Jana auf dem Jakobsweg
Jana auf dem Jakobsweg
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Erst am Tag NACH der Ankuft in Santiago kam für mich die wichtigste Erfahrung auf dieser Reise...

Whakaputaina: 24.08.2018

Als mein Wecker kurz vor 7 Uhr klingelte, sah ich zum Fenster, stellte fest, dass es noch dunkel ist und war überhaupt nicht in Stimmung die schweren Wanderschuhe anzuziehen um wieder los zu laufen. Dann erst erinnerte ich mich daran, dass ich mir den Wecker nur deshalb gestellt hatte, weil ich meine Urkunde abholen wollte. Zum Glück. Ich wollte keine (Weg-)Suchende mehr sein.

Ich war 25 min vor Öffnung des Pilgerbüros da und es waren natürlich schon ein paar Pilgerer vor Ort.

Da es mehrere Schalter gab, war die Ausstellung der Urkunde schnell erledigt.

Ich bekam 2. Eine mit meinem lateinischen Namen und die Andere, mit der gelaufenen Kilometerzahl.

Ich hatte zwar erwähnt, dass ich bereits gestern ankam, aber es war aus irgendwelchen Gründen nicht möglich, dass Ankunftsdatum anzupassen.

Anschließend ging ich erst einmal frühstücken. Da ich noch viel Zeit übrig hatte, entschied ich mich spontan, noch einmal die Kathedrale aufzusuchen. Und traf auf ein vertrautes Gesicht, die 54-jährige Doris, welche aus dem oberfränkischen Kronach kommt. Die Wiedersehensfreude war beidseitig sehr groß. Sie liebt Kaffee genauso wie ich, also gingen wir gemeinsam Kaffee trinken und gingen anschließend noch durch die Straßen von Santiago.

Gegen halb 12 verabschiedeten wir uns, weil ich mein Hotelzimmer bis Mittag geräumt haben musste.

Plötzlich kam ich auf die Idee, nicht mit dem Taxi, sondern zu Fuß zum Flughafen zu gehen. Ich sah bei Google Maps nach und stellte fest, dass es nur ca. 11 km sind. Ein Klacks für mich und immerhin noch über 5 h Zeit bis Abflug.

Ich war total quirlig und aufgedreht und total begeistert von dieser Idee.

Obwohl meine Wanderstöcke aufgrund der ganzen Berge/Hügel täglich sehr gute Dienste geleistet hatten, um an mein Ziel zu kommen, wollte ich heute erstmals ohne "Hilfsmittel" (also aus eigener Kraft) mein Ziel erreichen.

Um zum Flughafen zu kommen, musste ich das Endstück vom Jakobsweg wieder zurück laufen.

Kaum bewegte ich mich aus Santiago raus, kam mir auch schon die wichtigste Erkenntnis meiner vergangenen Reise...

Alle (Pilgerer) gingen in eine Richtung und hatten das selbe Ziel/den selben Weg. Nur ich hatte ein anderes Ziel und "schwamm" GEGEN den Strom, anstatt zusammen mit der Masse.

Da ich nicht den kurzen, direkten und gefährlicheren Weg entlang der Straße nehmen wollte, suchte ich mir auf Google Maps, den für mich sichersten und geeignetesten Weg, auch wenn dieser länger war.

Ich wechselte sogar die Straßenseite, um ungehindert meinen eigenen Weg gehen zu können. Ich ging nicht den Weg der Anderen, welche einer Beschilderung folgten (Pfeile/Muscheln). Ich trat nicht in ihre Fußspuren, sondern "formte" meinen eigenen Weg, nach meinen eigenen Vorstellungen.

Wow. dies war die beste Erkenntnis, welche ich in den vergangenen 12 Tagen hatte. Und jetzt war ich auch froh, dass das Datum auf meiner Urkunde, dem heutigen entsprach. Denn mit dem Weg zum Flughafen, war ich eigentlich erst wirklich bei mir angekommen.

