchenwolken ist - ich fahre mit 30 bis 40 km/h diese kaum frequentierte straße entlang und genieße. zwar kommen schon ein paar nervende lkw des weges, aber das stört mich nur am rande. idylle pur. die besitzer der weit verstreut liegenden häuser arbeiten in ihren gärten oder bemalen ihre zäune oder fassaden. ich werde nett gegrüßt. von misstrauen keine spur.
zwei jungs mit ihrer selbstgebauten seifenkiste lassen mich stoppen. ich finde bewundernde worte und so kommen wir ins gespräch. es sind ferien und ich erzähle von meiner tour und zeige ihnen die flaggen auf meinem windschild. sie kennen sich auf ihrem kontinent aus und staunen um die wette. natürlich gibt es fotos.
bei dem thermalbad werde ich gleich von zwei neugierigen mitarbeitern empfangen und auf einen schattenparkplatz eingewiesen. sie zeigen mir schon mit gewissem stolz ein hallenbad und ein freibad. ich darf mit meinen schuhen in das hallenbad gehen und soll meine hände in einen starken wasserstrahl halten. wie in den hochregionen der anden gibt es auch hier heisse quellen, die für die thermalbäder genutzt werden. das wasser hat die richtige heissduschtemperatur. es versorgt drei schwimmbecken und das freibad, das unterhalb der anlage liegt. dort tummeln sich die urlauber und tatsächlich fallen mir zwei mittelalterliche frauen auf, die in der prallen sonne liegen!!
die köpfe sorgsam aufgereiht auf der schattenseite
es gibt eine hängebrücke, die einen breiten fluss überquert und mich zu einem pfad durch den angrenzenden wald führt. endlich sehe ich schmetterlinge. fast wie ein empfangskomitee werde ich umflogen. zu beginn noch etwas schüchtern, aber als ich auf einer steinbank platz nehme und mich nicht großartig bewege benutzen sie mich als landeplatz.
als ich zurückkomme, setzt sich einer dieser schmetterlinge auf meinen handrücken und bleibt dort solange bis ich die hängebrücke überquert habe. dort kommt mir ein kleiner junge mit seinen eltern entgegen. ich will, dass der schmetterling seine position wechselt und sich von dem jungen über den fluss zurückbringen lässt. dazu ist der flieger aber zu stolz und hebt ab.
auch er lässt sich gerne fotografieren, aber
denen macht es richtig spaß, mit mir "fangen" zu spielen. sie fliegen auf mich zu, zu dritt oder zu viert, bieten beste fotoeinstellungen, aber wenn sie merken, dass ich mein smartie aktivieren will, verschwinden sie. wie viele fotos habe ich verschossen..?auf meinem spaziergang schießt zwei mal je eine recht große und gut belleibte echse aus dem gebüsch richtung fluss. echsen? oder kleine alligatoren, so wie ich sie im amazonasgebiet gesehen habe?
eine von den beiden ist auf dem rückweg und verharrt im laub. ich schleiche mich langsam heran und erkenne den langen beschuppten schwanz. ich fotografiere und hoffe, dass ich später noch mehr erkennen kann. mehr geht dann aber auch nicht, weil sie sich durch meinen fußtritt gestört fühlt.
als ich wieder beim parkplatz bin, auf einem steinbänkchen im schatten sitze und eine zigarette rauche, grüßt mich ein badegast und sagt etwas, was ich nicht verstehe. ich erkläre ihm noch, dass ich kein portugiesisch spräche. er wird neugierig, vergisst seine wartende familie am thermal-pool und fragt gleich, woher ich denn käme. seine augen bekommen ein leuchten, als ich deutschland sage. er gräbt tief und bringt einige deutsche wörter hervor, die schon viele jahrzehnte oder jahrhunderte auf dem buckel haben und in dem modernen deutsch keinen platz mehr haben.
immer wieder faszinierend, zu sehen, wie sprache lebt, aber trotzdem überlebt, auch wenn sie lange nicht gesprochen werden kann.
