Byatangajwe: 18.11.2019
26. und 27.10.2019 – 3 Affen, Tempel, Wasserfälle, Berge, See, Hochmoor und endlich Herbst!
Ein weiteres, vor allem im Herbst äußerst beliebtes Reiseziel der Tokyoer ist die etwa 100km nördlich von Tokyo gelegene Stadt Nikko. Natürlich durfte sie da auch auf meiner Reiseliste nicht fehlen ZWINKER Nikko ist ein bei den Japanern und schon bei den ersten europäischen Diplomaten beliebtes Ferienresort mit den obligatorischen Onsen, vielen Wasserfällen, und prächtigen Tempelanlagen wie dem Toshogu Schrein, der für die 3 Affen 🙈🙉🙊 bekannt ist.
Die Anreise
Los ging es Samstagvormittag, zunächst nach Asakusa, um dort den Bus-Pass zu holen, der die Hin- und Rückfahrt sowie alle Busse in Nikko abdeckt – mal wieder nach einer nahezu schlaflosen Nacht. Keine Ahnung, warum ich vor Ausflügen so schlecht schlafe, das war schon bei Mt. Takao, Hakone und Kyoto so… sooo aufgeregt bin ich doch gar nicht 🤔
Jedenfalls tummelten sich schon am Bahnhof zahlreiche Touris, alle mit demselben Ziel. Die meisten nahmen dann allerdings den teureren Schnellzug, der vom Bus-Pass natürlich nicht abgedeckt wird. Ich Sparfuchs bin also stattdessen mit dem günstigeren, im Bus-Pass inbegriffenen Lokalzug gefahren. Entsprechend lange war dann allerdings mit 3 Stunden (plus die 45 Minuten um nach Asakusa zu kommen) auch meine Anfahrt…
Endlich in Nikko angekommen und ziemlich müde holte ich mir als erstes an einem der Souvenir-Delikatessen-Läden einen kleinen Snack. Oh. Mein. Gott. Das war mit Abstand der leckerste Snack bisher! Eigentlich stehe ich dem hier so beliebten süßlichen Rote-Bohnen-Mus, das in allen möglichen japanischen Süßspeisen Verwendung findet, eher abgeneigt gegenüber. Tempura, also in einem leichten Teig frittierte Speisen, mag ich dafür umso mehr. Die Kombi nun, mit etwas grobkörnigen Salz bestreut, ist auf jeden Fall göttlich! Leicht warm, süßlich, leicht salzig, innen cremig und außen knusprig… hach
Nach bewährten Muster bin ich nach der kleinen Stärkung erstmal zu meinem Hostel, das zum Glück keine 5 Minuten vom Bahnhof entfernt, war. Von außen machte es einen.. nunja, beengten, ‚dünnwandigen‘ Eindruck.. aber dafür war die Frau hinter dem kleinen Empfangstisch super nett und hat mir noch den Tipp gegeben, das Odashirogahara statt dem bekannteren Senjogahara Moor anzuschauen – wegen dem vielen Regen die letzten Wochen stünde dort das Wasser, was wohl ziemlich selten vorkommt.
Ein Wanderausflug – oder: Pläne sind zum Scheitern gemacht
Das im Hinterkopf, aber mit meinem eigentlichen Plan (Seilbahn mit Blick auf den Chuzenji See und Kegon Wasserfall – Kegon Wasserfall - Wanderung durch das Senjogahara Moor zum Yunoko See – abschließend Onsenbesuch im Örtchen Yumoto Onsen) machte ich mich zum überlaufenen Busbahnhof. Tja, und da zeigte sich, dass wenig Schlaf echt nicht gut ist und im übermüdeten Zustand Entscheidungen zu treffen suboptimal funktioniert: erst in den falschen Bus, einige Stationen später ausgestiegen und auf den nächsten Bus in die richtige Richtung gewartet, der war dann voll, in den übernächsten Bus hineingequetscht, endlose Serpentinen den Berg hinauf gefahren, dann trotzt knapper Zeit (bereits Mittag, die Wanderung war mit etwa 3 Stunden ausgeschrieben und gegen 17:00Uhr wird es dunkel…) strikt an den ursprünglichen Plan gehalten und bei der Seilbahn ausgestiegen, dort vor der langen Schlange resigniert, wieder zur Bushaltestelle, dort eine halbe Stunde gewartet, in den nächsten überfüllten Bus gequetscht und den Kegon Wasserfall wegen akutem Zeitmangel auf den nächsten Tag verschoben. Zusätzlich hatte sich bis dahin auch die Sonne hinter einem Wolkenschleier versteckt. Läuft ja prima.
na, wer findet die Affen, die sich hier rumgetrieben haben?
