Gipatik: 10.08.2019
Wir sind jetzt zurück aus Griechenland. Es ist der 17.07.2019 und es ist spät. Die Uhr steht auf 23 Uhr. Wir haben eine Schlafbox im Flughafen gebucht. Einfach genial - eine Plastikbox mit herauszufahrendem Bett und Nasszelle für 130 englische Pfund. Die Box hat eine Klimaanlage und ist schalldicht isoliert, alles auf ca. 6 m2. Die Rezeption heißt "Mission Control" und der nette junge Mann vom Dienst scheint dem Raumschiff Enterprise entsprungen. Dies ist die Zukunft der Hotelerie: Schlafboxen übereinander gestapelt wie Wespenwaben. Anyway, wir haben gut geschlafen und sind am nächsten Morgen nach Brighton mit dem Zug in der Hoffnung, dass die Taishan ablegebereit am Steg liegt. Weit gefehlt. In der West Marina - der Schiffswerft - angekommen, liegt die Taishan aufgebockt im Trockendock. Mike, der Chef der Shipyard eröffnet mir, dass er noch Ersatzteile benötigt - und dies könne dauern. Mindestens eine Woche. Allerdings hatte die Werft den Motor schon von den Fundamentfüssen gelöst und ca. 1 m in Richtung Bug aufgebockt, um überhaupt einen Zugang zu der Welle und dem Stevenrohr zu bekommen. Die Welle war auch schon ausgebaut. Die Ursache für die Leckage war ein gebrochenes Lager von den 4 Fundamentfüssen, auf denen der Motor gelagert ist. Also müssen nicht nur die Fundamentlager ausgewechselt werden, sondern auch die Welle, das Stevenrohr mit der Vetos-Gummibuchse und auch die Flexkupplung - Verbindung mit dem Getriebe.
Wir fügen uns in das Unvermeindliche, hinterlegen 600 Pfund als Deposit und machen das Beste aus allem und uns auf den Weg, das zauberhafte Südengland zu erkunden. Wir leihen uns einen kleinen Fiesta und versuchen, damit links dem Straßenverkehr auszuweichen. Anette ist begeisterte Garten- und Herrenhäuser-Besucherin. Da die Eintrittspreise für diese Lokationen astronomisch hoch sind, treten wir dem National Trust bei, der freien Eintritt erlaubt. Allerdings ist der Jahresbeitrag mit 120 Pfund für uns Beide auch nicht ganz niedrig. Er verpflichtet uns sozusagen jedes Herrenhaus in Südengland unter Regie des National Trust (NT) aufzusuchen. Nach einer Woche und einem Telefonat mit der Schiffswerft hatten wir dafür nicht nur, wie anfangs gedacht 7 Tage, sondern insgesamt 14 Tage Zeit. Die Vielzahl der "Objekte" und deren Beschreibung erspare ich Euch an dieser Stelle. Anette wird einige Fotos einstellen.
Am 31.07.2019 sind wir dann endlich zurück in Brighton und auf der Shipyard. Die Taishan wird grade zu Wasser gelassen. Mit Mike überprüfe ich die Funktion der Welle und des Stevenrohrs. Es scheint alles dicht zu sein. Der ganze Spaß kostet mich 2600 Pfund, hinzu kommen noch Liegegebühren von 800 Pfund. Zudem haben wir mit der Zeit in Griechenland insgesamt 4 Wochen an Land verbracht. Wir wollten jetzt eigentlich schon in Spanien sein. Nun - wir fügen uns in das Unvermeidliche und segeln am 01.August weiter. Wir machen einen langen Schlag von Brighton bis Cowes auf der Isle auf Wight. Dort ist der Bär los. Das Fastnet Rennen soll in zwei Tagen losgehen. Mit viel Glück bekommen wir einen der letzten Liegeplätze in der Südost-Marina. Da wir am Rennen nicht teilnehmen können, wollen wir jedoch mit den teilnehmenden Yachten wenigstens auslaufen. Am 03.08.2019 legen wir um 11 Uhr ab. Wir wollten nicht mit den startenden Yachten zusammen lossegeln - da dies ein vorhersehbares Chaos provozieren würde. Bei gutem Wind segeln wir den