ich erzähle ihm von meinen schmetterlingen, und er schmunzelt sinnend vor sich hin. schmetterlinge, sagt er. immer wieder.
es ist , als ob ich in seinem kopf ein türchen geöffnet habe, das ihm seine kindheit wieder zurückbringt.
als ich wieder hier bin, knurrt mein magen, aber er muss sich noch gedulden.
ich führe ein zweistunden telefonat mit karin. beste tonqualität!!!
ich habe meinen senor richtig verstanden. sein restaurant ist geöffnet. das reichliche risotto mit schrimps ist sehr lecker und der weisswein aus der region zieht ein zweites glas nach sich.
31.01.:
die sonne gibt wieder alles! aber ich habe den garten mit viel schatten und vertiefe mich in ken folletts säulen der erde.
der nachbar von gegenüber - antonio degaspari sein name - , den ich bei meiner ankunft nach der pousada gefragt habe, mäht hier den rasen. schon gestern vormittag bat er mich, doch mal zu ihm zu kommen. er wolle sich mit mir unterhalten.
so verabreden wir uns heute für 15:00 uhr auf seiner veranda. ich verspreche ihm, meinen labtop mitzubringen, damit ich ihm meine reiseroute zeigen kann.
er ist um die mitte siebzig und hat sich hier in nova prata ein bescheidenes holzhäuschen gekauft. aber erzählt mir stolz, dass er zwei häuser in florianopolis hätte, in denen zwei seiner drei töchter wohnten.
zwei stunden verbringe ich bei ihm. seine frau will ihn immer wieder mit störenden alltagsbemerkungen in die realität zurückholen, aber er bleibt eisern, sagt si si und entschwindet wieder in den weiten des südamerikanischen kontinents..
er kredenzt mir einen frischen rotwein aus der hiesigen region. ich versuche auch von ihm die rebsorte zu erfahren und bekomme als antwort den namen isabella genannt. die italiener hätten die traube vor 200 jahren hierher gebracht.
er schmeckt würzig und wird kalt serviert. ähnlich vom geschmack wie der trollinger. dazu gibt es kekse. mein frühstück ist schon lange her und ein weiteres glas wein, muss ich leider ablehnen.
heute am spätnachmittag gab es noch ein zwei stunden telefonat mit bernhard. große ereignisse werfen ihre schatten voraus und wollen geplant werden...
vielleicht etwas phantasielos: aber heute abend habe ich mich wieder mit dem risotto verwöhnen lassen.
und endlich gibt es einen regenschauer, der für kräftige kühlung sorgt. endlich!
01.02.:
weit muss ich heute meinen tagesausflug nicht ausdehnen, um mich bald in einem kleinen italienischen bergdorf wiederzufinden.
ohne richtig zu wissen wo ich hin wil, setze ich mich auf die vepse und halte mich westlich. sobald ich von der BR 470 abzweige, bin ich so gut wie alleine auf einer perfekt geteerten straße. viele kurven, berge und täler - ein hochgenuss.
mittlerweile weiss ich auch, warum ich hier nicht weg will. hier ist es so wie in deutschland. und danach lechzen meine sinne. ich habe genug von improvisationen, kaputten oder nicht vorhandenen dachrinnen und undichten dächern, abbröckelnden fassaden, von quaderhäusern, die nur ihre fenster nach vorne raus haben, von den stolperfallen auf den bürgersteigen, von schmuck- und gartenlosen straßen der zahlreichen dörfer und kleinstädte, die ich durchfahren habe. ausnahmen gab es immer in den mamutstädten wie santiago, lima, sao paulo und eldorado.
vacaria und rio do sul - zu ihren schwestern und brüdern will ich nicht mehr. mein auge sucht harmonie, meine ohren suchen ruhe und mein geist so etwas wie frieden und ausgeglichenheit. das alles umgibt mich, wenn ich hier mit der vepse unterwegs bin, wenn ich rechts ran fahre und den motor ausmache.
hier in meinem jetzigen domizil umgeben mich buxbaumhecken und grüner rasen wie zu hause. rot- und weissdörner und endlich mal wieder einen guten trocknen und gekühlten wein mit gepflegter tischatmosphäre.