Schließlich bin ich dann wie geplant am Ryozan Wasserfall ausgestiegen. Laut Karte soll der Weg, der im Moor dann über Holzstege zum nächsten Wasserfall führt, etwa 2.5 Stunden dauern. Mittlerweile war es 14Uhr und mit dem Sonnenuntergang gegen 17Uhr würde das gerade noch passen... Also machte ich mich los, erst entlang des Wasserfalls und dann vorbei an Schildern, die vor Bären warnen, in den lichten Wald. Der Pfad war einfach und mir begegneten zwar einige Wanderer, aber es war bei weitem nicht so überlaufen wie die Busse und am Ryozan Wasserfall.
Als es dann allerdings auf die Holzstege gehen sollte: Weg gesperrt. Na toll 😑
Naja, im Umdisponieren bin ich ja mittlerweile geübt. Stattdessen hab ich mir eine Route um das empfohlene Odashirogahara Moor herum und dann zur Bushaltestelle herausgesucht. Und was soll ich sagen? Im Endeffekt war dieser alternative Weg richtig gut! Mit der Sonne hinter den Wolken und den gelblich verfärbten Gräsern und schon ziemlich kahlen Lärchen wirkte alles wie mit einem mystischen Sepia-Filter überlegt. Das Ganze hat sich dann noch in den angekündigten Wasserflächen gespiegelt… und dazu dieser frische Duft nach Herbst – herrlich! Im südlicheren Tokyo konnte man ja gerade mal von einem Hauch Herbst-ahnung sprechen und auch im tiefer gelegenen Nikko selbst war von dem bunten, auf Fotos angepriesenem Herbstlaub noch nicht viel zu sehen. Im Gegensatz dazu war hier oben schon ein Großteil der Blätter (und Nadeln) abgefallen (danke Taifun und vieler Regen).
Gerade zur Dämmerung kam ich schließlich an der Bushaltestelle an und hatte richtig Glück: es kam direkt ein Bus Richtung Yumoto Onsen 😁
Entspannung im Schwefelbad
Yumoto Onsen stellte sich dann als winziges Örtchen am Ende der Buslinie heraus, das nur aus einem Besucherzentrum und einigen in die Jahre gekommenen Hotels besteht. Glücklicherweise hatte ich online auf einem Blog eine genaue Beschreibung, in welchen Onsen die nach ihrer Wanderung gegangen sind - ansonsten hätte ich wohl weder den Eingang gefunden, noch wäre ich in das Hotel gegangen um dort dem Personal irgendwie mitzuteilen, dass ich gerne den Onsen benutzen möchte… es war einfach NICHTS los. Wie auch das Hotel war der Onsen schon ziemlich in die Jahre gekommen und absolut nicht mit den Luxus-Spas am Takao und in Hakone zu vergleichen. Vielleicht ganz gut, dass das hier nicht mein erster Onsenbesuch war, der hätte mich sonst wohl von weiteren Besuchen abgeschreckt… und dann hätte ich echt was verpasst. Zwar gab es auch hier mehrere Waschstellen mit Duschbad, Shampoo und Conditioner, ein (viel zu heißes) Becken direkt daneben und ein kleineres Becken im Außenbereich, aber zum stundenlangen Entspannen hat das nicht unbedingt eingeladen. Wozu auch der… nunja, recht intensive Schwefelgeruch des Außenbeckens beigetragen hat 😅 Der hat mich aber nicht abgehalten und ich bin tatsächlich in die weiße, heiße, stinkende Brühe gestiegen. 😎 Das Becken selbst war auch mit weiß-gelblichen Ablagerungen überzogen und ziemlich klitschig. Trotz allem hat das warme Bad nach einem Tag unterwegs und bei den mittlerweile doch kühleren Temperaturen richtig gut getan 💆♀️ Und so ein Schwefelbad hat doch auch eine heilende Wirkung, oder? …allerdings nicht unbedingt für mein Armband, das ich irgendwie gewohnheitsmäßig dran gelassen hab. Ich konnte förmlich zu sehen, wie der Verschluss und goldenen Perlen des erst in Yokohama gekauften Armbands (Hawaii-Laden, ihr erinnert euch?) immer dunkler und schließlich nahezu schwarz wurden - womit sie sich an das schwarze Leder des eigentlichen Armbands angeglichen haben.
