Udgivet: 24.09.2022
Von Nordmazedonien aus wollten wir weiter in das jüngste Land Europas fahren, das Kosovo. Aber das gestaltet sich gar nicht so einfach. Das Kosovo wird seit dem Kosovokrieg von Serbien nicht als eigenes Land, sondern weiterhin als serbisches Staatsgebiet betrachtet. Da ist Serbien aber nicht allein, neben Russland, erkennen selbst die EU-Länder Spanien und Griechenland das Kosovo nicht an. Also fristet der Kosovo ein Schattendasein auf dem Balkan mit großer Untersützung der meisten Nato-Staaten und Albaniens, ist aber regelmäßigen Schikanen Serbiens ausgesetzt. Da Serbien den Kosovo nicht als Land anerkennt, sind natürlich auch die Außengrenzen des Kosovos nach serbischem Verständnis serbische Außengrenzen, aber eben ohne serbische Grenzbeamte. Somit ist jeder, der von Albanien, Montenegro oder Nordmazedonien in den Kosovo einreist und weiter nach Serbien fährt offiziell illegal im Land. Um bei unserem späteren Abstecher nach Serbien bei der Einreise keine Probleme zu bekommen mussten wir also einen großen Umweg fahren um zuerst nach Serbien einzureisen und dann von Serbien in den Kosovo zu fahren.
Unser erstes Ziel im Kosovo ist die Hauptstadt Pristina. Hier hatten wir schon ein AirBnB gemietet und bangten pünktlich anzukommen, denn das Fahren durch den Kosovo zieht sich. Die meisten Verbindungen sind nur Landstraßen, die einen durch sämtliche Orte entlang des Weges führen und jeder der Orte hat seinen eigenen kleinen Verkehrsinfarkt. Von allen Ländern, die wir besuchten, herrschte hier das größte Verkehrschaos. Aber von der Straße aus bekamen wir gleich einen ersten Eindruck von der Zerissenheit, denn je nach Ort und der vorherrschenden Ethnie im Ort wehten entweder serbische oder kosovarische und albanische Fahnen an den Straßen. Es war wie in Nordirland, wo sich die Beflaggung auch je nach Stadtteil änderte.
Also kamen wir erst recht spät in Pristina an und haben für die ungefähr 200 km Fahrt von Skopje nach Pristina einen ganzen Tag gebraucht.
Auf dem Mutter-Teresa-Platz sind wir immer mal wieder mit Einheimischen kurz ins Gespräch gekommen. Fast alle fragten mit großen Augen, ob wir denn schon in Albanien gewesen sind und wo es uns in Albanien am besten gefallen hat. Entweder wissen sie, dass der Kosovo nicht viel zu bieten hat oder die Verbindungen und der Stolz auf Albanien sind noch riesig.
Wir merkten aber schnell, dass es in Pristina nicht so viel mehr zu tun und zu sehen gibt. Zum Glück fand aber gerade die Kunstbienale Manifesta 14 in Pristina statt. Das öffnete uns einige Türen, die uns sonst verborgen geblieben wären.
Pristina erstickt im Verkehr, die Straßen sind verstopft und jede Brachfläche, von denen es einige gibt, wird zum Parken genutzt. Leider gibt es auch kaum Parks und Grünflächen. So gibt es auch relativ wenig Spielplätze um Karl ein wenig freizulassen. Die Menschen hier verbringen ihre Zeit eher im Café. Cafés gibt es sehr, sehr viele und im Verlgeich zu Albanien, sind sie hier auch sehr oft von Frauen besucht. Viele Cafés öffnen bereits früh um 7 oder 8 Uhr. Aber ein Café zum Frühstücken zu finden ist echt schwer, denn die meisten haben wirklich nur Kaffee und ein paar Desserts im Angebot. Trotzdem sind sie schon morgens gut besucht für den Kaffee und die Zigarette in Gemeinschaft am Morgen.
Im Großen und Ganzen zeigt sich Pristina als typisch südosteuropäische Stadt mit vielen Betonbauten.
