Diterbitkan: 15.11.2019
Am Montag, den 11.11., war endlich unser erster Arbeitstag in Paraguay gekommen. Wir schälten uns also voller Erwartung und auch ein bisschen ängstlich besorgt um 5.15 aus den Betten und machten uns auf zum Bus. Dieser fuhr uns dann kurz bevor wir zu unserer Haltestellen-Ecke kamen dann natürlich prompt vor der Nase weg, weshalb wir an unserem ersten Tag direkt eine halbe Stunde zu spät kamen. Aber glücklicherweise sind wir hier in Paraguay, wo auf untypische deutsche Unpünktlichkeit nur mit „no pasa nada“ („kein Problem“) kommentiert wird. Für mich ging es auf die Intensivstation, was mich sehr freute, denn ich konnte während meiner Ausbildung in Deutschland leider wenige Erfahrungen in der Intensivmedizin sammeln. Ich stellte mich also dem sehr netten Team vor und wurde über Station geführt. Es gibt einen hinteren Teil, wo Patienten mit Infektionen liegen, und einen vorderen, wo sich hauptsächlich die Betten der Patienten befinden, die am Herzen operiert wurden. Die Aufteilung der Station ist der deutscher Intensivstationen sehr ähnlich, auch die stündliche Überwachung der lebenswichtigen Körperfunktionen, wie Blutdruck und Temperatur, gleicht im Großen und Ganzen der Arbeitsweise in Deutschland. Jedoch konnte ich während meiner ersten Woche auf einer kardiologischen Intensivstation in Paraguay bereits viele Unterschiede feststellen. In allen medizinischen Berufen ist es beispielsweise wichtig, sich häufig und ausführlich die Hände zu desinfizieren. In Deutschland geschieht das in aller Regel mit Händedesinfektionsmittel, das in die Haut eingerieben wird und einzieht. Auch in Paraguay ist eine gründliche Händehygiene sehr von Bedeutung, nur werden die Hände vor dem Patientenkontakt mit Jod am Waschbecken gewaschen und in der Theorie danach abgetrocknet. Da dem paraguayischen Gesundheitsministerium, das die Krankenhäuser finanziert, aber zu wenig finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, und somit viele Produkte für die Krankenhäuser nicht gekauft werden können, sind wir beim Händeabtrocknen auf die Großzügigkeit der Patientenangehörigen angewiesen. Diese finanzieren uns, wenn sie selbst es sich leisten können, manchmal eine Rolle Papiertücher am Tag. Ist diese Rolle aufgebraucht, trocknen wir unsere Hände an der Luft, die aus den Klimaanlagen strömt. Leider fehlen häufig auch Materialien, die zur Behandlung der Patienten benötigt werden. Diese müssen ebenfalls deren Angehörige finanzieren. Ist dies nicht möglich, kann die Therapie nicht durchgeführt werden. Beispielsweise helfe ich momentan einer Schwester, die eine Patientin mit einem stark geschädigten Herzen betreut. Sie ist aufgrund ihrer Erkrankung nicht bei Bewusstsein und muss über einen Schlauch beatmet werden. Außerdem benötigt sie dringend eine Operation, da ihr Herz immer mehr versagt. Da aber die Materialien, die während der OP gebraucht werden, von der Familie der Patientin gezahlt werden müssen und die Kosten für die Angehörigen zu groß sind, wird momentan mit allen Mitteln, die von der staatlichen Krankenkasse übernommen werden, versucht, das Herz zu entlasten. So soll die Zeit, bis die Operation möglicherweise durch eine Stiftung ermöglicht wird, überbrückt werden. Im Team wurde viel über unsere Patientin und ihre Aussichten diskutiert. Ich erzählte viel von Deutschland und wie häufig man sich dort über das derzeitige Gesundheitssystem beschwere. Und wieder einmal wurde klar, dass man nur das Gute an dem sieht, was man hat, wenn man Abstand gewinnt und neue Erfahrungen macht.