Also, merke: bevor man in heiße Thermalbäder steigt, am besten allen Schmuck abnehmen. Insbesondere, wenn diese schweflig duften. Es sei denn natürlich, man mag metallisch glänzende Sachen nicht, sondern bevorzugt abgemattetes, dunkles Metall (was ich jetzt auch nicht so schlimm finde 😉)
Frisch gesäubert und entspannt ging es für mich dann mit dem Bus zurück nach Nikko. Da ich diesmal an der wie ausgestorbenen Endhaltestelle eingestiegen bin, hatte ich wenigstens auch einen bequemen Sitzplatz während der einstündigen Fahrt.
In Nikko angekommen gab es erstmal Abendessen: Ramen mit Yobu. Yuba ist die kulinarische Spezialität Nikko’s an der man kaum vorbei kommt (selbst wenn man will). Dabei handelt es sich um Tofu Haut, die an der Oberfläche entsteht, wenn Sojamilch gekocht wird. Naja, sagen wir so: ich bin schon kein Fan von der Haut auf warmer Milch, warmen Kakao oder Pudding und ich glaube zum Tofu-Fan (vor allem in so weicher Form) werde ich nicht mehr. Da bleibe ich lieber bei dem Tempura vom Vormittag 😋
Das Hostel stellte sich dann als ziemlich klein, einfach, aber sehr sauber heraus. Ich bekam ein oberes Bett in einem Zimmer mit 2 Doppelstockbetten zugewiesen, das ich mir mit 3 anderen Mädels teilte. Für etwas Privatsphäre konnte man vor jedem Bett einen Vorhang zu ziehen und ans oben schlafen bin ich ja mittlerweile auch gewöhnt 😉
Um noch etwas am Handy zu lesen, hab ich mich noch etwas in den Eingangs-/Lounge Bereich gesetzt. Sehr viel gelesen hab ich dann allerdings nicht, da ich recht schnell mit ein paar der anderen Reisenden, der Betreiberin und 2 Leuten aus dem Ort ins Gespräch gekommen bin. Vor allem die Betreiberin war super nett und ihre Kumpels aus dem Ort waren trotz gebrochenem Englisch alle total aufgeschlossen und man hat sich richtig willkommen und eingebunden gefühlt. Ja, und es wurde dann noch ein richtig lustiger Abend mit Grüntee und Brettspielen und vielen Vergleichen zwischen Japan, Vietnam, Malaysia und Deutschland 😄
Sonntag – Pläne können auch mal zu 110% funktionieren
Die Wettervorhersage meldete für Sonntag zunächst Sonne und dann gegen Nachmittag Regenschauer. Daher wollte ich am Vormittag das schöne Wetter noch nutzen und die ‚unerledigten‘ Punkte von Samstag abhaken und eine kleine Wanderung entlang des Chuzenji Sees machen.
Gleich um 8Uhr in der Früh bin ich also noch vor den aus Tokyo anrollenden Massen mit dem Bus wieder die Serpentinen hoch um diesmal eine der ersten Seilbahnfahrten zu erwischen. Das ging schonmal richtig gut auf und ich kam nahezu ohne Warten auf den Berg – mit super Aussicht. Allerdings gab es dort oben abgesehen von einer kleinen Aussichtsplattform nichts und das ewige Anstehen am Samstag hätte sich absolut nicht gelohnt, um dann eingequetscht zwischen anderen Touris 5 Fotos zu machen.