Für den Kosovo gilt: Gewalt zahlt sich aus. Also zumindest wenn man die Staatsgründung betrachtet. Im Kosovo leben schon immer vorrangig Albaner, aber auch die Serben waren immer präsent. Für die Serben stellt das Gebiet sogar einen wichtigen Teil der serbischen Identität dar. Immerhin befinden sich hier ein paar der wichtigsten serbisch-orthodoxen Klöster und hier fand auch die heroische Schlacht auf dem Amselfeld statt. Die Serben wurden dabei zwar von den Osmanen ordentlich vermöbelt und verloren die Schlacht, trotzdem begründet sich der Nationalnarrativ Serbiens auf diese Schlacht. Die Schlacht fand unweit von Pristina auf dem Kosovo Polje (Fusha e Kosovës) statt. Davon leitet sich auch der heutige Name des Kosovo ab.
Insofern wollte Serbien den Kosovo ungern abgeben. Allerdings nervten die ganzen Albaner im Kosovo. Denn diese wollten sich nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens nur noch ungern von den Serben regieren lassen und strebten nach Unabhängigkeit. Also führten die Serben einige Schikanen gegen die Albaner im Kosovo ein und im Kosovo gründete sich die UÇK für den Unabhängigkeitskampf. Nach kleinen Intermezzos und gewaltsamen Attacken der UÇK ging der Konflikt aber schnell in einen Bürgerkrieg über. Um einen Genozid zu verhindern griff schließlich die Nato mit dem KFOR-Einsatz ein und beendete den blutigen Konflikt recht schnell, allerdings ohne Legitimation der UNO. Zur Wahrung der Sicherheit des Landes sind nach wie vor KFOR-Truppen notwendig und viele Länder erkennen den Kosovo aufgrund der erfolgreichen Autonomiebestrebungen nicht an.
Von Pristina ging es durchs Land gen Westen nach Prizren. Die Straßen waren gut ausgebaut, hier scheint viel Fördergeld zu fließen. Was auffällt, es gibt entlang der Route einige große Läden, die Dieselgeneratoren im allen Größen verkaufen, vom kleinen Generator für den Garten bis zum Generator in Autogröße um einen Wohnblock zu versorgen. Hier zeigt sich dann doch die marode Infrastruktur, die von regelmäßigen Stromausfällen geplagt ist.
Auf dem Weg nach Prizren stoppten wir noch an einem kleinen Wasserfall, der als die Plitwitzersee des Kosovo beschrieben wird. Naja, es war ein Wasserfall. Aber die Fahrt übers Land dorthin war ein wenig erschreckend, jedes Feld, jeder Feldweg, jede Parkbucht wurde genutzt um Müll abzulagern.
Prizren ist die Perle des Kosovo. Hier trifft orientalisches Gewusel und Verkehrschaos auf eine schöne osmanische Altstadt und das eingerahmt von den albanischen Alpen. Von hier ist es über die Autobahn nur eine Stunde bis an den Strand von Durrës, auf dem wir selbst noch vor einem Monat waren. Wir mieteten uns wieder ein AirBnB in den verwinkelten Gassen. Beim buchen wussten wir nicht, dass wir in einer Art Englischgrundschule schlafen würden, die gerade Ferien hat. Also hatten wir einen Haufen Platz und super kinderfreundlich war die Wohnung auch noch.
Auf dem Spielplatz trafen wir auf einen Exilkosovaren, der jetzt in der Schweiz lebt und auf Familienbesuch ist. Besser gesagt ist er auf Hochzeitsmarathon und hat gerade Verschnaufpause auf dem Spielplatz. Im Sommer ist hier Hochzeitshochsaison und alle Kosovaren kommen zurück in die Heimat. Später in der Rugova-Schlucht trafen wir auch auf eine Familie, die in einer Woche vier Hochzeiten absolviert. Naja, aber da der Schweizer nun schon hier ist, lässt er sich eben gleich noch günstig die Zähne machen, während er überlegt noch ein paar Immobilien in der Stadt zu kaufen. Auf dicke Hose machen können die Exilkosovaren auf jeden Fall, aber laut seinen Aussagen ist er auch relativ bekannter Fußballer in Deutschland bei Trier und in der Schweiz gewesen. Wen man nicht so alles trifft...