Da ich außerhalb von Santiago, nicht die Straßenseite wechseln konnte und den selben Weg wie die Pilgerer ging, nur "falsch" herum, sahen mich einige natürlich total verwundert an und waren irretiert. Eine Spanierin sprach mich auch an.

Das Beste hieran war, dass es mir total egal war, was die Leute dachten und wie sie mich ansahen, was bisher immer ein Problem von mir war. Stattdessen hatte ich nur MEIN Ziel vor Augen, welches ich erreichen wollte und ging zielstrebig voran.

Ich war aber nicht die einzige "Verrückte", ich traf unterwegs tatsächlich zwei Frauen, vermutlich Mutter und Tochter, welche abenfalls zum Flughafen wollten.

Gestern wie heute fiel es mir recht schwer, den Rucksack zu tragen, denn bisher hatte es mir nichts ausgemacht. Er schien mir irgendwie schwerer und unhandlicher. Ich deutet dies so, dass ich jetzt, wo ich an meinem Ziel ankam, aus meinem "alten Leben" noch zu viel Altlasten/Gepäck mit mir herum trage und es Zeit wird, loszulassen und auszumisten. Die Zeit ist reif, dass ich meinen (Lebens-)Rucksack neu packe...

Am Flughafen traf ich wieder auf den Italiener Nicola. Mein Wegbegleiter vom ersten Tag. Leider flog er doch nicht mit meiner Maschine mit, weil sein Anschlussflug storniert wurde. Wir tauschten jedoch unsere Kontaktdaten per Facebook aus.

Nun befinde ich mich wieder auf den Weg nach Hause, zu meiner "heiligen" Wohnung, welche ich sonst liebevoll als "mein Königreich" bezeichne. Überraschenderweise hatte ich sie zu keinem Moment vermisst.


Eine Sache fällt mir noch ein... vor meiner Abenteuerreise nach Santiago sagte mir ein guter Freund, dass dies meine letzte Prüfung wird. Ich fand dies irgendwie sehr passend ausgedrückt und war hiervon total berührt.

Jetzt, ihm Nachhinein, kann ich dies absolut bestätigen.

Aber dennoch; alle Erkentnisse, welche ich auf dem Jakobsweg erlangt hatte, waren mir nicht neu. Ich kannte sie bereits. Der große Unterschied lag jedoch hierin, dass es etwas ganz anderes ist, ob man etwas lediglich nur theoretisch weiß, weil man es gelesen hat oder ob man eine (Lebens-)Erfahrung praktisch erlebt hat.

Der Lerneffekt ist natürlich viel wirksamer, wenn man etwas persönlich erlebt hat.

Und dies war mit dem Jakobsweg der Fall!

Ich bin sehr gespannt auf mein Leben nach dem Jakobsweg.... welche Auswirkungen diese Erfahrung mitsich bringen wird...

Liebe Grüße von Jana

Whakautu (4)

Inge
Pilger bis zum letzten Tag. Hast du noch so viel Sohle am Schuhwerk? Wir werden deinen täglichen Bericht vermissen. So waren wir dir näher als je zuvor. Alles Gute für zu Hause und "das Leben nach dem Jacobsweg".

Jana
DANKE! :-)

Doris
Den Jacobsweg zu gehen war beschwerlich. Dir taten die Füße, Knie, Hüften weh. Auch die Zeit "nach" dem Jacobsweg wird nicht immer leicht sein. Dein Leben wird sich nicht automatisch verändern. Du kannst nicht still auf der Stelle stehen und warten, dass etwas passiert. Du, nur alleine du kannst etwas ändern damit dein Dasein sich so gestaltet, wie du es dir wünschst. Du wirst Steine verräumen müssen und du wirst Rückschläge verkraften müssen. Aber wenn du etwas erreichen willst, dann wirst du es auch erreichen. Die Gedanken der letzten 12 Tage sollen deine guten Begleiter im Alltag sein.

Jana
Danke Mam, für die schönen Worte! :-)