ich habe für mich die feststelllung gemacht, auf die ich sonst nie gekommen wäre, dass ich doch ganz schön mit meinem herkunftsland verwurzelt bin. diese erfahrung hat lange auf sich warten lassen.
das stichwort reisemüdigkeit ist ja schon gefallen. und damit ein paar tage später der entschluss, einen frachter zu suchen, der schon früher von montevideo ablegt. knapp drei wochen früher werde ich jetzt diesen kontinent verlassen und zur maien-zeit wieder zurück sein.
ich weiss, dass ich diesen entschluss nach drei monaten bestimmt bereuen werde, weil die erinnerung alles weichzeichnen wird, aber die augenblickliche freude überwiegt.
heute komme ich bis fagundes varela. 3 tsd seelen leben hier. mehr können es nicht sein. es ist ein bergdorf mit einer plaza, die an der höchsten stelle und im mittelpunkt angelegt ist. mit kopfsteinpflasterstraßen, einer tankstelle, einer post, ein paar läden und wohnhäusern.
mein instinkt sagt mir, dass ich hier eine kurze pause machen soll. und daraus werden bestimmt 5 stunden!! für jeden, der zu hause im arbeitsprozess steht ist das fast nicht vorstellbar. ich setze mich unter eine baumgruppe und habe alles im blick. der himmel ist bewölkt, die temperaturen mitte 20 grad, und ein wind gibt angenehme kühlung. dieses dorf erinnert mich mit seiner architektur und auch mit den gesichtern, die mir begegnen an italien. auch hier ist der südamerikanische kontinent weit weg.
zu mehr hat es heute nicht gereicht
mittags irgendwann esse ich eine teigtasche mit hackfleisch. auch hier findet nichts statt. hier stehen ein paar unbesetzte tische, die wände sind in einem knalligen grün gestrichen, an der wand hängen werbeplakate für livemusik - kein tv gerät, das nervt, keine musik, die vor sich hin jammert - und das nennt sich freitagmittag.
einmal wird diese ruhe von einem mit zwei riesenboxen ausgestatteten pickup gestört, der mit lauter musik und grölenden werbespots einmal um den platz fährt.
nach meinem kurzimbiss setze ich mich wieder unter meine baumgruppe auf der plaza, befinde mich wieder mit ken follett im mittelalter bei den korrupten bischöfen und königen und habe auch nicht im entferntesten ein schlechtes gewissen. das stellt sich wieder von selbst ein. da bin ich mir sicher.
auf der fahrt zurück bricht meine halterung für das smartphone ab. es ist der kopfsteinpflasterholperei nicht mehr gewachsen.
mein hostelsenor, der einen yamaharoller fährt hat sekundenkleber und seinen motorradladen, der mir vielleicht bis mittwoch ersatz besorgen kann.
ein entspannter tag - mehr nicht.
02.02.:
ich sollte doch mehr machen! mehr sehen, mehr menschen treffen, mich nützlich machen...
selbst in der ferne meines zuhauses lassen sich diese stimmen nicht zum schweigen bringen und versuchen, macht zu übernehmen: über mein tagesgefühl, über meine stimmung, in gewisser weise auch über mein pflichtgefühl...
da gibt es zwei seiten, die gegeneinander in stellung gehen. ich beobachte beide und sehe mich einfach als neutralen beobachter. das funktioniert.
es mag an der hitze liegen. eine willkommende ausrede? alles ist relativ, sagt da die andere seite.
ich mische mich nicht ein.
die sonne hat ihren zenit schon lange verlassen. ich öffne meine bis zur erde gehenden fensterläden und gehe nach draussen über den frisch gemähten rasen. luna, so heisst der hysterisch bellende und weinende hund, holt luft, wird aber rechtzeitig von seinem herrchen in die schranken gewiesen.
