Објавено: 15.10.2018
Freitag, 11.10.2018
‚Jeder Morgen ist der Beginn einer neuen Zeit, eines neuen Glücks.‘
Mal wieder ein Tag, wo man sich nur auf sein Handwerk als Hebamme verlassen konnte.
Es ist tatsächlich wirklich positiv, dass hier noch wirkliches Handwerk zählt. In Deutschland verlassen wir uns mittlerweile so viel auf die Technik, was ich nicht zwingend nur positiv sehr.
Versteht mich nicht falsch, ein Ultraschall ist oft ein großer Segen, doch sollte es in meinen Augen die Handgriffe der ‚Hebammenkunst‘ nicht ersetzen, sondern eine ergänzende Diagnostik darstellen.
Eine Frau war im Kreißsaal.
18Jahre
1.Kind
Ich betreute sie. Die Frau war kräftig gebaut, aber hatte tatsächlich einen großen Bauch. Vom tasten her schätzte ich, dass das Kind über 4kg wiegen wird, aber bei Betrachtung ihres Beckens fiel mir auf, dass es für ein großes Kind passend ist.
In Deutschland hätte der Ultraschall vermutlich eine Makrosomie des Kindes offenbart, wäre die Geburt vor dem berechneten Termin eingeleitet oder wahrscheinlich der Frau noch zum Kaiserschnitt geraten worden.
Die Geburt ging sehr schnell voran und ein Arzt äußerte ebenfalls seine Zweifel wegen des großen Bauches. Ich erläuterte ihm meine Befunde und das momentan alles physiologisch verläuft. Er vertraute mir und verließ den Kreißsaal.
Mein Werkzeug besteht hier aus meinen Händen, einem Holzstethoskop, einem Maßband und Blutdruckmessgerät. Und einem Gefühl, was man erst im Laufe des Berufes entwickelt. Doch gerade bei den Frauen hier, mit denen ich mich eigentlich nie verständigen kann, lese ich viel in der Körpersprache ab und das lehrt mich einiges darüber Geburtsphasen zu verstehen.
Etwa 1h später brachte die Frau wunderschön einen kleinen großen Jungen zur Welt, der 4,5kg auf die Waage brachte. Für afrikanische Neugeborene schon ein besonders schweres Gewicht. Alle waren fasziniert und ich war froh, dass niemand intervenierte und ich die Frau betreuen durfte.
Eine Besonderheit gab es noch zu entdecken. Das Kind hatte an der linken Hand 6 Finger. Allerdings ohne Knochen. Man kann dieses ‚Anhängsel‘ dadurch abbinden und dann kann es entfernt werden. Es gibt schlimmeres.
Johanna half parallel einer Frau bei der Geburt ihres zweiten Kindes. Sie war erst 15min. vorher im Kreißsaal angekommen. Auch bei ihr war alles in Ordnung.
Danach hatten wir noch eine Frau in den Kreißsaal begleitet, welche bereits seit zwei Tagen auf Station lag wegen eines vorzeitigen Blasensprunges, wie wir herausfanden.
Sie erwartete ihr drittes Kind. Oder doch zwei?
Die Aufnahme wurde von einer Schwester durchgeführt und wir sollten dann übernehmen. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser, wurde mir an diesem Tag mal wieder bewusst.
Die Frau bewegte sich vorerst und hatte nur schwache Wehen. Wir hatten also keinen Grund sie zu untersuchen.
Sie bedankte sich dafür, dass wir überhaupt für sie da waren. Sie war HIV positiv und muss schon oft erlebt haben, dass Schwestern sie deswegen nicht anfassen wollten. Unglaublich.
Auch ich achte bei Frauen mit dieser Diagnose nochmal mehr auf Eigenschutz und trage doppelt Handschuhe. Doch damit kann man sich schützen. HIV wird schließlich nicht über die Atmung übertragen. Sie weinte vor Dankbarkeit und es zerbrach mir fast das Herz. Wie sie wohl schon behandelt wurde in der Vergangenheit, dass sie so extrem dankbar war, nur weil man ihr mal den Rücken massierte oder Tee reichte, will ich mir gar nicht vorstellen.
Als die Wehen kräftiger wurden, wollte ich die Herztöne hören. Sie waren normofrequent.
Doch die Frau schaute mich verwundert an und fragte, was mit den zweiten Herztönen ist!?
Große Verwunderung!
Wie zwei Herztöne? Zwillinge?
Johanna und ich tasteten nun ganz genau den Bauch ab, ich las im Mutterpass, suchte in unserer spärlichen Krankenhaus- Dokumentation nach einem Eintrag. Ich fühlte nur ein Kind. Hörte nur einmal Herztöne.
Ich informierte den Arzt und er erklärte mir, dass eine Schwester den mütterlichen Puls und die kindlichen Herztöne als zwei Kinder diagnostiziert hatte und das im Beisein der Frau äußerte.
In diesem Moment hätte ich mich gern mit einem Ultraschall- Bild vergewissert, doch mein Gefühl hat mich bestätigt.
Die Geburt ging nicht voran, die Frau entwickelte Anzeichen für eine Infektion und auch die kindliche Herzfrequenz stiegt stetig an. Die Frau hielt uns fest, weinte und sagte immer wieder, dass sie das Gefühl hat gleich zu sterben.
Es ist so schlimm, wenn man ihr nicht in ihrer Sprache Trost spenden kann. Ich erläuterte ihr auf englisch immer wieder, dass wir auf sie aufpassen und sie bald vom Schmerz erlösen.
Ich konnte ihr in diesem Moment nicht sagen, warum ihre Geburt beim dritten Kind nicht physiologisch verläuft, doch ich konnte zumindest ihre Hand halten, Tränen trocknen und die Vitalwerte von ihr und dem Kind regelmäßig überprüfen.
Zwei Stunden nach unserem Dienstende wurde sie per Kaiserschnitt entbunden. Ich besuchte sie heute, ihr und dem Kind geht es gut.
Es ist ihr zweites Mädchen.