Nai-publish: 05.02.2022
03.02.2022
Heute soll exemplarisch für bisherige und wahrscheinlich folgende Schultage, der Ablauf und die Geschehnisse erläutert werden. Um 06:00 morgens klingelt mein Wecker, der Ton ist Nerv tötend und ein anderer als zu Hause, was meine Verwirrung am Morgen meist noch steigert. Dann kommt das Licht gefühlt von der falschen Seite und schwingt man die Füsse über die Bettkante verfängt man sich im Moskitonetz wie ein Fisch. Wenn ich den Stopp Knopf gefunden habe, stehe ich kurz in meinem langärmligen Schlafhemd und mache mich meiner schon leicht surrealen Situation bewusst, dass ich hier in Uganda, auf dem Kontinent Afrika stehe und auf nackten Füssen ins Bad tapse, wo der Waschkessel neben dem Spülkessel steht. Frühstück ist meist zwei Toast mit Honig, Mango, Passionsfrucht und Bananen. In Uganda wachsen zehn verschiedene Arten von Bananen und jede hat ihre eigene Art der Zu- oder Aufbereitung. Es gibt die kleinen zuckersüssen Apfelbananen, die Grünen, die gedämpft als Mattoke-Fingers ganz oder als Mattoke püriert gegessen werden. Dann Gonja, die süss sind und geröstet werden. Diese haben eine harte Haut unter der Schale, die verhindert, dass zu viel Feuchtigkeit verloren geht und die beim Rösten hart wird wie bei einer Bratwurst. Dann gibt es noch welche, die in der Schale geröstet werden und dann aus der Schale gelöffelt werden. Bananen sind omnipräsent. Nun aber zurück zum Tag.
Um sieben Uhr fahren wir los über den off-road Weg zur Schule, auf dem inzwischen so viel Sand liegt, dass wir eine Wolke davon vor uns herschieben und hinter uns herziehen. Der Sand ist so fein und rot, er setzt sich überall fest und duscht man sich am Abend läuft erst einmal ein kleiner Bach roten Wassers in den Abfluss. Die Fahrt dauert etwa vierzig Minuten somit sind wir zwischen fünf und zehn Minuten vor Schulbeginn an der Schule. Als erstes packen wir Softbälle und Holzschläger aus für zwei Lektionen (80 Minuten) Sport geteilt in P1.2.3. in den ersten 40 Minuten und dann P4.5.6. in den zweiten 40 Minuten. P7 war anfangs auch dabei, die müssen jetzt aber an Schulstoff arbeiten und dürfen nicht mehr mitmachen. Sie bleiben auch länger als die anderen und machen kaum Pause. Was man so aus Andeutungen lesen kann, ist, dass die Eltern Druck aufgesetzt haben, dass ihre Kinder ins P7 kommen und nachholen müssen, wo Defizite zu erkennen sind…
Nach Sport mache ich 80 Minuten Englisch in P5. Hier sind 9 Schüler*innen im Klassenzimmer. Ich versuche immer zu repetieren, was wir am Tag zuvor gemacht haben. Aus Eigeninitiative erhalte ich keine Antwort, wenn sie die Bücher öffnen dürfen, dann können sie Aufgaben von gestern vorlesen. Reproduzieren, was ich erklärt habe können sie nicht, in eigenen Worten etwas wiedergeben ebenso wenig. Dann fangen wir mit einer Aufgabe an, lösen sie. Die Kinder schreiben sie für die nächsten 10 Minuten ab. Dann muss ich korrigieren, ob sie richtig abgeschrieben haben. Spannend ist hier, dass sie GENAU kopieren, was sie sehen, ohne zu überlegen, was wir besprochen haben, was es heisst, was sie aufschreiben. So sehen meine «k» manchmal aus, wie «h», wenn ich schnell schreibe an der Tafel und sie schreiben «kilo» als «hilo» ab, ohne nachzudenken, dass es auch etwas anderes sein könnte, beziehungsweise, dass es gar keinen Sinn ergibt… In der Mitte der Lektion spielen wir meist ein Spiel, am Anfang stiftete es unglaubliche Verwirrung, wenn das Schulzimmer in der Mitte des Unterrichts verlassen wurde. Inzwischen haben sie aber Freude daran. So spielen wir «Simon says» oder ein Klatschspiel mit den englischen Zahlen. Galgenmännchen, dass ich zu Blumen pflücken umgemodelt habe… Thema der heutigen Lektion ist Autoreparatur. Also lesen wir eine Fünf-Satz-Geschichte über einen Autounfall und ich gebe den Auftrag selbst eine solche Geschichte zu schreiben. Es macht sich vollkommene Hilflosigkeit breit. Also machen wir ein Beispiel zusammen. Immer noch Ratlosigkeit. Ich gebe den ersten Satz vor und verlange eine Fortsetzung in vier Sätzen. Nach einer Viertelstunde haben acht von neun tatsächlich vier Sätze geschrieben, auch wenn sie alle verdächtig aneinander und an das Beispiel erinnern, aber es ist natürlich unheimlich schwierig nach vier Jahren puren Konsums auf einmal Produktion zu verlangen. Als das geschafft ist entlasse ich die Schüler*innen fünf Minuten früher in die Pause. Sie bleiben einfach sitzen und fangen an Matheaufgaben zu lösen. Ich verlasse das Klassenzimmer und suhle mich während des Znüni-Porridges aus Maismehl in meiner Kulturschock-Matschpfütze. Die anderen Lehrpersonen setzen sich zu uns und diskutieren auf abwechselnd Luganda und Englisch miteinander. Nach der Pause mache ich noch ein Englischprogramm in P4. Das Thema ist Adjektive der Ablauf ähnlich wie in P5. Wir lernen die Phrase «The…is…» also nehme ich sie mit nach draussen und zeige auf Sachen und lasse sie Sätze formulieren. Solche Übungen habe ich im Verlauf der letzten Wochen öfter gemacht und langsam gelingt tatsächlich etwas an Produktion. Wenn auch noch chaotisch in zu viel Freiheit kommen einige eigene Inputs. Auch hier mache ich das Klatschspiel und sehe deutliche Verbesserung, was mich doch motiviert.
Heute kommt eine Repräsentantin des Intermobil Projektes für zwei Tage zu uns, um zu sehen, wie alles läuft, wie die Schule aussieht und wie wir wohnen. Mittags essen wir in unserer Wohnung und abends lädt uns Regina zu sich in ihr Haus ein. Der Tisch ist wunderschön gedeckt mit Tischtuch und Kerzen es gibt Geissen Leber, Fleisch, Bananen, Gemüse und Wein. Ein wahrer Festschmaus.
Morgen soll es früh losgehen um die hiesige Hochschule für Lehrerausbildung zu besuchen.