Nach den 5 Fotos ging es dann auch direkt weiter zu den Kegon Wasserfällen. Ihr Ranking zu den 3 schönsten Wasserfällen Japans haben die absolut verdient! Über knapp 100 m stürzen sich die Wassermassen über glänzende Gesteinsschichten ins Tal. Das Ganze kann man sich kostenlos von oben anschauen, oder (bzw. und) man fährt für ein paar Yen mit dem Fahrstuhl 100m quer durchs Gestein nach unten, wo sich die Wassermassen und die steilabfallende Schlucht in ihrer vollen Pracht zeigen.
Nach dem Wasserfall ging es für mich etwas am See entlang. Der morgendliche Duft nach Herbst, bunte Blätter, Fischer, die sich in kleinen Booten auf dem See tummelten, und mittlerweile kam auch die Sonne immer mehr raus… Urlaubsfeeling pur 😊
Ich kann echt verstehen, warum die ersten westlichen Diplomaten Ende des 19. Jahrhunderts ihre Sommer gerne in Nikko verbrachten - noch heute gibt es am Südufer Botschaftsgebäude, und das Anwesen der italienischen und britischen kann man auch besichtigen.
Spontan entschied ich mich für ein verfrühtes Mittag mit Blick auf den See und fuhr dann schließlich ein paar Stationen mit dem Schiff (auch im Bus-Pass inbegriffen 😉) auf die andere Seite des Sees. Bei herrlichstem Herbstwetter ging es von dort auf schmalen Pfaden entlang des Ufers und vorbei an den Überresten alter Villen und eines Clubhauses zurück zum Ort.
Zurück im Ort sah man dann schon die dicken Wolken über den Hang schwappen und gerade als ich im Bus saß, fing es auch an zu regnen und es kam ein ordentlicher Guss runter. Das nenn ich mal Timing 😎
Nikko’s Tempel und Schreine
Als der Bus schließlich im Tal ankam und ich ausstieg, war der Regen auch schon wieder vorbei und es blieben nur einige Regenbögen und Dunst, der von den bewaldeten Berghängen aufstieg. Und das nenn ich mal super Timing 😎😎
Dass alles nass war, sorgte zusammen mit dem Dunst und der tiefstehenden Sonne, die zwischen den Wolken hindurchlugte, für eine richtig schön mystische Stimmung zwischen den hohen Zedern und den Gebäuden des Tosho-gu Schreins. Der im 16. Jahrhundert gebaute Schrein ist Japans am aufwendigsten dekorierter und die ganzen Gebäude und Tore haben unzählige aufwendige Schnitzereien, die bunt bemalt und mit in der Sonne leuchtendem Gold überzogen sind. Die Anlage ist Tokugawa Ieyasu, einem Sho-gun (was in etwa so viel wie ein Samurai-Herzog ist), gewidmet und beherbergt auch dessen Mausoleum.
und überall goldene Verzierungen
Irgendwo hab ich dann gelesen, dass es früher wohl üblich war, Elemente des Buddhismus und Shintoismus fröhlich miteinander zu vermischen. (Ich hab auch sonst das Gefühl die Japaner sind super darin, sich das Beste herauszupicken und in ihre Lebensweise zu integrieren - seien es Elemente des Buddhismus, die in die ursprünglich shintoistische Weltanschauung übernommen werden oder fortgeschrittene Technologie, die mit Traditionsbewusstsein kombiniert werden). Jedenfalls wurden Buddhismus und Shintoismus wohl erst infolge der Meiji Restauration, also Mitte des 19. Jahrhunderts, voneinander getrennt. Nikko wurde dabei wohl ‚vergessen‘, sodass die Tempel- und Schreinanlagen hier noch Elemente beider Religionen zeigen.
Nach einem letzten Stopp an der Shinkyo Brücke, der heiligen Brücke, die den Eingang zu den Schrein- und Tempelanlagen markiert, ging es in der Dämmerung zurück zum Bahnhof und nach Tokyo.