wir verstehen uns. wenn sie - luna ist ihr name - wieder das heulen anfängt, dann hilft augenkontakt und ein energisches wort. und trotzdem freut sie sich, wenn sie mich länger nicht gesehen hat. "braaaver hund" versteht sie.
mit der frischen, neu aufgetankten und sauerstoffreichen luft kommt die energie zurück. das gehirn fängt wieder an zu arbeiten. da war doch was mit der halterung deines smartphones! unterschätze das nicht! du brauchst sie. spätestens in montevideo, wenn du auf der suche nach der richtigen zufahrt zum hafen bist.
der besuch heute morgen in der yamaha vertretung bietet eine notlösung an. noch lasse ich von ihr ab und sehe nur noch eine chance in porto alegre, einer großen stadt, die genügend motorradläden mit zubehör hat - da will ich aber nicht hin.
das war heute morgen.
am nachmittag aber kommen neue ideen. ich kann mich doch selbst im netz umschauen und mir das erforderliche teil hier in meine pousada schicken lassen. erst, als ich den portugiesischen begriff für meinen suchbegriff eingebe, öffnen sich die brasilianischen anbieter. nach etwas suchen finde ich eine halterung, die am bolzen des rückspiegels befestigt werden kann. lieferzeit bis nächste woche freitag... der express-service kostet mehr, als das produkt.
mit abnehmender temperatur und sonneneinstrahlung gewinnen die gehirnzellen an fahrt. fahrradzubehör!!! aber da sind die läden schon geschlossen.
am montag habe ich zwei optionen: fahrradläden abfahren - davon gibt es hier zwei - oder im internet bestellen und meinen aufenthalt hier verlängern bis freitag.
diese option ist mir (fast) lieber...
03.02.:
temperatursturz! 18 grad sind es heute morgen. lange hosen und langärmliges t-shirt. die wolken hängen tief, und es wird nicht richtig hell. die ganze nacht hat es geregnet.
die gelegenheit, überschüssige kräfte los zu werden. es gibt in nova prata und umgebung viele museen. für heute will ich mir das hier in der stadt vornehmen, stelle aber nach ankunft dort fest, dass es heute - am sonntag! - geschlossen hat. morgen ab 12:00 uhr. so entscheide ich mich für das italienische einwanderungsmuseum, das knapp 4 km vom zentrum entfernt liegt.
die bewegung tut gut. die stadt ist sonntäglich leer, der himmel nach wie vor bedeckt. anderthalb kilometer vorher rät mir die vernunft, kehrt zu machen. ich will schließlich genügend zeit für das museum selbst haben und nicht im dunkeln nach hause laufen.
ohne worte
wenn ich morgen die halterung für das smartphone habe oder bestellt habe, werde ich die vepse nehmen. die wetteraussichten sagen zögerliche erwärmung voraus.
04. & 05.02.
die halterung für mein smartphone "zwingt" mich, meinen aufenthalt bis montag in meiner pousada noch zu verlängern. die yamaha-vertretung kann den technischen ansprüchen der vepse nicht gerecht werden.
die bestellung über das web klappt und die lieferung wird für die nächsten tage zugesagt.
die tourenplanung wird mich weiter südlich über porto alegre führen und mich dann nordwestlich in rivera die uruguayische grenze überschreiten lassen. dann kann ich wieder mit einem dreimonatsvisum brasilien bereisen.
für uruguay und montevideo plane ich 14 tage ein. die übrige zeit werde ich in den höhen südbrasiliens verbringen und vielleicht noch einen sprung auf die argentinische seite wagen.
