Publié: 22.04.2019
Parque Central.
Zurück in Loja, wo ich ziemlich genau vor einem halben Jahr schon mal Station gemacht habe. In den grünen - dafür nicht ganz so hohen - Anden gelegen, sodass es bei Sonne sehr warm ist, aber nachts auch nicht zu kalt wird und fast täglich gibt es Regenschauer. Und manchmal auch alles zusammen.
Die touristische Tour hatte ich größtenteils bereits im vergangenen November absolviert. Diesmal wollte ich ein bisschen länger bleiben und versuchen eine Art Beschäftigung zu finden. Nach der langen Reisezeit wollte ich auch einfach Mal für ein paar Wochen am gleichen Ort bleiben. Am Ende wurden es knapp sechs Wochen. Ich hab mir also eine Wohnung für die Zeit gesucht und mich dann in der Stadt bzw. im Internet umgeschaut was man denn so machen kann. Arbeit in Ecuador zu finden ist generell schwierig, deshalb hätte mir auch eine freiwillige Arbeit gereicht, bei der man vielleicht noch was lernen kann.
Den nahegelegenen Nationalpark Podocarpus hatte ich bei meinem letzten Besuch noch nicht erkundet. Umso erfreulicher, dass ich Arturo kennengelernt habe. Der kümmert sich um eine Hütte im Park, auf der Forschungsgruppen einkehren können. Ich bin einen Tag mit ihm mitgefahren um eine Wasserleitung zu reparieren und um rund um die Hütte Gras zu mähen. Ich konnte mich also endlich mal an einer Motorsense ausprobieren und ganz nebenbei schon Mal etwas Nationalparkluft schnuppern. Die grünen nebligen Páramowälder habe ich dann kurze Zeit später auch nochmal selber auf einer matschigen Wanderung erkundet.
Nächstes Projekt war dann ein dreitägiger Cocktailkurs - die haben mir ja schon immer geschmeckt. Und das war zu meiner Überraschung nicht nur ein reines Besäufnis unter Anleitung. Nein das war richtig professionell. Die Leute hatten echt was drauf und haben uns angefangen bei den verschiedenen Utensilien über die goldenen Barkeeperregeln bis hin zu den verschiedenen Mixtechniken alles Wichtige beigebracht. So habe ich dann noch ein paar neue Cocktails kennengelernt und natürlich auch verkostet. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt.
Von der Cocktailschule ging es dann direkt zum Englischunterricht. Eine Organisation, die Schulabgänger auf den Eingangstest zum Militär vorbereitet hatte kürzlich in Loja eröffnet und Lehrer für die verschiedenen Themengebiete gesucht. Als Ingenieur hatte ich da zuerst an Mathe und Physik gedacht, allerdings waren sie dann wohl eher von meinen Englischkenntnissen überzeugt und am nächsten Tag hatte ich dann gleich meine erste Stunde gehabt. Einen Lehrplan gab es nicht wirklich, ich hatte nur einen Beispieltest an dem ich so ungefähr erahnen konnte was von den Schülern verlangt wird. Zum Start gab es auch bloß einen Schüler, sodass ich meinen 'Lehrplan' individuell gestalten konnte. Es gab eh niemanden, der das in Frage hätte stellen können. Somit konnte ich also tun und lassen was ich wollte, das Schadenspotential war mit einem Schüler auch stark beschränkt. Nur weil man selber halbwegs sattelfest in Englisch ist und weiß wie es richtig ist, heißt das noch lange nicht, dass man das auch jemand anderem beibringen kann. Also musste ich mir selber nochmal schnell im allwissenden Internet die nötigen Regeln anlesen wann und wie man Präpositionen von Zeit und Ort, (un)bestimmte Artikel, Demonstrativpronomen, Zeitformen und vieles mehr richtig anwendet. Zum Glück waren wir da eher auf Grundschulniveau unterwegs, sodass ich nicht wirklich knifflige Fragen zu beantworten hatte. Es hat mir auf jeden Fall sehr viel Spaß gemacht mich mal in einem anderen Berufsfeld auszuprobieren und auch meine eigenen Kenntnisse rund um Sprache nochmal etwas aufzufrischen.
Fazit - Schön ab und zu auch mal wieder etwas Sinnvolles zu tun. Das hatten alle meine 'neuen' Tätigkeiten gemeinsam. Aber als wirkliche Verdienstmöglichkeiten konnte man das auch nicht sehen. Ein Dollar ist hier doch relativ schwer zu verdienen, wohingegen die alltäglichen Kosten nicht im gleichen Maße günstiger sind als in Europa.
Wenn man den Alltag hier mal beobachtet, kann man sich schon fragen von was die Leute hier eigentlich leben. Irgendwie sind immer alle beschäftigt, aber gleichzeitig neben sie mit ihren Geschäften auch nur Minibeträge ein. Mit ein paar Dollar Tagesverdienst kann man nur schwer eine Familie versorgen. Die Geschäfte sind voll mit Angestellten, die sich vor lauter Langeweile meist hinter dem Handy verstecken. Das Gehalt sehr niedrig ist, sodass der Service natürlich auch wieder zu wünschen übrig lässt - verständlicherweise. Was will man auch erwarten, wenn man sich den ganzen Tag bei Minigehalt langweilt. Also so richtig passt das alles nicht zusammen. Und irgendwie wirtschaften alle so in ihrem Trott weiter vor sich hin und schlagen sich so durch. Daher sind dann auch die staatlichen Jobs in den Kommunen so begehrt, genauso wie bei Polizei und beim Militär. Allerdings gibt es dort auch wieder viel Korruption, was wieder zu ganz anderen Problemen führt. Und über all diesen Alltagsproblemen schwebt der omnipräsente Katholizismus. Aber auch alles so scheinheilig. Frauen werden nicht nur häufig von ihren Ehemännern geschlagen, nein viel zu oft endet die häusliche Gewalt auch mit Mord. Was wiederum bei genügend Bestechungsgeld nur wenig Konsequenzen für die Täter hat. Sexuelle Aufklärung gibt es auch nicht, sodass viele Minderjährige oder sehr junge Frauen schon Kinder kriegen. Abtreibung ist natürlich auch ein absolutes Tabuthema. Auch nicht wenn es sich um Vergewaltigung gehandelt hat. Aber die Kirchen sind immer voll. Und fast zu jeder Tag- und Nachtzeit kann man irgendwo einen Gottesdienst besuchen. All diese gesellschaftlichen Widersprüche sind mir teilweise auch schon vorher aufgefallen, aber jetzt hatte ich bei einem längeren Aufenthalt in einer 'normalen' Stadt die Gelegenheit mich ausführlicher damit zu beschäftigen und mich auch mal mit ein paar Leuten darüber zu unterhalten. Auch dafür war die Zeit in Loja wertvoll. Auch um für eine gewisse Zeit mal wieder sowas wie Alltag zu haben, etwas Kraft zu tanken und eine Stadt mal etwas ausführlicher kennenzulernen. Aber nach 6 Wochen reicht es dann auch. Ich werde meine Reise über Perú und Lima in Mexiko fortsetzen.