Kosovo ist nicht nur der jüngste Staat Europas, sondern auch der jüngste Staat was den Altersdurchschnitt angeht. Insofern gibt es viele Hochzeiten zu feiern. Aber es gibt eben auch viele Jugendliche, die die Schule besuchen oder in Ausbildung sind. Genau für die gibt es eine Masse an privaten "Hochschulen" und jeder zehnte Einwohner des Landes ist in einer Hochschule eingeschrieben. Gegen verhältnismäßig hohe Kosten erlangen die Studenten hier Abschlüsse, die allerdings in keinster Weise internationalen Ansprüchen genügen bzw. in Fächern abgeschlossen werden, die im Kosovo absolut nicht gebraucht werden. Juliane besuchte zum Beispiel im Rahmen einer Dienstreise eine Verkehrshochschule in Pristina, die sich am Ende eher als Fahrschule mit Konferenzraum entpuppte. So gibt es in dem Land viel zu viele arbeitslose Akademiker, obwohl doch Handwerker und Fachkräfte für den Aufbau des Landes und der Wirtschaft viel mehr gebraucht werden würden.
Wie bereits erwähnt befinden sich im Kosovo für Serbien wichtige orthodoxe Klöster. Zwei davon liegen in der Nähe von Peja, unserem nächsten Etappenziel. Das Kloster Viskoi Decani wird noch immer streng von KFOR-Soldaten bewacht. Aktuell waren Österreicher vor Ort und hatten ihre eigenen Puchs mitgebracht. Leider wurden wir freundlich verscheucht, als wir neben den Verwandten vom G parken wollten. Wir mussten wieder unsere Pässe abgeben und Juliane musste sich bedecken um das Kloster zu besuchen. Viel war nicht los und in der Klosterkirche nahm uns direkt ein Mönch an die Hand und zeigte uns alles und ließ Karl mit der Kircheneinrichtung spielen. Danach wurden wir noch auf Kaffee, Raki und Burek eingeladen.
Das Kosovo ist ungefährt so groß wie halb Sachsen-Anhalt und hat, genauso wie Sachsen-Anhalt den Brocken hat, nur eine Naturschönheit, die Rugova-Schlucht. Diese liegt im Nordwesten bei Peja und ist für viele DAS Ausflugsziel hier. Sie ist wirklich schön und man kann Wandern, Klettern, Klettersteige gehen und Zip-Lining machen. Aber das übliche Problem tritt hier wieder offensichtlich zu Tage: Müll, Müll, Müll. Einen Wanderer, den wir trafen und der uns fragte, wie es uns hier gefällt, sprachen wir darauf an. Er tat zumindest sichtlich beschämt und meinte nur, für das Verhalten seiner Mitmenschen könne er nichts.
Bevor wir den Kosovo endgültig verlassen noch eine kurze Anekdote zur Seriösität dieses Staates. Der erste Ministerpräsident des Kosovo, Hashim Thaçi, ist ein Mitbegründer der paramilitärischen UÇK, die den Kampf gegen die Serben führte. Dabei gingen sie nicht zimperlich mit Serben, politischen Gegnern und anderen Ethnien um und Thaçi wird für 100 Morde direkt verantwortlich gemacht. Deshalb ermittelt ein Sondergerichtshof gegen ihn in einem Prozess, der seit 2020 bis heute andauert. Zusätzlich werden ihm Verwicklungen in den illigalen Organhandel während des Kosovokrieges vorgeworfen. Tatsächlich sind aber alle acht wichtigen Zeugen gegen ihn auf mysteriöse Weise verstorben oder zu Tode gekommen. Zwar ist Thaçi nach erfolgter Anklage 2020 vom Ministerpräsidentenposten zurückgetreten, aber dass jemand mit so viel vermeindlichem Dreck am Stecken überhaupt in diesen Posten kommen kann wirkt auf uns topseriös.