Foilsithe: 28.01.2019
Diese Szene muss man sich mal bildlich vorstellen. Ich warte im Schatten des Busses in Mompos darauf, dass es bald losgeht. Es ist elendig heiß und die wartenden Einheimischen neben mir haben alle dicke warme Decken dabei. Da macht man sich schon so seine Gedanken. Und dann fragt der Busfahrer auch noch so doof, ob er die Decken auch im Gepäckraum zusammen mit den Koffern verstauen sollte. Natürlich nicht! Denn die Decken sind ja für die Fahrt von einem heißen Ort in den nächsten gedacht. Die Locals wissen natürlich, dass die Klimaanlage konstant auf 16 Grad eingestellt ist. Nach den ersten 5 Minuten friert der Bus also kollektiv wegen der Klimaanlage. Als Nordeuropäer habe ich noch ein paar Grad Toleranz Vorsprung, durch den Einsatz der Decken sind dann alle Passagiere ungefähr auf dem gleichen Kälteniveau. Nach gut 3 Stunden machen wir eine Pause. Als ich den Bus verlasse trifft mich fasst der Hitzschlag, obwohl die Sonne schon untergegangen ist. Gefühlte 20 Grad Temperaturunterschied. Ich frage den Busfahrer, ob er die Anlage vielleicht etwas runterdrehen könnte. Er denkt natürlich, dass ich es NOCH kälter haben möchte. Ein paar Erklärungen später, sagt er mir, dass das schon die höchste einstellbare Temperatur sei und die Leute sich ja schon dran gewöhnen würden. Ernsthaft? Ausschalten war auch keine Option! So wie die Mitreisenden vorbereitet waren, ist es hier wirklich ein unangreifbares Naturgesetz, dass man im Bus friert! Da verliert man dann schon mal den Glaube an ein Land. Das hatte ich ja vorher auch schon oft genug auf meinen Busreisen erlebt, aber so extrem dann doch noch nicht. Gut durchgekühlt komme ich dann weitere 2 Stunden später in Ocaña an.
Ocaña ist touristisch eher unbedeutend, aber wie so oft historisch bedeutsam. Diese Gegend war eine der ersten, die im Unabhängigkeitsfeldzug durch Bolívar befreit wurde. Später war Ocaña dann für einen Tag Hauptstadt und Schauplatz der Gran Convención von 1828. Es kamen Gesandte aus allen Departements des Landes zusammen um die Verfassung von 1821 zu überarbeiten. Hauptsächlich ging es aber um die weitere politische Ausrichtung von Großkolumbien. Anhänger vom Zentralismus und Bolivar auf der einen Seite, gegen die Anhänger von Santander mit der Forderung nach mehr Souveränität der einzelnen Provinzen auf der anderen Seite. Man erzielte keine Einigung und in der Folge wurde Großkolumbien in die heutigen Länder Panama, Ecuador, (Peru), Venezuela und Kolumbien aufgeteilt.
Nach einem Tag Pause und dem üblichen Rundgang durch die Stadt, bin ich dann weiter ins nationale Kulturerbe Playa de Belén gefahren. Dieses schöne Dorf besteht im Wesentlichen aus drei Straßen. Die Gebäude aus der Kolonialzeit sind sehr gut erhalten und alle gleich gestaltet. Ich bin auf einer Finca etwas außerhalb gelandet. Das war eine wirkliche Oase. Überall Blumen, dazu ein eigener Obstgarten mit Bananen, Orangen, Mandarinen und noch einigen anderen Früchten. Außerdem gab's noch einen Fischteich, einen Hund, Enten, Hühner und einen riesigen Puter.
