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Resignation

Objavljeno: 03.10.2018

Akzeptiere es

‚Es ist nicht Resignation, doch nichts lässt dich so viel Energie verlieren, wie die Diskussionen und der Kampf gegen eine Situation, die du nicht ändern kannst.‘


Mittwoch, 03.10.2018

In Tansania natürlich kein Feiertag. Ich bezweifele, dass die Menschen hier wissen, dass es in Deutschland überhaupt mal eine Mauer gab. Generell frage ich mich, was sie über Geschichte lernen in den Schulen. Wir werden als Deutsche hier auch immer sehr positiv empfangen, obwohl Tansania schließlich mal eine deutsche Kolonie war. Ob die Kinder das wissen, keine Ahnung.

Bildung ist und bleibt hier für mich der Ansatz, an dem gearbeitet werden muss.


Es ist 9.30 Uhr und eine Frau kommt in das Hospital mit Wehen und reichlich Fruchtwasser, welches ihr die Beine runter lief.

Johanna und ich brachten sie direkt in den Kreißsaal, sie erwartete ihr 6. Kind.

Das übliche Aufnahmeprozedere folgte. Bauch abtasten, um zu spüren, wie das Kind liegt. Alles unauffällig.

Danach Herztöne hören mit dem Pinard Rohr. Johanna hatte Schwierigkeiten sie zu finden, ich probierte mein Glück. Wir hörten sie nur sehr leise und sehr schwach.

Irgendwas stimmte nicht.

Ich untersuchte sie, um einzuschätzen in welcher Phase der Geburt sie sich befand und spürte etwas vor dem Kopf, was dort nicht sein sollte: die Nabelschnur!

Nicht schon wieder, dachte ich mir!

Nabelschnurvorfall

Es ist eine dramatische Komplikation, die ich nun hier schon das zweite Mal erleben musste.

Und erneut viel zu langsam gehandelt wurde.

Der Muttermund war noch zu gering geöffnet für eine rasche Spontangeburt.

Also informierte ich nachdem ich die Frau in die Knie- Ellenbogen- Lage gebracht habe die Schwester und den Arzt.

Der Arzt untersuchte und wir waren uns einig, dass ein Kaiserschnitt notwendig ist. In Deutschland: Notsectio und das Kind wäre nach 10-15Minuten entwickelt.

In Tansania startete das übliche (sinnlose) Prozedere mit Blutentnahme & Co. Johanna rannte ins Labor, ich bereitete die Frau vor. Es ist so traurig, bei der 6. Geburt der Frau den Bauch aufschneiden zu müssen, doch leider gab es keine andere Möglichkeit in diesem Moment, um das Kind noch zu retten.

Laut Standard und meinem Wissen ist es wichtig, den Kopf zurück zu halten und führte dies durch. Der Arzt schrie mich an, ich solle dies unterlassen, da ich damit die Nabelschnur komprimiere. Und ich Schuld sein werde, wenn das Kind verstirbt.

Ich wurde wirklich wütend. Als ob ich so wenig Wissen hätte, dass ich statt den Kopf, die Nabelschnur noch abdrücken würde. Er verbot mir trotzdem dies weiterhin zutun. Sinnlos!

In diesem Moment war es wieder dieser typische Blick: ‚Du weiße Frau hast mir gar nichts zu sagen.‘

Johanna kam mit den Blutergebnissen und ich dachte wir können endlich starten. Ich versuchte nochmals Herztöne zu hören, es war in der Position nicht möglich. Also entschied ich mich dazu, nach der Pulsation der Nabelschnur zu fühlen. Sie war so schwach, ich drängte darauf jetzt endlich zu handeln.

Der Arzt stand seelenruhig da und meinte, wir müssen weitere 10 Minuten warten, da der Anästhesist nicht im Haus ist. Ich war am durchdrehen.

Als wir dann endlich in den OP kamen wurde die Situation noch schlimmer.

Die Frau verbrachte bereits 35Minuten in der Position um ihrem Kind zu helfen und nun im OP erhofften wir uns eine schnelle Vollnarkose und Kindsentwicklung.

Nicht so in Tansania natürlich!

Der Arzt wollte eine Spinalanästhesie. Das bedeutete, die Frau musste sich 20Minuten normal hinsetzen. Dass in diesen Minuten die Kompression der Nabelschnur am Größten ist, scheint für jeden logisch. Nicht so für den Arzt. Ich diskutierte lautstark, ich war so wütend auf diese Situation.

Gestern führten wir zwei Kaiserschnitte in Vollnarkose durch, wo wir alle Zeit der Welt gehabt hätten und jetzt im akuten Notfall verschenken wir Zeit.

Wie gern hätte ich wieder die Nummer der Kinderärzte gewählt. Doch ich bereitete mir das Wärmebett vor mit allen Hilfsmitteln, die wir hier besitzen und zog schon Medikamente auf für das vermutlich sehr schlaffe Kind.

10.35 Uhr wurde ein Junge entwickelt per Kaiserschnitt. Unsere Erwartungen wurden bestätigt. Ihm ging es nicht gut, er benötigte sehr viel Hilfe. Wir taten unser bestes, doch auch nach 1h war er noch blau und wir entschieden, dass Kind in eine Klinik mit Neonatologie- Station zu verlegen.

Wie es ihm jetzt geht?

Ich weiß es nicht.

Ich stand kopfschüttelnd da. Das Kind hätte einen deutlich einfacheren Start haben können, wenn man einfach mal schneller gehandelt hätte. Und dass sie das hier nicht verstehen, lässt mich an den Punkt kommen zu resignieren. Ich kann es einfach nicht ändern. Ob es daran liegt, dass ich zu jung wirke, eine Frau oder Weiße bin. Ich weiß es nicht.

Johanna und ich konnten uns danach jedoch in die Arme schließen und wussten, wir haben alles uns mögliche getan. Mehr ging leider nicht.

Am Dienstende hat eine Frau noch ihr zweites Kind ganz wunderbar entbinden bei uns. Es waren nur wir zwei anwesend und die Frau machte alles instinktiv so richtig und schön.

Man spürte ihre Angst. Das erste Kind war unter der Geburt verstorben.

Aber diesmal wurde sie mit einem sofort schreienden, hübschen Jungen belohnt und war glücklich und dankbar.

Das gab uns viel Kraft.

Doch diese Notfälle und deren Ablauf des Handels führen wirklich dazu, dass man keinen Spaß mehr hier auf die Arbeit hat und ich die Tage zähle..

Wir haben zu Hause mit unserem Gastvater lange geredet darüber und er möchte Freitag mit dem großen Chef der Kliniken in Iringa einen Termin vereinbaren, wo wir unsere Bedenken schildern können. Ich werde euch berichten, ob es zu diesem Termin kommt und ob er ein offenes Ohr für uns hat und gesunden Menschenverstand, um zu verstehen, dass hier einiges falsch läuft, was man jedoch einfach ändern könnte!

Wir erwarten keinen neu gebauten Kreißsaal, nicht viel mehr Technik oder finanzielle Ausgaben für Materialien. Es ist einzig und allein die Einstellung, Denkweise und Motivation der hier arbeitenden Menschen, was man verbessern müsste. 

Odgovori