06. & 7.02.
projekt smartphonehalterung abgeschlossen. der internetversender hat pünktlich geliefert, doch es stellt sich schnell heraus, dass wohl nicht zueinanderpassende teile eingepackt wurden. hier bewahrheitet sich mal wieder die weisheit: billig können wir uns nicht leisten. ich bringe das päckchen sofort zurück zur post und muss das rücksendeporto selbst übernehmen. jetzt bin ich gespannt, ob paypall die rücküberweisung gelingt...
danach setze ich mich noch auf die plaza mit einem angeschlossenen kinderspielplatz, vielen kindern und auch vätern, die ihren kids zeigen, wie die rutschbahn funktioniert. der platz ist von einem riesigen baum überschattet, dessen stämme bewachsen sind und aussehen, wie ein grüner pelz.
es ist kein efeu und auch kein fremdes gewächs, das sich hochrankt. es kommt aus der rinde.
obwohl hier noch verhältnismäßig viele käfer fahren, fallen sie mir immer wieder auf. gerne würde ich mal wieder damit fahren oder wenigstens mitfahren.
auf einem nicht weit von mir entfernten parkplatz sehe ich einen blitzblank polierten, schilfgrünen käfer. ein älterer mann mit batschkapp und schilfgrünem hemd sitzt am steuer und macht auch noch nach einer halben stunde keine anstalten, weg zu fahren. ob er auf jemanden wartet? ich sehe nur sein profil und denke wer nicht wagt, der nicht gewinnt. ich klopfe an seine fahrerscheibe. er schaut mich misstrauisch an, öffnet dann aber seine tür. er hat sein transistorradio auf seinem schoß, hört musik und verbringt hier seinen nachmittag. gute karten, denke ich. ich bringe abwechslung in seinen nachmittag. und erzähle ihm, dass ich aus deutschland käme und selbst früher einen käfer gefahren hätte. es sei ein großer wunsch von mir, einfach mal wieder in einem käfer zu sitzen und zu fahren. er lacht. aber schnell stelle ich fest, dass es ein verlegenheitslachen ist. und dann schüttelt er mit dem kopf... schade.
das geräusch beim zuschlagen der käfertür lässt in meinem kopf ganze filme von meinen käferzeiten abspulen...
alexandre, mein hostelsenor, empfiehlt mir nachdrücklich die 60 km entfernt liegende größere stadt bento goncalves.
mein plan für heute:
ich freue mich auf die tour. kein wölkchen am himmel und angenehme 25 grad. fast zu kühl auf der vepse ohne anorak. ich begleite den rio das antas - fluß von den tapiren - und frage mich, ob hier wirklich tapire leben. eine mischung aus schwein und ameisenbär.
in bento goncalves setze ich mit gemischten gefühlen das smartphon in die displayhalterung ein, um mir den weg zum nächsten motorradhändler zeigen zu lassen. wenn jetzt die halterung bricht, müssen alle schutzengel bereitstehen, damit es nicht vom nachfolgenden verkehr zermalmt wird. aber auf den sekundenkleber ist verlass. es entwickelt sich plan b: sollte es keine passende halterung geben, werde ich mir eine werkstatt suchen, die die halterung einfach anschraubt. das müsste die letzten 1.000 oder 2.000 km halten.
ich halte bei der hondavertretung und erwarte, jeden augenblick henrico zu sehen. die werkstätten aller hondavertretungen sehen gleich aus - ob pto maldonado oder hier. die monteure in weissen (!!) overalls, die werkstatt picobello und für jeden arbeitsplatz hängen die werkzeuge säuberlich an der wand.
der werkstattchef beobachtet mich schon durch das schaufenster und ist neugierig. obwohl die mittagspause noch nicht vorbei ist, kommt er auf mich zu, und ich erkläre ihm mein problem. die halterung, die er mir zeigt, entspricht in etwa dem modell des versenders und kommt für mich nicht infrage. so tritt plan b in kraft. ein geselle wird gebeten, die beiden löcher zu bohren und die halterung mit zwei gewindeschrauben zu befestigen. der plan geht auf. das smartphone hat wieder zuverlässigen halt.
auf der rückfahrt genieße ich die serra gaucho mit dem weintal. der rio das antes schlängelt sich tief unter mir durch das tal.
gegen nachmittag bin ich wieder in nova prata, treffe wieder den käferfahrer, der mich übersieht, esse eine teigtasche mit huhn und beobachte das treiben.
die fahrradfahrenden jungs sind wieder da. wir haben uns schon die tage vorher gesehen. sie sitzen ein paar meter von mir entfernt auf einer der treppenstufen. plötzlich bemerke ich ein kleines geschoss an meinem knöchel. ich schaue in ihre richtung - sie tun unschuldig, können sich aber das lachen nicht verkneifen.