Solent gen Westen. Nach 3 Stunden überholen uns die 5 Trimarane, die das Fastnet Rennen anführen. Habe das Gefühl, dass wir stehen, als diese Hightech-Regattayachten an uns vorbeifliegen. Zur gleichen Zeit passieren wir die Needles, markante Felsen, die wie Nadeln den Westen der Isle of White markieren. Mit der ablaufenden Strömung erreichen wir 8 Knoten über Grund und kommen abends in Poole an. Leider ist der Stadthafen überfüllt und wir müssen in den Industriehafen ausweichen. Poole liegt in einer großen Bucht, die schon von den Römern als natürlicher Hafen genutzt wurde. Die Bucht ist sehr schön - Poole dagegen weniger. Abschreckend hoch sind auch die Liegegebühren, die durch nichts gerechtfertigt sind - über 50 Pfund! Wir bleiben daher nur eine Nacht und segeln am nächsten Morgen nach Weymouth. Ein sehr schönes Seebad aus der Viktorianischen Zeit mit dem angeblich schönsten Sandstrand Englands. Dort liegen wir im Stadthafen mit wechselnden Yachten, die neben uns ins Päckchen gehen. Wir besuchen eifrig die schönen Kneipen, die sogenannten Inns. Aufgrund starker Westwinde müssen wir ein paar Tage in Weymouth ausharren, was uns jedoch nicht schwerfällt. Am Donnerstag, den 08. August soll der Wind abnehmen und auf Südosten drehen. Wir beschließen, Donnerstag Nacht um 3 Uhr abzulegen und mit zwei Tiden bis Plymouth zu kommen. So der Plan. In stockdunkler Nacht legen wir also ab und fahren durch die schmale Einfahrt von Weymouth in die Dunkelheit. Man hatte mir empfohlen, möglichst nah an der Küste um die Isle of Portland entlangzufahren, um die gefürchteten Overfalls zu meiden, die entstehen, wenn die Tidesströmung um Felsvorsprünge entlangschießt. Um 4 Uhr stehen wir ca. 100 m unter der Steilküste, die man nur erahnen kann. Auf Navionics - meinem Kartenprogramm ist aber alles toll abgebildet - natürlich auch der Standort der Taishan. Ich verfolge den Verlauf unseres Kurses. Dann merke ich einen spürbaren Ruderdruck und wie die Geschwindigkeit, die eigentlich bei 6 Knoten liegen sollte (Logge) auf 4 Knoten abnimmt. Werden wir jetzt gegen die Steilküste gedrückt und warum haben wir nur noch 4 Knoten? Sind dies die gefürchteten Overfalls, in die ich trotz Kurs unter den Steilufern geraten bin? Was soll ich machen? Ich behalte den Kurs bei und freue mich, dass die Geschwindigkeit auf der Logge auf 4,9 Knoten zulegt. Langsam erkenne ich im Gegenlicht des Leuchtfeuers am Südkap der Isle of Portland die Umrisse der Küstenlinie. Unbeirrt behalte ich den Abstand bei und um ca. 04:30 Uhr passieren wir endlich das Leuchtfeuer. Wir scheinen das Schlimmste hinter uns gelassen zu haben. Wir fahren noch um das Kap herum, um dann auf einen Südwestkurs zu gehen. Der Wind dreht langsam auf Süd, ist aber mit 8 Knoten sehr schwach. Um 07 Uhr setzten wir das Groß und stecken den Kurs Richtung Salcombe ab, deren Halbinsel wir umfahren wollen, damit wir Plymouth noch am Nachmittag erreichen können. Und dann - ich fahre zusammen, Anette erwacht aus ihrem Tiefschlaf - ein schlimmes Geräusch am Propeller. Es schlägt etwas gegen das Ruderblatt. Wir gucken uns ratlos, schockiert an. Was ist passiert? Ich nehme sofort das Gas weg. Wir segeln unter Genua gerade mal 2 Knoten. Wir entscheiden uns, das nahe gelegene Salcombe zu erreichen, das nur 5 Seemeilen entfernt ist. Der Wind ist schwach, die Tide ist stark - wir drohen gegen die dramatisch zerklüftete Steilküste gedrückt zu werden ....