Und dann gab's noch meine erste wirklich brenzlige Situation auf meiner Reise. Es gab noch einen Mirador nahe des Ortes. Die Frau von der Finca hatte mich noch gewarnt, dass es da wilde Hunde am Eingang gäbe. Das war dann auch so. Aber noch bevor ich ihnen so richtig nah war, sind die schon auf mich losgegangen. Da hieß es Beine in die Hand nehmen - ein in paar Meter Vorsprung hatte ich ja noch. Und nach gut 50 Metern hatten sie dann die Lust verloren. Dabei hatte ich aber meinen Hut verloren. Wie sollte ich den jetzt zurückbekommen? Letztendlich hat mir ein Einheimischer - mit Besenstiel bewaffnet - geholfen. Ist also nochmal gut gegangen. Die Polizei hatte ich auch um Hilfe gebeten. Die sitzen da eh nur den ganzen Tag rum und haben nichts zu tun. Aber die hatten keine Lust. Später bin ich dann noch in eine schwerbewaffnete Militärkontrolle geraten. An sich nichts Ungewöhnliches. Die stehen öfter mal an den Straßen und gucken in die Busse. Mehr aber auch nicht. Hier wollten sie aber wirklich mal meinen Rucksack kontrollieren, danach noch alles mögliche über meine Reise wissen und zum Schluss sogar noch ein Foto schießen. Das habe ich aber dummerweise abgelehnt.
Der Grund für die vielen Kontrollen und die große Präsenz liegt im Kampf gegen die Reste der Guerilla - wie FARC und ELN - und der Paramilitärs. Auch in den entlegensten Bergdörfern findet sich meist noch eine Kaserne mit relativ vielen Soldaten, die die Gegend sichern. Vor 20 Jahren gab es diese alle noch nicht, die wurden erst nach und nach errichtet, nachdem man die Gebiete von FARC und Co. zurück erobert hatte. Das kann man gar nicht so einfach durchschauen. Die FARC und andere Guerilla hatten sich ursprünglich aus Protest gegen die konservative Regierung in den 60ern gebildet. Um ihren Kampf zu finanzieren haben sie dann aber hauptsächlich Drogenhandel betrieben und die Bevölkerung terrorisiert. Dagegen haben sich dann in den ländlichen Gebiete die Bauern zur Selbstverteidigung (Autodefensas) zusammengeschlossen, da die Regierung sie nicht beschützen konnte. Daraus wurden dann die verschiedenen Paramilitärgruppen, die dann aber ebenfalls begannen ihren Kampf gegen die Guerilla mit Drogengeschäften zu finanzieren und sich damit letztlich auch gegen die Regierung gestellt haben. Damit begann der lange Kampf gegen beide Gruppen um das Land zu befrieden. Ungefähr gegen 2006 waren dann die meisten Gebiete wieder unter Kontrolle der Regierung und des Militärs. Die Paramilitärs haben sich größtenteils aufgelöst und die Guerilla sind deutlich weniger geworden und haben sich in noch abgelegenere Gebiete zurückgezogen. Erst 2016 gelang es dann mit der größten Gruppe, der FARC, einen Friedensvertag zu schließen. Dieser ist auch in der Bevölkerung umstritten, da die Guerillakämpfer strafrechtlich nicht verfolgt werden. Ihnen soll die Möglichkeit gegeben werden wieder in die Gesellschaft zurückzukehren - bspw durch die Arbeit im Tourismus im Amazonasgebiet. Wie lange dieser Frieden hält und wie nachhaltig er ist muss sich in der Zukunft erst noch beweisen. Von der Seite jedenfalls geht für Reisende momentan keine Gefahr aus. Eher von der üblichen Kriminalität wie Raub oder Überfall - vor allem in den Großstädten.
Heute ist die Bevölkerung froh über die Militärpräsenz, auch wenn das natürlich mit mehr Kontrollen einhergeht. Das Leben in den Dörfern ist entspannt und man ist nicht mehr der ständigen Bedrohung und Erpressung ausgesetzt. Und ich hab mich auch sicher gefühlt. Das war in den meisten Orten so. Ich habe immer nachgefragt und die Leute meinten stets, dass das vor 10 bis 20 Jahren aufgehört hat. Aber diese Gruppen existieren immer noch. Nun halt in noch abgelegeneren Gegenden, wo sie ihren (Drogen)Geschäften nachgehen.
Nach zwei Tagen ging es dann wieder zurück nach Ocaña. Dort habe ich dann per Mototaxi noch das heilige 'Santuario Agua de la Virgen' besucht und das Vogelreservat 'Reserva Natural de las Aves Hormiguero de Torcoroma'. Vögel hab ich da zwar nicht gesehen, sondern nur gehört, aber ein schöner Wald war es trotzdem.