08.02.:
eigentlich steht für heute die museumstour auf dem programm. aber mit einer whatsapp-nachricht von rolf ändert sich das programm grundlegend.
er hat meinen blog gelesen und schreibt, dass das aus- und einreisen in brasilien nur dann funktioniert, wenn 3 monate dazwischen liegen. ich hoffe noch darauf, dass das auswärtige amt und andere blogs etwas anderes sagen, aber es ist so. diese regelung gibt es noch nicht so lange.
was wäre gewesen, wenn ich schon wieder im märz 2018 zurück nach lima geflogen wäre, um meine tour fortzusetzen?
ich wäre bis zur grenze gekommen und hätte nicht nach brasilien einreisen können, denn ich bin ja erst im januar2018 ein- und wieder ausgereist, um mein visum für peru zu verlängern...
wäre ich dann wieder zurück nach puerto maldonado gefahren und hätte den dortigen zoll zur völligen verzweiflung gebracht? aber so war das timing perfekt.
so stand der heutige tag mehr oder weniger der erneuten tourenplanung zur verfügung.
alex, der vespafahrer aus köln, der auch von montevideo per schiff nach deutschland gefahren ist, hat mir noch eine lange whatsapp mit tips geschickt. uruguay wird es nicht sein. flaches land, europäische preise für sprit und gastronomie - straßen wohl eher abenteuerlich. aber das sind informationen von motorradfahrern, die - wie ich aus erfahrung weiss - auch recht widersprüchlich sein können.
egal. ich fahre montag weiter nach porto alegre und dann stramm gen westen nach uruguayana, um dort nach argentinien einzureisen. ich werde an der ostgrenze des landes weiter südlich nach buenos aires fahren und von dort mit der fähre den rio de la plata nach montevideo überqueren. eine woche plane ich jetzt für montevideo ein.
das mittagessen in der cantinha war reichlich und eigentlich kein platz mehr für ein abendbrot. aber dann kommt mein hostelsenor mit einem großen lachs des weges... mir lief das wasser im mund zusammen und so gab es heute abend lachs und dazu den leckeren weiswein. um eine ruhige nacht zu haben, habe ich auf den reis verzichtet...
09. & 10.02.
knapp 14 tage in nova prata haben gut getan. einige tage waren gut auszuhalten, wenn es bewölkt war und der regen kühlung gebracht hatte. aber dann war sie mit unverminderter kraft wieder da.
der schuppen von alexandre, meinem hostelsenor ist eine wahre schatzkammer für jeden oldtimer-fan.
jetzt ist die neugierde wieder da und auch eine gewisse vorfreude auf argentinien. da habe ich dann wieder das unverfälschte südamerika.
die brasilianische kiefer
diese bäume überranken stellenweise die BR 470 über mehrere kilometer von beiden straßenseiten.
bald muss sich luna wegdrucken, wenn die ersten apfelsinen fallen
dank eines gut recherchierten blogs kann ich in erfahrung bringen, dass das mit dem geld dort so eine sache ist. das einfachste wäre, genügend dollars ins land zu bringen und diese nach und nach in argentinische pesos einzuwechseln. die geldautomaten spucken angeblich nur 2.000 pesos täglich aus, das einem wert von 47 euro entspricht.
nach dem ausgiebigen regen heute, ist er auf dem weg in mein zimmer. der totenkopf ähnliche kopf wirkt schon respekteinflößend
creditkarten haben nicht die akzeptanz wie in den anderen ländern hier, die ich befahren habe.
was bleibt? das erforderliche geld über die western union bank oder über andere anbieter zur entsprechenden filiale überweisen zu lassen. da gibt es keine begrenzung. und puerto maldonado ist nicht überall...
morgen geht es also nach porto alegre - dem fröhlichen hafen. mein hostel liegt nicht weit vom wasser. ich habe mich in einem vorort eingemietet.